Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts. Marco Mansdörfer

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entwickelten Begriff der Unternehmung mit umfasst: Organisation ist danach jede nach rationalen Gesichtspunkten erfolgende Koordination der Aktivitäten einer Anzahl von Menschen mit dem Zweck, ein gemeinsames, explizit genanntes Ziel vermittels der Aufteilung von Arbeit und Funktionen sowie vermittels einer funktional geordneten Autorität und Verantwortlichkeit zu erreichen[230].

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      Als Objekt der Koordination stehen nach obiger Definition also Aktivitäten von Menschen im Zentrum der Betrachtungen. Die konkrete Koordination kann einerseits schriftlich dokumentiert und in einem Koordinationsplan fixiert werden. Sie kann dann nur seitens der obersten Autorität neu definiert werden (sog. formale Organisation). Sie kann sich andererseits aber auch beiläufig ergeben, ohne ausdrücklich geplant zu sein (sog. informelle Organisation)[231]. Viele für eine Organisation oder Unternehmung entscheidende Vorgänge entstehen gerade aus einem Zusammenspiel formaler und informeller Organisation[232].

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      Mitarbeiter und Organisation schließen daher neben dem rechtlichen Arbeitsvertrag einen geradezu „psychologischen Vertrag“, mit dessen Hilfe über rein materielle Anreizsysteme auch die wesentlichen psychologischen Verhaltensdeterminanten fixiert werden[233]. Gegenstand des „psychologischen Vertrages“ sind einerseits die vielfältigen Erwartungen, mit denen das Individuum der Organisation gegenübertritt, und andererseits die Erwartungshaltung, die die Organisation gegenüber dem Individuum einnimmt. Aus der Sicht der Organisation wird der psychologische Vertrag durch das Konzept der Autorität erfüllt[234]. Der Abschluss dieses „psychologischen Vertrags“ verlangt vom Einzelnen die Bereitschaft, sich dem Autoritätssystem dieser Organisation zu unterwerfen.

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      Dieses Autoritätssystem basiert im Gegensatz zu einem Machtapparat auf der Freiwilligkeit seitens des Mitarbeiters. Basis dieser Legitimation sind sowohl Traditionen, wie zum Beispiel die Leitung eines Unternehmens durch eine Familiendynastie, als auch rational-legale Gründe. Beispiele sind etwa die aus einer Stabsorganisation folgende Weisungskompetenz der übergeordneten gegenüber der untergeordneten Ebene oder Charisma als besondere persönliche Fähigkeit[235]. Ob es eine rein rationale Basis von Autorität und damit eine Basis von Autorität geben kann, die allein auf Fachkompetenz beruht, ist dagegen zweifelhaft. Der Fachkompetenz scheint maßgebliche Bedeutung vor allem als notwendige Ergänzung für rational-legal begründete Autorität zuzukommen[236]. Diese Faktoren bilden damit zugleich die Grundlage dafür, dass der psychologische Vertrag eingehalten wird. Schein stellt daher die Prognose auf, der Mitarbeiter werde kündigen, sobald eine Organisation nicht mehr den Erwartungen des Mitarbeiters entspreche und dieser andererseits nicht gezwungen werden könne, Mitarbeiter der Organisation zu bleiben[237].

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      Die wirtschaftliche Unternehmung kann angesichts der für sie typischen Arbeitsteilung als ein System von Zweck-Mittel-Ketten verstanden werden. Dieses Bild verschiedener Zweck-Mittel-Ketten, die sich als Subsysteme zu dem Gesamtgebilde der Unternehmung zusammensetzen, macht die Grenzen deutlich, die der formalen Organisation solcher Systeme gesetzt sind: Die formale Organisation muss sich auf eine Grundsatzplanung beschränken, die den verschiedenen Einheiten eine hinreichende Selbstständigkeit einräumt, damit diese die von ihnen vorgegebenen Ziele optimal erreichen können. Die Aufgabenbereiche der verschiedenen Subsysteme können sich daher partiell überschneiden und die Subsysteme selbst können miteinander in Konkurrenz treten – z. B. um fähige Mitarbeiter, um den Nutzungsvorrang bei wichtigen Maschinen oder um Mittel zur Entwicklung neuer Produkte[238]. Je größer eine Organisation ist, desto bedeutsamer werden diese Effekte, sodass die Subsysteme zunehmend unvollständig in die Gesamtorganisation integriert sind.

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      Ein wesentlicher Grund, dass solche Integrationsmängel entstehen, sind außerdem die bereits angesprochenen informellen Organisationsmuster innerhalb eines Unternehmens[239]. Sie können bedingen, dass einzelne Personen oder Gruppen eine größere Loyalität gegenüber einer Teilorganisation als gegenüber der Gesamtorganisation aufweisen, sodass der Organisationsplan an praktischer Verbindlichkeit verliert. Umgekehrt können im Wege der informellen Organisation auch Lücken und Probleme geschlossen werden, die sich aus einer defizitären formalen Organisation ergeben[240].

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      Insgesamt folgt damit aus einer defizitären Integration der Subsysteme in die Gesamtorganisation die Gefahr, dass daraus entstehende oder von Beginn an bestehende Probleme erst spät oder im Einzelfall möglicherweise zu spät erkannt werden können, um Schäden abzuwenden. Eine richtige Organisation verlangt daher nicht nur eine sachangemessene formale Organisation, sondern auch Rücksicht auf die innerhalb der einzelnen Subsysteme wirkenden psychologischen Faktoren sowie eine ausreichende Kommunikation innerhalb der Gesamtorganisation[241]. Gerade dies ermöglicht es oft erst wieder, die einzelnen Subsysteme für die Interessen der anderen Teilgruppen sowie der Gesamtorganisation zu sensibilisieren[242].

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      Um das Verhältnis formaler und informeller Organisation vollständig beurteilen zu können, müssen abschließend noch weitere Besonderheiten berücksichtigt werden: So hängt das Verhältnis von formaler und informeller Organisation in besonderem Maß von der Art der Technologie und der Dynamik des Umfelds eines bestimmten Produktionsbereiches ab. Die Art des Funktionsprozesses determiniert, wie viele Ebenen eine Organisation braucht und wie weit die Kontrollspanne des Vorgesetzten reicht[243]. So bauen etwa leistungsfähige Unternehmen bei starken Bewegungen im Umfeld tendenziell starre formale Organisationsformen ab und ersetzen diese durch flexiblere informale Strukturen[244].

      Beispiele:

      Eine Forschungsabteilung kann aufgrund ihres langfristigen Arbeitshorizonts stärker formal organisiert werden, als etwa eine Marketingabteilung, die ihr Handeln auf sich ständig wechselnde Perspektiven der Abnehmer orientieren muss. Äußerst dynamische Geschäftsumfelder sind etwa der extrem schwankungsanfällige Markt für Speicherbausteine in der Halbleiterindustrie oder der Verkauf von Saisongemüse, wie z. B. Spargel oder Erdbeeren.

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      Für die Ansprüche an die Organisation seitens des Strafrechts sind die Auswirkungen eines dynamischen Umfelds insofern von Bedeutung, als wesentliche Teile des Nebenstrafrechts Sachmaterien erfassen, die faktisch durch ein sich schnell wandelndes Umfeld geprägt sind.

      Beispiele:

      Grenzwerte für die gesundheits- oder umweltschädigende Wirkung bestimmter Schadstoffe, ständige Veränderungen im Stand der Technik bei der Produktion oder der Einschätzung der gesundheitsgefährdenden Wirkung neuer Produkte, wie etwa die Wirkung der Strahlung von Mobiltelefonen, der Einfluss des Konsums gentechnisch veränderter Nahrungsmittel oder der Einnahme bestimmter Medikamente.

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      Häufig ergänzen sich daher formale und informelle Organisationsformen, damit Unternehmen flexibel auf Veränderungen in der Umwelt reagieren können[245]. Nur so kann eine Unternehmung das für sie optimale Maß an Differenzierung und Integration gemessen an den Umweltfaktoren erreichen und ihre Strukturen dynamisch an diese adaptieren[246]. Eine rein formale Organisation würde Effizienznachteile bedingen, die sich ohne die bewusste Ergänzung durch informelle Organisationsstrukturen nicht oder nur schwer ausgleichen lassen.

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      Ob und wie informale Beziehungen in der Praxis beeinflusst werden können, wurde von der Betriebswirtschaftslehre bislang erst wenig erforscht[247]. Im Grunde kehrt hier eine Problematik wieder, die bereits bei der angemessenen


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