Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts. Marco Mansdörfer

Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts - Marco Mansdörfer


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die mit der Sanktion verbundene Normbestätigung gesenkt[631]. Das Strafrecht sichert die Privatautonomie zwar nach der hier verfolgten Konzeption nicht durch eine Einzelnorm im Sinne eines Tatbestands zum Schutz speziell dieser Institution. Dies bedeutet aber nicht, dass die Privatautonomie überhaupt nicht durch das Strafrecht geschützt wäre. Das gesamte Bündel an Einzelsanktionen wirkt insgesamt freiheitserweiternd, indem je nach Einzelfall der Markteintritt des Einzelnen erleichtert wird, Informationen verlässlicher werden oder das Maß zulässigen Zwangs verringert wird und damit die gesamten individuellen Belastungen der eigenen Wirtschaftstätigkeit gesenkt werden.

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      Eigentum und Privatautonomie sind zwar zwei notwendige Bedingungen einer jeden liberalen Wirtschaftsordnung. Hinreichend sind die Institutionen einer Wirtschaftsordnung aber erst beschrieben, wenn dazu noch Institutionen zur Koordination des Individualhandelns hinzukommen. Auch hier zeigt sich – wie bei der strafrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie –, dass diese zwar indirekt, aber doch hinreichend durch die strafrechtliche Gewährleistung individueller Freiheiten geschützt werden[632].

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      Das elementare[633] Koordinationsmodell jeder liberal orientierten Wirtschaftsordnung ist das eines freien und idealen Marktes: Dieses Modell basiert auf der Annahme der vollkommenen Konkurrenz, des freien Marktein- und -austritts und einer umfassenden Information der Marktakteure über die bestehenden Marktverhältnisse. Entscheidungsträger sind die im Markt handelnden Akteure. Kein Anbieter oder Nachfrager hat eine über sein Angebot bzw. seine Nachfrage hinausreichende Machtposition. Die Güterverteilung erfolgt allein über die durch das Effizienzprinzip gesicherte dezentrale Entscheidungsfindung. Angebot und Nachfrage wirken auf den Preis als dem adaptiven, sich selbst regulierenden System, das Adam Smith als die „unsichtbare Hand“ der Marktwirtschaft beschrieben hat[634]. Die neue Institutionenökonomik hat dieses Modell weiter ausdifferenziert und stärker an die Realität angepasst[635]. Der Markt wird danach zunehmend als Netzwerk sozialer Beziehungen zwischen Einzelpersonen, die potentielle Käufer und Verkäufer sind und die in vertikalen oder horizontalen Geschäftsbeziehungen stehen können, verstanden[636]. Der Markt ist dann in einer Weise zu organisieren, die für Wettbewerb sorgt und Transaktionen ermöglicht[637].

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      Das Gegenstück zum Markt bilden idealtypisch Transaktionen durch Anweisungen oder Planung, wie sie vor allem in Unternehmen stattfinden[638]. Im Unternehmen sind die Partner stärker wechselseitig gebunden und alternative (Tausch-)Möglichkeiten sind weiter entfernt[639]. Gemeinsames Kennzeichen beider Organisationsformen ist, dass hier wie dort privates Kollektivhandeln in Gang gesetzt und geleitet werden muss. Dazu müssen Informationen gesammelt und verwertet sowie freiwillige Koalitionen gebildet werden[640]. Die Aufgabe des Staates ist es, ein hinreichendes institutionelles Instrumentarium zu bevorraten, um Privaten die Veranstaltung eines Marktes oder eines Unternehmens zu ermöglichen[641], und zu gewährleisten, dass die einmal aufgestellten Regeln beachtet werden. Das sind zumeist Verfahrensregeln; spezielle strafrechtliche Regeln sind insoweit nicht notwendig. Der Einsatz von Strafe wird regelmäßig erst dann notwendig, wenn Märkte aus anderen Gründen nicht funktionieren und damit ein Marktversagen[642] vorliegt.

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      Marktversagen wird oft durch Transaktionskostenprobleme in Form von Informationsbeschränkungen, hohen Markteintrittskosten oder Marktzugangsregulierungen hervorgerufen[643]. Solche Barrieren werden von Marktteilnehmern gerne bewusst provoziert, um sich dadurch der Situation des Wettbewerbs entziehen und eigene Gewinne steigern zu können[644]. Wenn diese Barrieren durch systemfremden Druck oder durch Täuschung durchgesetzt werden sollen, ist eine Schwelle erreicht, die es rechtfertigt, diesem Verhalten auch mit erheblichen Sanktionen zu begegnen.

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      In seinem Aufsatz „The problem of social cost“ hat Ronald Coase im Jahr 1960 darauf hingewiesen, dass alles Wirtschaften stets auch mit Einflüssen auf andere Individuen verbunden ist[645]. Kosten, Nutzen oder sonstige Leistungen können also bei Dritten, für die Gemeinschaft oder sogar für eine der Vertragsparteien, aber außerhalb des Transaktionsverhältnisses, entstehen und nicht in die Vereinbarung einbezogen sein[646]. Die privaten Kosten oder Erträge stimmen dann nicht mit den sozialen Kosten oder Erträgen überein und die wirtschaftliche Transaktion ist damit von sog. externen Effekten geprägt[647]. Da externe Effekte von der Vorteils-/Nachteilskalkulation der korrespondierenden Transaktion – und damit von dem der Transaktion zugrunde liegenden Effizienzprinzip – nicht erfasst werden, bergen sie die Gefahr von Fehlentscheidungen im Sinne eines ineffizienten Ressourceneinsatzes und der Gesamtwohlfahrt[648]. Generell verleiten positive externe Effekte zu einer Unterinvestition in eine Leistung; während umgekehrt negative externe Effekte eine Überinvestition nach sich ziehen.

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      Solche Fehlentwicklungen können vermieden werden, wenn die externen Effekte in den Marktmechanismus internalisiert werden. Wie dies konstruktiv geschehen kann, hängt sowohl von den rechtlichen wie auch den tatsächlichen Rahmenbedingungen des Marktes ab[649]. Unerwünschte externe Effekte können insbesondere dadurch vermieden werden, dass ihre Ausnutzung mit besonderen Sanktionen belegt wird. Auch dann werden aber durch die Sanktion wieder konkrete Güter geschützt und keine Institutionen als solche. Besonderer Handlungsbedarf besteht beim Schutz öffentlicher Güter. Da die Verfügungsrechte über diese Güter nicht exklusiv bestimmten Einzelpersonen zugeordnet sind, können andere diese Güter – ohne den Einsatz weiterer Kosten – ebenfalls nutzen. In der Folge entstehen externe Effekte geradezu zwingend, sodass ein Eingreifen der öffentlichen Hand durch spezifische Straftatbestände unumgänglich ist.

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      Zuletzt muss der Staat bestimmen, unter welchen Bedingungen technischer Fortschritt[650] als Produktionsfaktor genutzt werden darf. Der technische Fortschritt bezieht sich auf alle drei grundlegenden Produktionsfaktoren, Arbeit, Kapital und Boden. So wird etwa der Faktor Arbeit wesentlich durch individuelles Wissen geprägt. Der Boden kann durch technische Neuerungen – wie zum Beispiel Kunstdünger – wesentlich intensiver genutzt werden, sodass mit dem identischen Kapitaleinsatz wesentlich effizientere Produktionsmittel beschafft werden können[651].

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      Die Besonderheit dieser Aufgabe besteht darin, dass sie in einem Spannungsfeld zu den anderen ökonomischen und außerökonomischen Aufgabenbereichen steht. So kann der Hoheitsgewalt aus der Aufgabe, öffentliche Güter – wie zum Beispiel Sicherheit – bereit zu stellen, die Aufgabe erwachsen, den technischen Fortschritt zu begrenzen und nur unter bestimmten Bedingungen zuzulassen. Außerökonomisch können etwa gesellschaftsethische Erwägungen den Einsatz technischen Fortschritts auf gewisse Sachbereiche begrenzen. Um diese Aufgabe angemessen zu erfüllen, hat die Hoheitsgewalt im Rahmen der notwendigen Technikfolgenabschätzung zunächst hinreichende und neutrale Information in Bezug auf den technischen Fortschritt zu bevorraten. Sodann muss sie den durch die Gemeinschaft akzeptierten Ordnungsrahmen zur Anwendung des Fortschritts vorgeben und eine angemessene Informations- und Risikoverteilung vornehmen[652].

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      Die ökonomische Theorie nimmt diesen permanenten Regelungsbedarf dadurch auf, dass Verfügungsrechte nicht als starre und unveränderliche Rechte, sondern als Rechte, die einem Wandel im Zeitablauf unterliegen, betrachtet werden[653]. Zu einem Wandel der Rechtsstruktur kommt es aus ökonomischer Sicht insbesondere, wenn sich im Zuge des technischen oder wissenschaftlichen Fortschritts einige oder alle Kostenkomponenten derart verändern, dass der Nutzen aus der bestehenden Eigentümerstruktur zuzüglich der für eine Änderung dieser Struktur notwendigen Transaktionskosten geringer ist als die Kosten der bestehenden gegenüber einer alternativen Rechtsstruktur[654]. Aufgrund der Ordnungsfunktion des Rechts sind diese Änderungen allerdings träge. Würde sich das Recht ständig ändern,


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