Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts. Marco Mansdörfer

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      Auch rein tatsächlich wurde die bundesrepublikanische Wirtschaftsordnung von Beginn an maßgeblich von liberalen Ökonomen, wie Walter Eucken (1891-1950) und Alfred Müller-Armack (1901-1978), beeinflusst[511]. Unter der Führung der sog. Freiburger Schule wurde ein Konzept entwickelt, das zwischen den beiden Extremen der reinen Planwirtschaft bzw. der reinen Marktwirtschaft stehen sollte[512]. Die junge Republik sollte im Sinne einer „sozialen Marktwirtschaft“ einen „dritten Weg“ einschlagen und das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs verbinden[513]. Alfred Müller-Armack befürwortete namentlich eine Intervention zur Korrektur der Einkommensverteilung und Stabilisierung des Marktes sowie, auf längere Frist betrachtet, einen Strukturwandel hin zu „qualitativem“ Wachstum. Als Menschenbild lag dieser Wirtschaftstheorie bereits bei Walter Eucken der im ersten Kapitel beschriebene[514] homo oeconomicus zugrunde, also der Mensch, der am Eigeninteresse orientiert handelt und seine eigene Präferenzordnung aufstellt[515]. Auf diesen primär individualistisch gedachten Menschen zielt die gesamte wirtschaftliche Ordnung ab[516]. Alfred Müller-Armack bekannte dabei offen, dass seine Idee der sozialen Marktwirtschaft deutlich in der Idee der neoliberalen Marktwirtschaft wurzelt[517].

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      Die in Art. 14 GG normierte Eigentumsgarantie bringt eine elementare Wertentscheidung zum Ausdruck: Eigentum ist nicht nur konkret-gegenständlich, sondern normativ abstrakt als rechtlich strukturiertes Zuordnungsverhältnis zu verstehen[518]. Im Vordergrund steht damit nicht das natürliche Verhältnis des Eigentümers zu einer Sache, sondern ein normgeprägtes und auf die Begegnung mit Dritten ausgerichtetes Individualrecht. Dazu gehören neben dem Eigentum nach Bürgerlichem Recht auch Geldleistungsverpflichtungen, individuell erworbene öffentlich-rechtliche Positionen sowie sonstige Vermögenswerte[519] oder – zumindest subsidiär – das Unternehmen in seiner Gesamtheit[520].

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      Das Eigentum gewährleistet dem Einzelnen eine „privat verfügbare ökonomische Grundlage individueller Freiheit“[521] und ist damit zunächst in seinem Bestand einschließlich der Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung geschützt[522]. Zugleich bleibt Raum, das Eigentum – wie in Art. 14 Abs. 2 GG gefordert – auf das Wohl der Allgemeinheit zu verpflichten. Damit ist in Art. 14 GG ein „Sozialmodell“ verwirklicht[523], in dem sich eine „Dogmatik der Kompromisse“[524] widerspiegelt[525]:

      Inhalt und Schranken des Eigentums werden im Detail durch den Gesetzgeber im Sinne eines gerechten Ausgleichs zwischen den schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und den Belangen des Gemeinwohls geregelt.

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      Dem Gesetzgeber sind freilich unterschiedliche Grenzen gezogen: Soweit das Eigentum die persönliche Freiheit des Einzelnen sichert, genießt es einen ausgeprägten Schutz; je stärker der soziale Bezug des Eigentums ist, umso größer ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers[526].

      Ein Eigentumsrecht, das nicht nur individuelle Rechte, sondern auch wesentliche Grundlagen der Gemeinschaft gewährleistet, muss von der Gemeinschaft weitestgehend durchgesetzt, bestmöglich verteidigt und damit auch strafrechtlich abgesichert werden[527]. Gerade mit der Hilfe des Strafrechts als einem von der Gemeinschaft zur Verfügung gestelltem Schutzinstrument wird die Eigentumsordnung in der Rechtswirklichkeit wirksam etabliert. Der mit dem rechtswidrigen Angriff auf das Eigentum verbundene Eingriff in individuelle Freiheiten lässt auch die mit strafrechtlichen Sanktionen verbundenen Eingriffe in die Freiheit des Angreifers angemessen erscheinen.

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      Ein Strafrecht zur Sicherung einer vom Individuum losgelösten, rein öffentlichen Planvollstreckung ist nach dem geltenden Verfassungsrecht selbst angesichts Art. 15 GG weder gefordert noch legitimierbar[528]. Art. 15 GG formuliert ideengeschichtlich das Postulat sozialistischer Parteien, mit der Sozialisierung von Produktionsmitteln einen wesentlichen Schritt zur Überwindung des Kapitalismus zu vollziehen[529]. Damit sollte das bürgerlich-liberale Wirtschaftssystem durch ein System der Gesamtwirtschaft ersetzt werden, das den besitzlosen Schichten der Gesellschaft eine kollektive Verfügungsmacht über das Wirtschaftseigentum zuweisen sollte[530]. Art. 15 GG ermöglicht zwar bis heute die Sozialisierung individueller Rechte[531]. Sozialisierungen sind jedoch grundsätzlich mit einer materiellen Ausgleichspflicht des Staates verbunden[532]. Verfassungsrechtlich folgt daraus die Voraussetzungslosigkeit privaten Wirtschaftshandelns und die Rechenschaftsverpflichtung staatlicher Intervention oder Lenkung. Rechtspraktisch wurde die Ermächtigung des Art. 15 GG noch nie verwendet, sodass es sich bislang auch um nur symbolisches Verfassungsrecht handelt.

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      Art. 12 Abs. 1 GG verbrieft die Freiheit des Bürgers, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet hält, als Beruf zu ergreifen[533]. Dazu gehören nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG das Recht auf die freie Wahl des Berufes, des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte, das Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG um das Recht der freien Berufsausübung ergänzt. Jeder soll möglichst frei über die ökonomische Grundlage seiner Lebensführung entscheiden, sodass sich der grundrechtliche Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG auf den Beruf in allen seinen Aspekten erstreckt. Beruf ist jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft und in ideeller wie materieller Sicht der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage einer bestimmten Person dient[534]. Art. 12 GG konkretisiert damit das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und zielt auf eine möglichst unreglementierte Berufstätigkeit ab[535].

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      Mit der freien Berufsausübung und dem freien Unternehmertum ist prinzipiell das Ideal von ökonomischem Wettbewerb verbunden, der damit zum Eckpfeiler der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung wird[536]. Einschränkungen der Berufsfreiheit sind im Rahmen einer Globalsteuerung auf der Marktebene bis hin zu einer „gelenkten Marktwirtschaft“[537] zulässig. Grenzen werden erreicht bei einer Steuerung bis auf Branchenebene etwa nach dem Modell der sog. „Planification“[538] und erst recht bei Ansätzen zu einer Mikrosteuerung auf Unternehmensebene – wie zum Beispiel staatlichen Investitionskontrollen – nach dem Modell eines „gemäßigten Sozialismus“.

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      Die Berufsfreiheit schließt freilich nicht aus, dass der Gesetzgeber Berufe rechtlich ordnet und damit fixiert oder vereinheitlicht[539]. Damit wird gewährleistet, dass ein Beruf nur von Personen wahrgenommen werden kann, die die notwendigen Voraussetzungen dieses Berufs erfüllen, und andere von der Ausübung dieses Berufes ausgeschlossen werden[540]. Die abwehrrechtlichen Wirkungen der Berufsfreiheit wiegen umso stärker, je schwerer die hoheitlichen Eingriffe wirken. Eingriffe dürfen grundsätzlich nicht weiter gehen, als es die sie legitimierenden öffentlichen Interessen erfordern[541].

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      Auch die Berufsfreiheit, die damit sowohl individuelle Rechte als auch den Wettbewerb einzelner als Gesamtpfeiler der wirtschaftlichen Gesamtleistung sichert, muss von der Gemeinschaft weitestgehend durchgesetzt werden. Anknüpfungspunkt sind dabei die elementaren Voraussetzungen der freien Berufswahl und -ausübung als Elemente der allgemeinen Handlungsfreiheit[542]. Das Modell des homo oeconomicus spezifiziert diese Voraussetzungen insbesondere auf den Schutz der Freiheit der Willensbildung und die Sicherung der individuellen Orientierung im Wirtschaftsleben, soweit dies zur individuellen Präferenzbildung und -verfolgung notwendig ist[543]. Wird in diese Freiheiten eingegriffen erscheint umgekehrt eine Individualfreiheiten beschränkende Sanktion als verhältnismäßige Reaktion auf diesen Rechtsbruch. Das Strafrecht ist freilich auf einen elementaren Schutz dieser Freiheit beschränkt und darf nicht zu einer – durch ein auswucherndes Verwaltungssanktionenrecht gesicherten – Bestandsgarantie ganz bestimmter Zustände hypertrophieren. Gerade in Zeiten eines erheblichen


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