BGB Allgemeiner Teil I. Achim Bönninghaus
Nach § 444 kann sich der Verkäufer, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat, nicht auf eine Vereinbarung berufen, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Bei einem Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 BGB ist der Verkäufer („Unternehmer“) über § 444 hinaus noch viel weitreichender gehindert, die Rechte des Käufers („Verbraucher“) wegen Mängeln zu beschränken. Dies ergibt sich aus der einseitig-zwingenden Vorschrift des § 475.
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Die entscheidende Frage ist nun, woran man eigentlich erkennt, dass eine Norm zwingenden Charakter hat oder bloß dispositiv ist. Einfach ist es, wenn es sich dem Gesetzeswortlaut entnehmen lässt. Immer dann, wenn das Gesetz in der Rechtsfolge ausdrücklich oder sinngemäß ausspricht, dass eine davon abweichende Vereinbarung/Vorgehensweise unwirksam ist, handelt es sich um zwingendes Recht.
Schlagen Sie die im Beispiel genannten Vorschriften im Gesetz jetzt gleich nach.
Beispiel
§§ 125, 134[9], 138, 248 Abs. 1: „…ist nichtig.“
§ 276 Abs. 3: „…kann nicht erlassen werden.“
§ 312k Abs. 1 S. 1: „…darf nicht abgewichen werden.“
§§ 444, 475: „…kann sich nicht berufen.“
§§ 536 Abs. 4, 553 Abs. 3, 555: „…ist unwirksam.“
In allen anderen Fällen, wo das Gesetz keine ausdrückliche Klarstellung ausspricht, ist nach Auslegung des Gesetzes zu entscheiden.[10]
Beispiel
Die Normen des Sachenrechts regeln abschließend, welche Typen von dinglichen Rechten es insgesamt gibt (sog. „Typenzwang“), welchen Inhalt diese Rechtstypen haben (sog. „Typenfixierung“) und wie sie übertragen werden. Abweichende Vereinbarungen zur Ausgestaltung oder Übertragung von dinglichen Rechten sind unwirksam.[11] Ausdrücklich ausgesprochen wird dies aber nicht, sondern vorausgesetzt.
Entsprechendes gilt für die Ausgestaltung der verschiedenen Rechtstypen im Familien- und Erbrecht.
Anmerkungen
BVerfG in BVerfGE 89, 214 ff. unter Ziff. C II 2 m.w.N. = NJW 1994, 36, 38 f.; Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 174; Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 1.
BVerfG a.a.O.; in ihrer besonderen Ausprägung der Testierfreiheit genießt sie den besonderen Schutz des Art. 14 GG, die Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 GG und die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 GG.
Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 175; Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 2.
BVerfG in BVerfGE 89, 214 ff. unter Ziff. C II 2a = NJW 1994, 36 ff.
BVerfG a.a.O. unter Ziff. C II 2b.
Palandt-Ellenberger § 157 Rn. 4; deswegen geht das dispositive Recht der ergänzenden Vertragsauslegung grundsätzlich vor.
Lateinisch: „ius cogens“.
Leenen BGB AT § 1 Rn. 51.
Achtung: Aber nicht alle Verbotstatbestände sind Verbotsgesetze i.S.d. § 134, siehe im Skript „BGB AT II“ unter Rn. 281 ff.
Brox/Walker Allgemeiner Teil des BGB § 2 Rn. 35 a.E.
Palandt-Bassenge Einl. v. § 854 Rn. 3.
2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › B. Definition des Rechtsgeschäfts
B. Definition des Rechtsgeschäfts
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Im Gesetz wird der Begriff „Rechtsgeschäft“ nicht näher definiert, sondern einfach zitiert.[1] Die Bestandteile eines Rechtsgeschäfts ergeben sich erst aus einer Zusammenschau verschiedener Normen. In jedem Fall benötigt man mindestens eine Willenserklärung. Je nach Rechtsgeschäft können dann noch weitere Elemente notwendig sein, um den gewünschten Erfolg herbeizuführen.
Das Rechtsgeschäft ist ein Tatbestand aus einer oder mehrerer Willenserklärungen, die allein oder in Verbindung mit anderen Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführen, weil sie gewollt ist.[2]
2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › B. Definition des Rechtsgeschäfts › I. Willenserklärung
I. Willenserklärung
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Aus der Funktion des Rechtsgeschäfts als Mittel der willentlichen Gestaltung von Rechtsverhältnissen ergibt sich ein zwingendes und selbstverständliches Element von Rechtsgeschäften: Rechtsgeschäfte müssen zumindest eine „Willenserklärung“ aufweisen. Wenn eine Person mit Hilfe eines „Rechtsgeschäfts“ ihre rechtlichen Verhältnisse nach ihrem Willen autonom gestalten kann, muss der jeweilige Wille dieser Person im konkreten Fall auch bekannt werden. Der Wille, eine bestimmte Rechtsfolge herbeiführen zu wollen, muss also irgendwie zum Ausdruck kommen. Verbindliche Wirkungen lassen sich durch den Willen allein nicht erzielen, weil niemand, auch kein Richter, ermitteln kann, was insgeheim im Kopf einer Person vor sich geht. Unsere Rechtsordnung kann nur den nach außen zutage getretenen Willen berücksichtigen.
Beispiel
Wer beim Bäcker Brötchen kaufen will, muss dies in irgendeiner Form erklären – sonst wird er sie nicht bekommen.