BGB Allgemeiner Teil I. Achim Bönninghaus
657), Gewinnzusage (§ 661a) und Vermächtnis (§§ 1939, 2147, 2174) werden Schuldverhältnisse begründet. Bei Auslobung und der Gewinnzusage widerspräche es gerade dem Schutz des „Gewinners“, wenn ihm die zugesagte Leistung mit dem Argument vorenthalten werden könnte, es sei mangels Einigung gar kein Vertrag zustande gekommen. Beim Vermächtnis überwiegt die privatautonome Freiheit des Einzelnen, frei über die Verteilung seines Vermögens nach seinem Tod entscheiden zu können („Testierfreiheit“). Der durch das Vermächtnis Verpflichtete („Beschwerter“) ist durch die erbrechtlichen Vorschriften ausreichend davor geschützt, dass sein eigenes Vermögen durch das Vermächtnis belastet werden könnte. Ihm fällt ja regelmäßig aus dem Nachlass ein zusätzlicher Vermögenswert in den Schoß, von dem er lediglich einen Teil als Vermächtnis abzugeben hat.
2. Verfügungsgeschäfte
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Sie können sich die Wirkungen des Verfügungsgeschäfts mit der Abkürzung „VÜBA“ merken oder sich selbst ein anderes Wort bzw. einen passenden Merksatz ausdenken.
Verpflichtungsgeschäfte schaffen Ansprüche, an bestehenden Rechten ändern sie nichts. Das ist bei den sog. Verfügungsgeschäften anders.[8] Mit Ihnen soll über ein bestehendes Recht verfügt werden, indem der bisherige Zustand dieses Rechts unmittelbar geändert wird.
Verfügungsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte, die auf eine unmittelbare Änderung eines bestehenden Rechts gerichtet sind, indem das Recht (inhaltlich) Verändert, Übertragen, Belastet oder Aufgehoben wird.[9]
Rechte sind nicht-körperliche Gegenstände (Umkehrschluss aus § 90) wie zum Beispiel Ansprüche[10] (vgl. § 194), höchstpersönliche Rechte (vgl. § 823 Abs. 1), Eigentum (vgl. § 903), Pfandrecht (vgl. § 1204), Marken-, Patent- und Urheberrechte.
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Bei den Verfügungsgeschäften gibt es keine Gestaltungsfreiheit. Vielmehr sieht der Gesetzgeber einen abschließenden Katalog (numerus clausus) der verschiedenen Typen von Verfügungsgeschäften vor.[11] Lediglich diese Verfügungsarten stehen zur Verfügung. Darüber hinaus sind keine weiteren Verfügungsvarianten möglich. Dies dient der Klarheit und Rechtssicherheit, damit sich jedermann über mögliche Rechtsveränderungen zuverlässig informieren kann.
Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verfügung ist bei allen Typen stets eine bestehende Verfügungsmacht des Verfügenden.[12] Fehlt sie, kann sie ausnahmsweise nach den Regeln des gutgläubigen Erwerbs überwunden werden Eine solche Rechtsmacht spielt bei Verpflichtungsgeschäften keine Rolle.
Ein weitere Eigenart des Verfügungsgeschäftes besteht darin, dass hier das sog. „Prioritätsprinzip“ gilt. Verfügt jemand mehrmals in derselben Weise über ein Recht, ist grundsätzlich nur die zeitlich erste Verfügung wirksam, da sich die entsprechende Rechtsmacht mit der ersten Verfügung verbraucht hat. Ausnahmen können sich wiederum aus den Regeln des gutgläubigen Erwerbs ergeben. Eine solche zeitliche Rangfolge spielt bei Verpflichtungsgeschäften ebenfalls keine Rolle.
Beispiel 1
Stellvertreter S schließt im Namen und Vollmacht des K1 einen Kaufvertrag über das gebrauchte Auto des V für 5000 €. K1 soll den Wagen mit Schlüssel und Papieren eine Woche später gegen Barzahlung abholen. Noch vor Übergabe meldet sich der K2 und bietet 8000 €. V nimmt dessen Angebot an. K2 bezahlt sofort bei V und nimmt den Wagen mit.
Der zweite Kaufvertrag mit K2 ist nicht deshalb unwirksam, weil V das Auto bereits an K1 verkauft hatte. Die Übereignung des Wagens an K2 gem. § 929 S. 1 ist ebenfalls wirksam, weil V sein Eigentum ja noch behalten hatte. Allerdings muss V den ersten Kaufvertrag mit K 1 noch erfüllen. Bleibt der Wagen bei K2, ist ihm die Erfüllung unmöglich. Der Anspruch ist dann nach § 275 Abs. 1 ausgeschlossen. K1 braucht nach § 326 Abs. 1 S. 1 seinerseits den Kaufpreis nicht zu bezahlen und kann gegen V Ersatzansprüche nach §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 1, 3, 283 bzw. 284 geltend machen.
Beispiel 2
Der klamme Händler H verkauft seine Forderung (vgl. § 453 Abs. 1) gegen den zahlungsunwilligen Schuldner S an den K1, um schnell an Geld zu kommen und tritt sie ihm gem. § 398 ab. Sodann verkauft er sie ein zweites Mal an den K2 und tritt sie diesem ebenfalls ab.
Hier sind wieder beide Kaufverträge wirksam. Aber nur den ersten Kaufvertrag hat H durch Abtretung erfüllen können. Die zweite Abtretung ging aufgrund des Prioritätsprinzips ins Leere. H hatte seine Forderung durch die erste Abtretung auf K1 übertragen und damit seine Verfügungsmacht verloren. Ohne Zustimmung des neuen Rechtsinhabers K 1 konnte er sie nicht noch einmal auf K2 übertragen. Und ein gutgläubiger Erwerb des K2 ist ausgeschlossen, da es bei der Forderungsabtretung keinen Erwerb vom Nichtberechtigten gibt. Dem K2 haftet H aus §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 1, 3, 283 bzw. 284.
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Verfügungsgeschäfte können einseitige oder mehrseitige Rechtsgeschäfte sein.
Beispiel
Die Aufrechnung ist ein einseitiges Verfügungsgeschäft, dass auf unmittelbares Erlöschen (= Aufhebung) wechselseitiger Ansprüche gerichtet ist (vgl. §§ 388, 389). Die Aufgabe des Eigentums an einer beweglichen Sache geschieht ebenfalls durch einseitiges Rechtsgeschäft („Dereliktion“) gem. § 959. Der Erlass einer Forderung ist ebenfalls ein auf Erlöschen gerichtetes Verfügungsgeschäft, aber nach § 397 als mehrseitiges Rechtsgeschäft, nämlich den Erlassvertrag, ausgestaltet.
Die Übertragung eines Rechts geschieht jeweils durch mehrseitiges Rechtsgeschäft. Eine Forderung wird durch Abtretungsvertrag nach § 398 übertragen. Bei der Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache gem. § 929 ist neben der vertraglichen Einigung noch eine Übergabe der Sache notwendig. Entsprechendes gilt für die Belastung des Eigentums an einer beweglichen Sache mit einem Pfandrecht (vgl. § 1205).
Bei der Veränderung eines Grundstücksrechts bedarf es nach §§ 873, 877 neben der vertraglichen Einigung noch der Eintragung im Grundbuch.
3. Hintergrund: Trennungs- und Abstraktionsprinzip
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Die Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften ist eine Eigenart des deutschen Rechts. Sie wird formal auch dann durchgehalten, wenn die Geschäfte stillschweigend durch einen einheitlichen Lebenssachverhalt vorgenommen werden, wie zum Beispiel beim alltäglichen Einkauf. Man bezeichnet diese Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft auch als „Trennungsprinzip“.[13]
Beispiel
Beim Kauf im Supermarkt wird zum einen ein Kaufvertrag über die an der Kasse vorgelegte Ware als Verpflichtungsgeschäft geschlossen. Er begründet einen Anspruch des Käufers auf Übereignung und Übergabe der vorgelegten Ware in mangelfreiem Zustand (vgl. § 433 Abs. 1) und einen Anspruch des Verkäufers (= Betreiber des Supermarktes) auf Zahlung des Kaufpreises (vgl. § 433 Abs. 2).
Diese Ansprüche werden beim Bargeschäft sogleich durch folgende Verfügungsgeschäfte wieder erfüllt: Das Eigentum an der Ware wird gem. § 929 durch Einigung und Übergabe auf den Käufer übertragen, der die Ware an sich nimmt. Umgekehrt wird der Kaufpreis durch Übereignung gültiger Geldscheine bzw. Münzen gem. § 929 gezahlt.
All dies geschieht regelmäßig stillschweigend durch die an der Kasse üblichen Verhaltensweisen. Nur der Jurist klassifziert diesen Vorgang als die eben bezeichneten, verschiedenen Rechtsgeschäfte.
Betrachten wir noch den Fall eines Erlasses im Sinne des § 397:
Beim Erlass