BGB Allgemeiner Teil I. Achim Bönninghaus
das Gesetz auch als „gegenseitigen Vertrag“ (vgl. §§ 320 ff.). Gleichbedeutend ist der Ausdruck „synallagmatischer Vertrag“, weil das Versprechen der einen Leistung um der zugleich versprochenen Gegenleistung willen als „Synallagma“ bezeichnet wird.[21]
Bei den unentgeltlichen Verträgen einigen sich die Parteien darüber, dass eine Leistung ohne Gegenleistung, also ohne Entgelt, erbracht werden soll.
Beispiel
Schenkung (§§ 516 ff.), Leihe (§§ 598 ff.), zinsloses Darlehen[22] (§§ 488 ff.) bzw. unentgeltliches Sachdarlehen (§§ 607 ff.), Auftrag (§§ 662 ff.) oder Bürgschaft[23] (§§ 765 ff.).
Hinweis
Soll eine Dienst- oder Werkleistung erbracht werden und haben sich die Vertragspartner nicht ausdrücklich auf eine bestimmte Vergütung verständigt, liegt nicht unbedingt ein Auftrag i.S.d. § 662 vor. Entscheidend ist, ob sich der Einigung entnehmen lässt, dass die Leistungserbringung unentgeltlich erfolgen, oder dass es dafür irgendeine Vergütung als Entgelt geben soll. Soll eine Vergütung gezahlt werden, ist diese aber im Vertrag nicht bestimmt, hilft das Gesetz mit (dispositiven!) Regeln zur Vergütung (vgl. §§ 612, 632).
Bei den unentgeltlichen Geschäften stellt sich regelmäßig auch die Frage, ob tatsächlich ein Vertrag oder lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt.[24]
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„Unentgeltlich“ bedeutet nicht, dass nur eine Partei aufgrund des Vertrages primären Leistungspflichten unterworfen ist. Auch die andere Seite kann durch den Vertrag Pflichten übernehmen. Bei unentgeltlichen Verträgen sind diese Pflichten aber nicht die Gegenleistung für die Hauptleistung, sondern Nebenpflichten ohne Entgeltcharakter. Man nennt Verträge mit einer unentgeltlichen Hauptleistung, bei denen aber auch die andere Seite (Neben-)Leistungspflichten übernimmt, zweiseitig verpflichtende Verträge.[25]
Beispiel
Bei der Leihe ist der Entleiher nach § 601 Abs. 1 zur Tragung der gewöhnlichen Erhaltungskosten und zur Rückgabe der entliehenen Sache nach § 604 Abs. 1 verpflichtet. Beim zinslosen Darlehen schuldet der Darlehensnehmer nach § 488 Abs. 1 S. 2 Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Darlehens. Entsprechendes gilt für das Sachdarlehen nach § 607 Abs. 1 S. 2.
Der Auftrag verpflichtet den Auftraggeber nach §§ 669, 670, Aufwendungen des Beauftragten wieder zu ersetzen und auf Verlangen für etwaige Aufwendungen Vorschüsse zu leisten, über die anschließend abgerechnet wird.
2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › C. Einteilung von Rechtsgeschäften › IV. Kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte
IV. Kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte
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Wir haben eben unter Rn. 83 gesehen, dass Zuwendungen aufgrund unwirksamer Verpflichtungsgeschäfte mit Hilfe des Bereicherungsrechtes rückabgewickelt werden. Verpflichtungsgeschäfte begründen eine Leistungspflicht und schaffen damit regelmäßig einen Rechtsgrund[26] für das Behalten der zugewendeten Leistung i.S.d. § 812 Abs. 1. Es gibt allerdings Ausnahmen. Sie werden in § 812 Abs. 2 angesprochen: Danach gilt auch die „durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses als Leistung.“ Die Anerkennung eines Schuldverhältnisses i.S.d. § 781 begründet eine Leistungspflicht und ist damit sicher ein Verpflichtungsgeschäft.[27] Gleichwohl ist der Vertrag mit dem Schuldanerkenntnis seinerseits „Leistung“ und nicht zugleich Rechtsgrund i.S.d. § 812 Abs. 1. Was unterscheidet nun das Schuldanerkenntnis von anderen Verpflichtungsgeschäften, die neben der Leistungspflicht zugleich einen Rechtsgrund schaffen? Die Antwort besteht darin, dass der Anerkenntnisvertrag gem. § 781 nicht beantwortet, zu welchem Zweck er vorgenommen wurde. Verpflichtungsgeschäfte, die zugleich die Frage beantworten, warum die Leistung zugewendet wird, stellen einen Rechtsgrund i.S.d. § 812 Abs. 1 (sog. „causa“) dar. Sie werden daher auch „kausale Geschäfte“ oder kurz „Kausalgeschäfte“ genannt.[28]
Hinweis
Damit ist nicht gemeint, dass Kausalgeschäfte sämtliche Motive der Parteien offenlegen. Das geschieht nie. Entscheidend ist vielmehr, ob aus der Vereinbarung die wirtschaftliche Zweckrichtung der Leistung hervorgeht, insbesondere ob eine Leistung dauerhaft oder nur vorübergehend und ob sie entgeltlich oder unentgeltlich zugewendet wird.
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Rechtsgeschäfte, die ihrerseits keinen Rechtsgrund darstellen, nennt man „abstrakte Rechtsgeschäfte“.[29] Sie sind von einem bestimmten Rechtsgrund losgelöst („abstrahiert“) und unabhängig (Trennungs- und Abstraktionsprinzip!).
Verfügungsgeschäfte sind daher zugleich abstrakte Rechtsgeschäfte.[30] Der Grund und Zweck der Verfügung liegt außerhalb des Rechtsgeschäfts begründet und kann sich aus einem Kausalgeschäft oder aus dem Gesetz ergeben.
Beispiel
Die Übereignung eines Kartons mit zehn Eiern gem. § 929 S. 1 besagt nichts darüber, zu welchem Zweck sie vorgenommen wird. Die Übereignung kann der Erfüllung einer vertraglichen Pflicht dienen, zum Beispiel aus einem zugrunde liegenden Kaufvertrag, einem Tausch, einer Schenkung, einem Werklieferungsvertrag oder einem Sachdarlehen. Sie kann aber auch zur Erfüllung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses vorgenommen werden, zum Beispiel aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1, wenn eine rechtsgrundlose Übereignung rückabzuwickeln ist oder aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, wenn für zerstörte zehn Eier dem Eigentümer der zerstörten Eier Naturalrestitution durch Übereignung gleichartiger Eier zu leisten ist.
Verpflichtungsgeschäfte sind hingegen bis auf ganz wenige Ausnahmen immer Kausalgeschäfte.
Als Ausnahmen bleiben diejenigen Verpflichtungsgeschäfte, die der Erfüllung verschiedener Kausalgeschäfte dienen können und daher von diesen ihrerseits losgelöst sind. Sie sind ebenfalls „abstrakte Rechtsgeschäfte“. Die mit diesen Geschäften geschaffenen Ansprüche können für unterschiedliche Zwecke eingeräumt werden, wobei sich der Zweck erst aus dem kausalen Rechtsverhältnis ergibt. Sie erkennen diese abstrakten Verpflichtungsgeschäfte daran, dass sie die Frage nach der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit und auch nach dem Zweck der Leistung nicht beantworten.
Beispiel
Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781), Anweisung (§§ 783 ff.), Inhaberschuldverschreibung (§ 793), Verpflichtungen aus Wechsel oder Scheck.[31]
Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis können beispielsweise der Abrechnung wechselseitiger Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis, Darlehen oder Giro(konto)vertrages zur einvernehmlichen Ermittlung eines Schlußsaldos dienen, um damit einer vertraglichen oder gesetzlichen Abrechnungspflicht zu genügen (vgl. § 782).[32]
Sie können auch als Sicherungsinstrumente dienen, indem jemand etwa eine Zahlungsverpflichtung gem. § 780 verspricht, um damit der Bank eine (nichtakzessorische[33]) Personalsicherheit für das Darlehen eines anderen zuzuwenden.[34] Der Zweckzusammenhang zwischen der abstrakten Zahlungsverpflichtung aus dem Schuldversprechen und dem Darlehensvertrag ergibt sich erst aus der kausalen Sicherungsabrede. Dies ist bei der Bürgschaft anders: Hier ergibt sich der Sicherungszweck aus dem Bürgschaftsvertrag selbst, der den Sicherungswillen des Bürgen und wegen der Akzessorietät der Bürgschaft zugleich auch die zu sichernde Hauptforderung festlegen muss. Die Bürgschaft ist daher ein kausales Verpflichtungsgeschäft.[35]
Die Eingehung einer Scheckverbindlichkeit kann zum Beispiel der Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung