Allgemeines Verwaltungsrecht. Mike Wienbracke
Androhung eines Zwangsgelds zur Räumung der Gaststätte verpflichtet wird, so hat H tatsächlich (rechtswidrig) in öffentlich-rechtlicher – statt (rechtmäßig) in privatrechtlicher – Form gehandelt.
Hinweis
Ob die von der Verwaltung gewählte Handlungsform rechtmäßig ist, d.h. ob die Verwaltung nach dem Gesetz auch so handeln durfte bzw. musste, wie sie tatsächlich gehandelt hat, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn die Frage nach der Rechtsnatur einer Verwaltungsmaßnahme ist von derjenigen nach ihrer Rechtmäßigkeit streng zu trennen.[13]
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Sofern sich die Verwaltung im konkreten Fall auch nicht einer eindeutigen Handlungsform bedient haben sollte, ist das Rechtsregime anhand von Indizien wie dem Sachzusammenhang des Verwaltungshandelns und dessen Ziel und Zweck zu ermitteln:
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So erfolgt fiskalisches Handeln (Rn. 20) wie die Bedarfsdeckung des Staates (z.B. Einkauf von Büromaterialien), die Verwaltung staatlichen Vermögens (z.B. Verkauf ausrangierter Dienstfahrzeuge) sowie die staatliche Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (z.B. unternehmerisches Auftreten des Staates als Anbieter am Güter- und Dienstleistungsmarkt) jeweils in privatrechtlicher Form.
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Namentlich im Rahmen der Leistungsverwaltung (z.B. Subventionsvergabe[14], Benutzung öffentlicher Anstalten und Einrichtungen[15]) ist nach der von H.P. Ipsen[16] entwickelten Zwei-Stufen-Theorie zwischen der stets als öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden Bewilligung bzw. Zulassung auf der ersten Stufe (dem „Ob“) und der entweder öffentlich-rechtlich (Indiz: Benutzungsordnung als „Satzung“ ergangen, Erhebung einer Benutzungsgebühr) oder[17] privatrechtlich (Indiz: Benutzungsordnung als „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ ergangen, Forderung eines Benutzungsentgelts) ausgestalteten Abwicklung auf der zweiten Stufe (dem „Wie“) zu unterscheiden.[18]
Beispiel[19]
Auf Antrag des Ortsvereins der P-Partei hin überlässt der Oberbürgermeister der Stadt S der P-Partei mit Bescheid vom 14.12. die im Eigentum von S stehende Stadthalle für eine Wahlkampfveranstaltung. Im Gegenzug hierfür verpflichtet sich P im daraufhin mit S gem. §§ 535 ff. BGB geschlossenen Mietvertrag zur Zahlung einer Miete i.H.v. 5000 €.
Falls P gleichwohl der Zutritt zur Stadthalle verwehrt wird, ist für die diesbezügliche öffentlich-rechtliche Streitigkeit (auf der ersten Stufe hinsichtlich des „Ob“) der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. Falls P die 5000 € Miete nicht zahlt, muss sich S bzgl. dieser privatrechtlichen Streitigkeit (auf der zweiten Stufe bzgl. des „Wie“) gem. § 13 GVG an das zuständige Zivilgericht wenden.
Hinweis
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Zwei-Stufen-Theorie ist die strukturelle Zweistufigkeit des betreffenden Vorgangs. Hieran fehlt es etwa bei der (privatrechtlichen) Vergabe öffentlicher Aufträge, so dass unterhalb der Schwellenwerte des § 2 VgV der Zivilrechtsweg eröffnet ist.[20]
Wird die öffentliche Einrichtung[21] (z.B. i.S.v. § 10 Abs. 2 S. 2 GemO BW, Art. 21 Abs. 1 S. 1 bay. GO, § 8 Abs. 2 GO NRW) von einer juristischen Person des Privatrechts betrieben (z.B. Stadthallen-GmbH), deren Anteile sich mehrheitlich in der Hand beispielsweise einer Gemeinde befinden, kann das Benutzungsverhältnis (zweite Stufe) nur privatrechtlich ausgestaltet sein (vgl. Rn. 29). Wird die Zulassung (erste Stufe) versagt, hat der Bürger einen dahingehenden Anspruch gegenüber der Gemeinde als Gesellschafterin, dass diese auf die privatrechtlich organisierte Gesellschaft so einwirkt, dass Letztere dem Bürger den Zugang zu der Einrichtung verschafft.[22] Entsprechendes gilt (z.B. über vertraglich begründete Mitwirkungs- oder Weisungsrechte), wenn die Gemeinde die Betriebsführung einem Privaten etwa im Rahmen eines privatrechtlichen Miet-, Pacht- oder Leiheverhältnisses überlässt.[23]
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Realakte wie die Dienstfahrten eines Beamten sind nach der Rechtsprechung[24] dann als öffentlich-rechtlich zu beurteilen, wenn sie zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben erfolgen (z.B. Bürgermeister fährt zu einer dienstlichen Besprechung). Erfolgt die Fahrt dagegen aus fiskalischen Gründen (z.B. Bürgermeister fährt zu einem Gewerbetreibenden, um mit diesem über den Verkauf seines Grundstücks an die Gemeinde zu verhandeln), so ist sie als privatrechtlich zu beurteilen. Entsprechendes gilt ebenfalls hinsichtlich des Anspruchs des Bürgers auf Widerruf bzw. Unterlassung ehrverletzender Äußerungen eines Beamten bzw. von Informationen, Warnungen etc. einer Behörde sowie hinsichtlich Ansprüchen des Staates gegenüber dem Bürger auf Rückzahlung von zu Unrecht gewährten Geldleistungen; wiederum ist jeweils der Zusammenhang des Tätigwerdens bzw. die Rechtsnatur des zugrundeliegenden Leistungsverhältnisses ausschlaggebend. Bei Streitigkeiten betreffend die wirtschaftliche Tätigkeit von Gemeinden ist zwischen dem – öffentlich-rechtlichen – „Ob“ (vgl. z.B. §§ 102 ff. GemO BW, Art. 86 ff. bay. GO, §§ 107 ff. GO NRW) und dem – privatrechtlichen – „Wie“ (siehe die Vorschriften des GWB und des UWG) des Wettbewerbs zu differenzieren.
Beispiel[25]
Auf der dem Haus des H gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein Schuppen, den die Stadt S als Standort einer Baukolonne nutzt. Die Aufgabe der dort tätigen Bediensteten besteht v.a. darin, die örtlichen Straßen und Wege in verkehrssicherem Zustand zu erhalten. Zu diesem Zweck werden im Schuppen u.a. Geräte umgerüstet sowie gereinigt, repariert und gewartet. Durch den hierdurch verursachten Lärm fühlt sich H gestört, weshalb er Klage gegen S auf Einstellung und künftige Unterlassung der Nutzung des Schuppens als Standort der Baukolonne vor dem Verwaltungsgericht erhebt. S meint, der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eröffnet. Ist diese Auffassung zutreffend?
Nein. Mangels Sonderzuweisung ist für die Klage des H der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Der von H geltend gemachte Abwehranspruch ist öffentlich-rechtlicher Natur. Der (nachbarrechtliche) Abwehranspruch gegen die öffentliche Hand teilt die Rechtsnatur des „Eingriffs“, also die des Verwaltungshandelns, das die abzuwehrenden Immissionen verursacht. Er ist bürgerlich-rechtlich und gem. § 13 GVG vor dem Zivilgericht zu verfechten, wenn die öffentliche Hand als Fiskus „stört“. Hingegen unterfällt er als öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit, wenn die störenden Beeinträchtigungen von (öffentlich-rechtlich organisierten) Anlagen oder Veranstaltungen des Staates in Ausübung (schlicht-)hoheitlicher Verwaltungstätigkeit ausgehen und zu diesen öffentlich-rechtlich bestimmten Maßnahmen in einem hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang stehen. Letzteres ist hier der Fall. Die von H bekämpften Beeinträchtigungen werden durch die im Schuppen ausgeführten Tätigkeiten der Baukolonne verursacht. Da diese ihrer äußeren Erscheinungsform nach in dem Sinne „neutral“ sind, dass sie in gleicher Weise von Privaten durchgeführt werden können, lässt sich ihre Rechtsnatur nur aus dem Funktionszusammenhang, in dem sie stehen, bestimmen. Danach sind die hier streitigen Immissionen hoheitlich, weil die eigentliche Zielsetzung des sie verursachenden Verwaltungshandelns dem Gebiet hoheitlicher Betätigung der Staatsgewalt angehört. Die Haupttätigkeit der Baukolonne zielt nämlich auf die Wahrnehmung der S nach den Vorschriften des Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Straßen, des (Landes-)Straßen- und Wegegesetzes sowie in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin der städtischen Straßengrundstücke obliegenden Aufgaben, bei deren Erfüllung sie hoheitlich handelt. Die eigentlich störenden Verrichtungen