Schuldrecht Besonderer Teil I. Achim Bönninghaus
beweglichen Sachen erfasst, die nicht zum „Verbrauch“ bestimmt sind (z.B. Schmuck, Möbel oder Kunstwerke).
Wegen der Beschränkung auf bewegliche Sachen und Tiere fällt der Kauf von Grundstücken, Rechten und sonstigen unkörperlichen Gegenständen wie Strom und Wärme[25] nicht in den Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufes. Die Elemente Gas und Wasser fallen als solche auch nicht darunter, sondern nur als abgefüllte, handelbare Einheiten (Wasserflasche, Gaspatrone für „Sodasprudler“, etc.).[26]
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Es spielt keine Rolle, ob es sich um neue oder gebrauchte Sachen handelt.
Allerdings gelten die Sonderregeln der §§ 474 ff. nach § 474 Abs. 2 S. 2 nicht, wenn der Verbraucher eine gebrauchte (bewegliche) Sache in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung gekauft hat, an der er persönlich teilnehmen konnte. Wie sich aus der Legaldefinition in § 312g Abs. 2 Nr. 10[27] ergibt, genügt die Möglichkeit zur Teilnahme. Auf die tatsächliche Teilnahme kommt es nicht an. Der Kaufvertrag kommt bei einer Versteigerung nicht durch Angebot und Annahme, sondern gem. § 156 durch Gebot und Zuschlag zustande.[28] Eine „eBay®-Auktion“ wird daher von § 474 Abs. 2 S. 2 aus zwei Gründen nicht erfasst: Zum einen besteht bei einer reinen Internettransaktion keine Möglichkeit zur persönlichen Teilnahme. Zum anderen wird der der Vertrag nicht gem. § 156, sondern dort durch vorweg erklärte Annahme des „Höchst(an)gebotes“ geschlossen.[29]
Hinweis
Ob eine Sache „neu oder gebraucht“ ist, ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen und einer Parteivereinbarung entzogen.[30] „Gebraucht“ ist eine Sache, wenn sie bereits bestimmungsgemäß benutzt worden ist.[31] Tiere werden dann als „gebraucht“ angesehen, wenn sie – nach der Verkehrsanschauung – nicht mehr „jung“ sind, spätestens bei bestimmungsgemäßer Verwendung (z.B. als Nutz- oder Zuchttier).[32]
Der Anwendung der kaufrechtlichen Bestimmungen und der Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf steht es nach § 474 Abs 1 S. 2 nicht entgegen, wenn der Verkäufer neben dem Pflichtenprogramm des § 433 zusätzliche Nebenleistungspflichten übernimmt. Mit dem Begriff der „Dienstleistung“ in § 474 Abs. 1 S. 2 sind nicht nur die Dienstleistungen i.S.d. § 611 gemeint. Der Ausdruck ist etwas missglückt. Vielmehr soll der Begriff untechnisch in einem weiten Sinne verstanden werden, so dass auch erfolgsbezogene Leistungen i.S.d. Werkvertragsrechts darunter fallen.[33]
Beispiel
Montage oder Installation des Kaufgegenstandes, Schulung des Käufers in Bezug auf die Handhabung des Kaufgegenstandes.
Entscheidend ist, dass der Schwerpunkt des Vertrages auf den kaufrechtlichen Leistungspflichten liegt.[34] Damit haben wir uns bereits oben unter Rn. 23 beschäftigt. Die Montageverpflichtung des Verkäufers ist ein Hauptanwendungsfall des § 474 Abs. 1 S. 2.
(2) Persönlicher Anwendungsbereich
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In persönlicher Hinsicht setzt § 474 voraus, dass bei Vertragsschluss der Käufer als Verbraucher i.S.d. § 13 und der Verkäufer als Unternehmer i.S.d. § 14 handelte.
Da auf den Vertragsschluss abgestellt wird, sind spätere Änderungen in der Zweckrichtung, die Einfluss auf die Eigenschaft als Verbraucher oder Unternehmer haben könnten, bedeutungslos. Bei Stellvertretung kommt es auf die Person des Vertretenen an – dessen Zweckrichtung entscheidet über die Einordnung als Verbraucher oder Unternehmer.[35]
(a) Verbraucher als Käufer
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Nach § 13 ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
Aus der Formulierung folgt, dass Verbraucher immer Menschen sind und keine juristischen Personen oder Personengesellschaften.[36]
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Ob ein Mensch bei Abschluss des Kaufvertrages als Verbraucher oder Unternehmer handelte, ist grundsätzlich anhand der – objektiv zu bestimmenden – Zweckrichtung seines Verhaltens bei Vertragsschluss zu entscheiden.[37] Das Gesetz stellt – aus Gründen der Rechtssicherheit - nicht generell auf das Vorhandensein geschäftlicher Erfahrung ab, etwa aufgrund einer bereits ausgeübten gewerblichen oder selbstständigen freiberuflichen Tätigkeit. Eine natürliche Person kann gem. §§ 13, 14 also bei einem Geschäft als Verbraucher und beim nächsten Geschäft als Unternehmer handeln. Der Verbraucher- und Unternehmerbegriff sind situationsbezogen und keine „Statussymbole“.
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Bei Mischlagen, bei denen sowohl private als auch berufliche Zwecke verfolgt werden (sog. „dual use“), kommt es nach der Formulierung des § 13 darauf an, welche Zwecke die Partei bei Vertragsschluss objektiv überwiegend verfolgte.
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Aus der „weder-noch“-Formulierung in § 13 folgt zugleich: Ist der Käufer ein Mensch („natürliche Person“) ist gem. § 13 im Zweifel von seinem Verbraucherhandeln auszugehen.[38]
Hinweis
Bei (Einzel-)Kaufleuten wäre zwar die Vermutungsregel des § 344 HGB anwendbar und würde bei der Entscheidung der Zuordnungsfrage in umgekehrter Richtung helfen. Für die Frage der Anwendbarkeit der Verbraucherschutzvorschriften gilt aber auch bei gewerbetreibenden Menschen vorrangig die Vermutungsregel aus § 13, wonach im Zweifel von einer Verbrauchereigenschaft auszugehen ist![39]
Diese Vermutung ist widerlegt, wenn die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei auf ein Handeln als Unternehmer hinweisen.[40]
Mit anderen Worten: Bei der Zurechnung gelten nicht die allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 157, sondern noch schärfere, objektivierte Maßstäbe.
Beispiel 1
Rechtsanwalt K kauft bei der Händlerin V GmbH eine Lampe. V schließt den Vertrag als juristische Person[41] in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit und handelt damit als Unternehmerin. Bei K ist hingegen im Zweifel von einer privaten Nutzung und damit von seiner Verbrauchereigenschaft gem. § 13 auszugehen.
Beispiel 2
Rechtsanwalt K bestellt bei der Händlerin V GmbH über das Internet eine Lampe, die er privat nutzen möchte. Um den Einkaufspreis steuerlich absetzen zu können, gibt K bei der Bestellung jedoch als Käufer „Rechtsanwaltskanzlei K“ und als Rechnungs- und Lieferadresse seine Büroadresse an. Hier verfolgte K zwar einen privaten Zweck, muss sich anhand seiner eindeutigen Äußerungen aber als Unternehmer behandeln lassen.[42] Es liegt kein Verbrauchsgüterkaufvertrag vor.
(b) Unternehmer als Verkäufer
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Auf der anderen Seite verlangt § 474 Abs. 1 die Unternehmereigenschaft des Verkäufers. Anders als beim Verbraucher kommen als Unternehmer gem. § 14 nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen (z.B. GmbH/UG, AG, SE, eingetragener Verein) und rechtsfähige Personengesellschaften i.S.d. § 14 Abs. 2 (z.B. Außen-GbR, oHG, KG)[43] in Betracht.
Hinweis
Der Begriff des „Unternehmers“ i.S.d. § 14 und des