Schuldrecht Besonderer Teil I. Achim Bönninghaus
als „Flurstück Y“ bezeichnet, das ebenfalls dem A gehört. B wird als neuer Eigentümer des Flurstücks Y eingetragen.
In diesem Beispiel kommt eine Nichtigkeit des Kaufvertrages nach § 125 S. 1 i.V.m § 311b Abs. 1 S. 1 in Betracht, weil die objektiv beurkundete Vereinbarung (Verkauf von Flurstück Y) nicht gewollt ist und der tatsächlich vereinbarte Kaufgegenstand (Flurstück X) in der Urkunde noch nicht einmal andeutungsweise aufgeführt ist. Im Ergebnis[78] gilt aber das übereinstimmend Gewollte (Verkauf von Flurstück X), sofern immerhin das objektiv Erklärte (Verkauf von Flurstück Y) dem Formerfordernis genügt. Unterstellt man im vorhergehenden Beispiel eine im Übrigen ordnungsgemäße Beurkundung durch den Notar, ist das Flurstück X formwirksam verkauft. Der tatsächliche Wille setzt sich nach der „falsa demonstratio“-Regel also gegenüber der Bezeichnung in der Urkunde durch.
Hinweis
Auf eine Heilung gem. § 311 Abs. 1 S. 2 kommt es mangels Formnichtigkeit nicht an. Diese wäre im Übrigen auch gar nicht eingetreten, da die Eintragung beim Flurstück Y erfolgt ist und nicht beim verkauften Flurstück X!
Beachten Sie auch, dass B am Flurstück Y durch Eintragung kein Eigentum erworben hat. Insoweit fehlt eine korrespondierende Auflassung (vgl. §§ 873, 925). Denn die von A und B erklärte Auflassung bezieht sich aus den gleichen Gründen wie der Kaufvertrag wegen der falsa demonstratio-Regel auf das Flurstück X und nicht auf das Flurstück Y.
Lesen Sie bitte die Vorschriften in den §§ 19, 20, 28, 29 der Grundbuchordnung durch!
Im Beispiel kann B deshalb von A aus dem Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 1 noch die Verschaffung von Eigentum (durch korrigierte Auflassungserklärung und Eintragungsbewilligung, vgl. §§ 19, 20, 28(!), 29 GBO) und Besitz am Flurstück X verlangen. Umgekehrt muss B dem A nach § 894 und § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 seine Buchposition am Flurstück Y durch Abgabe einer Löschungsbewilligung (§§ 19, 28, 29 GBO) wieder herausgeben.
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Die zweite klausurrelevante Konstellation betrifft die Heilung eines formnichtigen Grundstückskaufvertrages durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch. Dieser Problemkreis ist Gegenstand des ersten Übungsfalls am Ende dieses Kapitels (s. Rn. 93 f.).
b) Formnichtigkeit besonderer Verbraucherkaufverträge
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Schließt ein Unternehmer mit einem Verbraucher einen Teilzahlungskaufvertrag i.S.d. § 506 Abs. 3 oder einen Ratenlieferungsvertrag i.S.d. § 510 Abs. 1 S. 1, finden besondere Formvorschriften Anwendung, die in der Klausur an dieser Stelle zu beachten sind. Diese Vertragstypen gehören systematisch in die Darstellung der Finanzierungshilfen im Skript „Schuldrecht BT II“.[79] Als Merkhilfe seien die verschiedenen Formvarianten aber auch hier noch einmal in Erinnerung gerufen:
Anmerkungen
Vgl. dazu ausführlich im Skript „BGB AT I“ Rn. 238 ff.
Siehe zu den nachfolgend aufgeführten Themen im Skript „BGB AT I“; klausurträchtig aus der Rechtsprechung auch der „Tankstellenfall“ des BGH Urteil vom 4.5.2011 (Az: VIII ZR 171/10) = NJW 2011, 2871 f.
BGH Urteil vom 2.4.2014 (Az: VIII ZR 46/13) unter Tz. 31 f. = BGHZ 200, 337 ff. = NJW 2014, 2183 ff; siehe dazu auch im Skript „Schuldrecht AT II“ Rn. 57 ff.
Siehe dazu im Skript „BGB AT I“ Rn. 251 ff.
So z.B. Gsell JuS 2007, 97, 98 Fn. 17; Tiedtke/Schmitt JuS 2005, 583, 585 unter Ziff. III 1.
BGH Urteil vom 7.6.2006 (Az: VIII ZR 209/05) unter Tz. 24 = BGHZ 168, 64 ff. = NJW 2006, 2839, 2841; Bitter ZIP 2007, 1881, 1882; a.A. Musielak NJW 2008, 2801, 2805 f. (reine Musterfunktion und damit Gattungsschuld).
Tiedtke/Schmitt JuS 2005, 583, 585 unter Ziff. III 2a; Palandt-Grüneberg § 243 Rn. 2 („in der Regel“); a.A. bspw. Bitter/Meidt ZIP 2001, 2114, 2119.
„Vertretbare“ Grundstücke gibt es nicht!
BGHZ 104, 298 ff. = NJW 1988, 2789, 2790; Palandt-Ellenberger § 93 Rn. 4.
Palandt-Ellenberger § 93 Rn. 4.
Siehe dazu BGH Urteil vom 14.12.2005 (Az: IV ZR 45/05) unter Tz. 7 ff. = BGHZ 165, 261 ff. = NJW 2006, 993 f.; Palandt-Ellenberger § 97 Rn. 11.
Palandt-Sprau § 650 Rn. 2.
Vgl. Palandt-Weidenkaff § 433 Rn. 6.
BGH Beschluss vom 16.4.2013 (Az: VIII ZR 375/11) unter Tz. 6 ff. und Urteil vom 3.3.2004 (Az: VIII ZR 76/03) unter Ziff. II 1 = NJW-RR 2004, 850 (m.w.Nachw.).
BGH a.a.O.
BGH Urteil vom 3.3.2004 (Az: VIII ZR 76/03) unter Ziff. II 1 = NJW-RR 2004, 850; BGH NJW 1998, 3197, 3198 unter Ziff. II. 1.
Beispiel nach dem vom BGH mit Urteil vom 3.3.2004 (Az: VIII ZR 76/03) entschiedenen Fall.
BGH Beschluss vom 16.4.2013 (Az: VIII ZR 375/11) unter Tz. 8.
Ebenso bei Lieferung und Verlegung eines Teppichfußbodens, BGH a.a.O.