Kommunalrecht Baden-Württemberg. Matthias Müller
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Inhaltlich darf sich ein Bürgerentscheid nur auf solche Angelegenheiten beziehen, die einerseits zum Wirkungskreis der Gemeinde gehören und andererseits in den Zuständigkeitsbereich des Gemeinderats (§ 24 Abs. 1 GemO) fallen (oder eines Ausschusses). Darüber hinaus enthält § 21 Abs. 2 GemO einen Negativkatalog von Angelegenheiten, die einem Bürgerentscheid nicht zugänglich sind. So können nicht den Bürgern zu Entscheidung übertragen werden
• | Weisungsaufgaben und Angelegenheiten, die kraft Gesetz dem Bürgermeister obliegen, |
• | Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung, |
• | die Rechtsverhältnisse der Gemeinderäte, des Bürgermeisters und der Gemeindebediensteten, |
• | die Haushaltssatzung einschließlich der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe sowie die Kommunalabgaben, Tarife und Entgelte, |
• | die Feststellung des Jahresabschlusses und des Gesamtabschlusses der Gemeinde und der Jahresabschlüsse der Eigenbetriebe, |
• | Bauleitpläne und örtliche Bauvorschriften mit Ausnahme des verfahrenseinleitenden Beschlusses sowie |
• | Entscheidungen in Rechtsmittelverfahren. |
6. Teil Beteiligung von Einwohnern und Bürgern › E. Bürgerentscheid › III. Verfahren
III. Verfahren
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Bevor ein Bürgerentscheid durchgeführt werden kann, sind die Bürger über die Auffassungen der Gemeindeorgane zum Entscheidungsgegenstand zu unterrichten. Hierdurch soll es den zur Entscheidung berufenen Bürgern ermöglicht werden, sich ein möglichst umfassendes Bild über die entscheidungsrelevanten Umstände zu machen. Eine bestimmte Form für diese Information der Bürgerschaft ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Beide Normen sollten Sie – soweit zulässig – an geeigneter Stelle im Gesetz kommentieren!
Die verfahrensrechtlichen Regelungen, die bei der Durchführung eines Bürgerentscheids zu beachten sind, legt die GemO nicht fest; sie sind vielmehr im KomWG (§ 41 Abs. 3) und der KomWO (§ 53) normiert.
6. Teil Beteiligung von Einwohnern und Bürgern › E. Bürgerentscheid › IV. Ergebnis des Bürgerentscheids
IV. Ergebnis des Bürgerentscheids
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Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage in dem Sinne entschieden, in dem sie von der Mehrheit der gültigen Stimmen beantwortet wurde, sofern diese Mehrheit mindestens 20% der Stimmberechtigten beträgt. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet (§ 21 Abs. 6 GemO). Wurde die erforderliche Mehrheit von 20% der Stimmberechtigten nicht erreicht, d.h. stimmten weder mindestens 20% der Wahlberechtigten für noch gegen die zur Entscheidung gestellte Frage, muss der Gemeinderat die Angelegenheit entscheiden.
6. Teil Beteiligung von Einwohnern und Bürgern › E. Bürgerentscheid › V. Rechtswirkung des Bürgerentscheids
V. Rechtswirkung des Bürgerentscheids
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Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines endgültigen Beschlusses des Gemeinderats (§ 21 Abs. 7 GemO). Der im Bürgerentscheid zum Ausdruck kommende Wille ist folglich von der Verwaltung umzusetzen. Ferner entfaltet der Bürgerentscheid eine Sperrwirkung dergestalt, dass die von den Bürgern gefällte Entscheidung innerhalb von drei Jahren nur durch Bürgerentscheid abgeändert werden kann. Mit anderen Worten: dem Gemeinderat ist es binnen drei Jahren verwehrt, den Bürgerentscheid durch einen anders lautenden Gemeinderatsbeschluss zu konterkarieren.
6. Teil Beteiligung von Einwohnern und Bürgern › F. Bürgerbegehren
F. Bürgerbegehren
6. Teil Beteiligung von Einwohnern und Bürgern › F. Bürgerbegehren › I. Allgemeines
I. Allgemeines
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Das Bürgerbegehren schafft zugunsten der Bürger die Möglichkeit, den Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids zu stellen. Ist ein Bürgerbegehren erfolgreich, d.h. liegen die gesetzlichen Voraussetzungen, wie sie in § 21 Abs. 3 GemO genannt sind, vor, mündet es in einen Bürgerentscheid. Das Bürgerbegehren ist demnach das Mittel, mit dem der Gemeinderat gezwungen werden kann, Angelegenheiten aus seinem Wirkungskreis zur Entscheidung auf die Bürger zu übertragen.
6. Teil Beteiligung von Einwohnern und Bürgern › F. Bürgerbegehren › II. Voraussetzungen
II. Voraussetzungen
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Damit ein Bürgerbegehren zulässig ist, muss der Gegenstand, der ihm zu Grunde liegt, aus dem Wirkungskreis der Gemeinde stammen und in der Zuständigkeit des Gemeinderats (oder eines Ausschusses) liegen. Weiter darf über ihn in den vergangenen drei Jahren nicht bereits ein Bürgerentscheid auf Grund eines Bürgerbegehrens durchgeführt worden sein. Richtet sich das Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Gemeinderats, so muss der Antrag binnen drei Monaten nach Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht worden sein. Beschäftigt sich der Gemeinderat mehrfach in der Sache mit einer Angelegenheit, kann jeder der Beschlüsse die Ausschlussfrist neuerlich in Gang setzen.
Beispiel
Hat der Gemeinderat beschlossen, sämtliche bislang im Eigentum der Kommune stehenden Wohnungen an einen Privaten zu verkaufen und möchten die Bürger dies verhindern, können sie binnen drei Monaten nach Bekanntgabe des Beschlusses ein Bürgerbegehren mit dem Ziel beantragen, die Bürger über den Verkauf der Immobilien entscheiden zu lassen.
Nicht definiert ist, wann eine „Bekanntgabe“ eines Beschlusses erfolgt. Die Form einer öffentlichen Bekanntmachung i.S.d. § 1 DVOGemO wird jedenfalls nicht zu fordern sein. Umstritten ist allerdings, ob die Öffentlichkeit der Sitzung oder die Bekanntgabe eines nichtöffentlich gefassten Beschlusses durch den Bürgermeister reicht oder ob eine gesonderte Veröffentlichung in der Presse hinzutreten muss.[1]
Als ein Bürgerbegehren gegen einen Gemeinderatsbeschluss wird man auch ein solches ansehen dürfen, das sich nicht generell gegen den Beschluss wendet, diesen aber modifiziert.[2]
Beispiel
Der Gemeinderat beschließt,