Kommunalrecht Baden-Württemberg. Matthias Müller
76 Abs. 2 SchulG regelt die Pflicht zum Schulbesuch (Schule = öffentliche Einrichtung) für den Schulbezirk, der regelmäßig größer ist als das Gemeindegebiet der Gemeinde, die die Schule unterhält. Damit haben auch Nichteinwohner einen Anspruch auf Zulassung. § 70 GewO regelt einen Zulassungsanspruch zugunsten „jedermann“, wenn es sich um eine Veranstaltung i.S.d. §§ 64 ff. GewO (Messe, Ausstellung, Jahrmarkt etc.) handelt. In diesem Fall erfolgt die Prüfung der Zulassung aber – wie oben dargestellt – anhand von § 70 GewO.
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Gebietsfremde haben – wenn die Widmung nichts Abweichendes regelt – lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung bezüglich ihres Zulassungsantrags. Dieser kann sich im Einzelfall aufgrund des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung zu einem Zulassungsanspruch verdichten, wenn die ständige Zulassungspraxis für Ortsfremde eine Benutzung vorsieht.[1]
7. Teil Öffentliche Einrichtungen › C. Anspruch auf Zulassung › III. Beschränkungen des Zulassungsanspruchs
III. Beschränkungen des Zulassungsanspruchs
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Der Benutzungsanspruch der Einwohner ist in mehrerlei Hinsicht begrenzt. So kann eine Nutzung der öffentlichen Einrichtung nur im Rahmen des geltenden Rechts erfolgen. Zu beachten sind demnach die Beschränkungen, die sich aus der Rechtsordnung, insbesondere dem Grundgesetz, der Bundes- und Landesgesetze ergeben.
Beispiel
Kein Anspruch besteht, wenn die öffentliche Einrichtung in einer Form genutzt werden soll, die gegen Strafgesetze verstößt. So wurde etwa der Zulassungsanspruch einer Partei verneint, die eine öffentliche Einrichtung nutzen wollte, um dort zum Boykott gegen die Volkszählung aufzurufen (= Ordnungswidrigkeit!).[2]
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Beschränkungen des Zulassungsanspruchs können sich überdies aus Ortsrecht in Form von Benutzungsordnungen oder kommunalen Satzungen ergeben, in denen der Widmungszweck definiert ist. Allerdings sind zwei Aspekte zu beachten: zum einen muss der Widmungszweck mit höherrangigerem Recht vereinbar sein und darf z.B. keine mit Art. 3 GG unvereinbare Ungleichbehandlung beinhalten. Ebenso können nachträgliche Änderungen des Widmungszwecks, die nach Eingang des Antrags auf Zulassung beschlossen werden und den Bewerber ausschließen sollen, unwirksam sein.
JURIQ-Klausurtipp
Ist im Klausursachverhalt der Zulassungsanspruch durch den Widmungszweck eingeschränkt, müssen Sie inzident prüfen, ob diese Einschränkung rechtmäßig ist oder z.B. gegen Art. 3 GG verstößt.
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Einschränkungen können ferner aus der begrenzten Kapazität der Einrichtung resultieren. Ist diese erschöpft, ist ein gebundener Zulassungsanspruch nicht mehr gegeben. Da die Einwohner eine öffentliche Einrichtung grundsätzlich nach gleichen Grundsätzen benutzen dürfen (§ 10 Abs. 2 S. 2 GemO), wandelt sich der Zulassungsanspruch in einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Haben also mehr Bewerber die Benutzung beantragt als Kapazität vorhanden ist, muss die Gemeinde demnach anhand rechtlich zulässiger Auswahlkriterien eine Entscheidung treffen.
Hinweis
Zulässige Auswahlkriterien im Zusammenhang mit der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen sind
• | die Reihenfolge der Antragstellung (sog. Prioritätsprinzip) |
Beispiel
Wenn das Schwimmbad an einem schönen Sommertag wegen Überfüllung für weitere Besucher geschlossen werden muss, wurden nur die Besucher zugelassen, die rechtzeitig vor Erreichen der Kapazitätsgrenze dort waren.
• | das Prinzip „bekannt und bewährt“ |
Beispiel
Sind auf dem örtlichen Festplatz nur eine begrenzte Anzahl von Stellflächen für Schausteller vorhanden, kann deren Zulassung danach erfolgen, welche sich in der Vergangenheit als zuverlässig bewährt haben. Aus Gründen der Chancengleichheit kann es allerdings geboten sein, ein rollierendes System einzuführen, welches auch Neubewerbern eine Teilnahmechance einräumt.
• | der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit |
Beispiel
Die begrenzten Standplätze auf einer Fachmesse können so vergeben werden, dass eine möglichst hohe Attraktivität für die Besucher erreicht wird, um die Veranstaltung möglichst wirtschaftlich zu gestalten.
• | der Losentscheid |
Beispiel
Bewerben sich zehn Waffelbuden um die drei für Waffelbuden vorgesehenen Standplätze des örtlichen Volksfestes, ist – wenn sachliche Auswahlkriterien versagen – ein Losentscheid zulässig.
7. Teil Öffentliche Einrichtungen › C. Anspruch auf Zulassung › IV. Sonderfall: Zulassung politischer Parteien
IV. Sonderfall: Zulassung politischer Parteien
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Von besonderer Relevanz – in der Praxis wie in der Klausur – ist die Konstellation, in der eine (radikale) Partei den Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung beantragt. Grundsätzlich gelten für die Zulassung von Parteien die vorgenannten Anspruchsvoraussetzungen. So steht dem Ortsverband einer Partei aufgrund der Regelung des § 10 Abs. 4 GemO ein Anspruch auf Zulassung im Rahmen des Widmungszwecks zu. Hingegen wird den Landesverbänden nur dann ein Anspruch zustehen können, wenn der Widmungszweck der begehrten Einrichtung ausdrücklich oder konkludent (Vergabepraxis!) eine Nutzung durch sie vorsieht.
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Versagt werden kann die Zulassung einer Partei nicht mit dem Hinweis, dass es sich bei ihr um eine radikale handele, solange sie vom Bundesverfassungsgericht nicht verboten wurde. Einer solchen Argumentation steht das Parteienprivileg entgegen, nach dem nur das Bundesverfassungsgericht eine Partei für verfassungswidrig erklären kann (Art. 21 Abs. 4 GG). Solange aber eine Verfassungswidrigkeit nicht festgestellt ist, kann alleine auf die Behauptung der Verfassungsfeindlichkeit eine Ablehnung der Zulassung nicht gestützt werden. Eine Ungleichbehandlung von Parteien ist bereits im Lichte von § 5 PartG i.V.m. Art. 3 Abs. 1, 3 und 21 GG unzulässig.[3]
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Droht durch die Parteiveranstaltungen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, kann dies die Ablehnung rechtfertigen, wenn diese Gefahr nicht durch den Einsatz polizeilicher Mittel beseitigt werden kann. Doch ist dabei zu beachten, dass Maßnahmen gegen den Nichtstörer (§ 9 PolG) nur in besonderen Ausnahmefällen ergriffen werden dürfen. Geht die Gefahr also nicht von der (radikale) Partei selbst, sondern von Dritten aus, kann die Zulassung nur dann versagt werden, wenn andere Handlungsoptionen gegen die Dritten nicht zur Verfügung stehen.
Drohen durch eine Benutzung Schäden an der öffentlichen Einrichtung, kann die Gemeinde die Zulassung von der Stellung angemessener Bankbürgschaften o.ä. abhängig machen, um sich vor einem finanziellen Risiko abzusichern.