Kommunalrecht Baden-Württemberg. Matthias Müller
Anspruch auf Zulassung › V. Exkurs: Rechtsweg bei Ablehnung des Zulassungsanspruchs
V. Exkurs: Rechtsweg bei Ablehnung des Zulassungsanspruchs
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Entsteht Streit um die Zulassung zur öffentlichen Einrichtung oder deren Benutzung, stellt sich die Frage des Rechtsschutzes. Problematisch ist in diesem Zusammenhang meist, ob hierzu der Zivil- oder aber der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden muss. Abzugrenzen ist nach der sog. Zwei-Stufen-Theorie:
1. Zulassungsanspruch
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Die Frage, ob die Versagung der Zulassung zur öffentlichen Einrichtung selbst rechtswidrig war (= 1. Stufe), ist stets eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Gemäß § 40 VwGO ist in diesen Fällen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Dies gilt unabhängig davon, ob die öffentliche Einrichtung von der Gemeinde selbst oder aber von einem Privaten betrieben wird. Ist letzteres der Fall, richtet sich der Zulassungsanspruch nach § 10 Abs. 2 GemO dennoch gegen die Gemeinde. Er ist inhaltlich darauf gerichtet, dass die Gemeinde auf den Privaten ihren Einfluss geltend macht und so die Zulassung ermöglicht (dies geschieht meist auf Grundlage des zwischen der Kommune und dem Privaten geschlossenen Vertrags). Ist die Gemeinde also Mehrheitsgesellschafterin einer in privater Rechtsform betriebenen öffentlichen Einrichtung, richtet sich der Anspruch auf Geltendmachung ihres (gesellschaftsrechtlichen) Einflusses, etwa durch Weisung an den Geschäftsführer. Hat die Gemeinde nicht bereits aufgrund ihrer Stellung als Gesellschaftern Durchsetzungs- oder Weisungsmöglichkeit, z.B. weil sie lediglich Minderheitsgesellschafterin ist, soll sie sich vertraglich eine Einflussnahmemöglichkeit vorbehalten. Teils wird vertreten, die Gemeinde mache sich Schadensersatzpflichtig, wenn sie Einflussnahmemöglichkeiten nicht nutzt oder sich solche nicht vorbehält.[4]
2. Benutzungsverhältnis
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Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn sich der Streit um das „wie“ der Benutzung dreht (= 2. Stufe). Benutzt ein Einwohner eine öffentliche Einrichtung, kommt zwischen ihm und dem Betreiber eine Rechtsbeziehung betreffend die Nutzung zustande (sog. Benutzungsverhältnis). Das Benutzungsverhältnis kann sowohl öffentlich-rechtlicher wie auch privatrechtlicher Natur sein. Ist der Betreiber ein Privater, ist das Benutzungsverhältnis unzweifelhaft privatrechtlich ausgestaltet (z.B. mittels eines Mietvertrags). Betreibt die Gemeinde selbst die Einrichtung, steht ihr betreffend das Benutzungsverhältnis ein Wahlrecht zwischen öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Ausgestaltung zu, sofern spezialgesetzlich keine Sonderregelung besteht (z.B. § 51 SchulG).
Ob die Gemeinde das Benutzungsverhältnis privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet hat, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Mögliche Indizien für die Zuordnung sind, ob die „Benutzungsordnung“ der Einrichtung als Satzung oder aber als allgemeine Geschäftsbedingungen bezeichnet oder ausgestaltet sind oder ob die Ausgestaltung mittels VA oder privatrechtlichem Mietvertrag erfolgt. Lässt sich eine eindeutige Zuordnung nicht treffen, ist im Zweifel eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung anzunehmen.
JURIQ-Klausurtipp
In der Klausur müssen Sie das „Problem“ der rechtlichen Charakterisierung des Zulassungsanspruchs bei dem Prüfungspunkt „Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs“ diskutieren. Ein Hinweis auf die „Zwei-Stufen-Theorie“ sollte unbedingt Erwähnung finden.
Anmerkungen
VGH BW Beschluss vom 14.4.1989 – 1 S 952/89, NVwZ 1990, 93.
VGH BW Beschluss vom 20.5.1987 – 1 S 1278/87, NJW 1987, 2698.
Beizupflichten ist Schoch NVwZ 2016, 257 ff., wonach ein Rückgriff auf diese Normen weder einen Zulassungsanspruch begründen kann noch hierfür notwendig ist.
BeckOK KommunalR BW/Fleckenstein GemO § 10 Rn. 17; dort wird aber zu Recht darauf hingewiesen, dass eine solche Schadensersatzverpflichtung eher zweifelhaft sein dürfte, weil sie zu einer Pflicht führen würde, öffentliche Einrichtungen in Eigenregie aufrecht zu erhalten.
7. Teil Öffentliche Einrichtungen › D. Anschluss- und Benutzungszwang
D. Anschluss- und Benutzungszwang
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§ 11 GemO sieht für bestimmte öffentliche Einrichtungen einen Anschluss- und Benutzungszwang vor.
7. Teil Öffentliche Einrichtungen › D. Anschluss- und Benutzungszwang › I. Begriff
I. Begriff
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Gemeinden können unter bestimmten Voraussetzungen Regelungen erlassen, wonach die in ihrem Gebiet liegenden Grundstücke an Wasserleitung, Abwasserbeseitigung, Straßenreinigung, die Versorgung mit Nah- und Fernwärme oder ähnliche der Volksgesundheit oder dem Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens einschließlich des Klima- und Ressourcenschutzes dienende Einrichtungen angeschlossen werden müssen (Anschlusszwang). Zudem kann sie die Benutzung dieser genannten Einrichtungen sowie der Schlachthöfe vorschreiben (Benutzungszwang, § 11 Abs. 1 GemO). Sinn des Anschluss- und Benutzungszwangs ist die Gewährleistung der Volksgesundheit, der Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens einschließlich des Klima- und Ressourcenschutz und der öffentlichen Hygiene.[1]
Beispiel
Zur Gewährleistung eines einheitlichen Abwasserentsorgungsstandards bestimmt die Gemeinde, dass alle Grundstücke an die öffentliche Abwasserentsorgung angeschlossen werden müssen; der Betrieb von dezentralen Abwasserentsorgungsanlagen („Hauskläranlagen“) wird sodann für unzulässig erklärt.
Anschluss- und Benutzungszwang sind inhaltlich nicht identisch.
Beispiel
Möglich ist, dass Grundstücke z.B. an die Wasserversorgung angeschlossen werden müssen, daneben aber die Benutzung privater Brunnen zugelassen wird. In diesem Fall wäre zwar ein Anschlusszwang gegeben, nicht aber ein Benutzungszwang. Sinnvoll kann dies in den Fällen sein, in denen die Gemeinde einerseits die jederzeitige qualitativ hochwertige Trinkwasserversorgung potentiell sicherstellen möchte, gleichsam aber den Bürgern die Möglichkeit belassen will, sich mit eigenem Trinkwasser zu versorgen.
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Adressaten