Sachenrecht III. Ralph Westerhoff
Die konstruktiven Möglichkeiten des Regresses
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Der Regress, auch Rückgriff genannt, ist ein Spezialfall des Aufwendungsersatzes. Beim Aufwendungsersatz gibt es aber nur zwei Personen: Denjenigen, der Aufwendungen gemacht hat, und den, der daraus einen Vorteil zieht und deshalb die Aufwendungen zu erstatten hat.[1] Beim Spezialfall des Regresses sind aber zwingend drei Personen beteiligt.[2]
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Sie erinnern sich: Alle Kreditsicherungen haben die gleiche Struktur (s. Rn. 2 ff.). In jedem Sachverhalt aus dem Bereich des Kreditsicherungsrechts gibt es (gedanklich) drei beteiligte Personen:
1. | Der Gläubiger, also derjenige, der den Kredit zur Verfügung stellt. |
2. | Der Schuldner, also derjenige, der den Kredit erhält und |
3. | der Sicherungsgeber, also der, der mit einem Instrument des Kreditsicherungsrechts die Forderung absichert. |
Dass in vielen Fällen Schuldner und Sicherungsgeber identisch sind, ändert nichts daran, dass ihre Rolle (und damit die Anspruchsgrundlagen) andere sind, je nachdem, ob der Gläubiger aus der Forderung oder aus der Sicherheit vorgeht.
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Regressfragen stellen sich also nur dann, wenn Schuldner und Sicherungsgeber verschiedene Personen sind.
Beispiel
Wenn der Studienrat O aus unserem Beispiel Rn. 3 die Raten für den Kredit für sein Grundstück nicht mehr bezahlt, kann die Bank entweder ihn auf Zahlung aus dem Kreditvertrag verklagen oder (was sie meistens tut) aus der dinglichen Sicherheit vorgehen. Wie das genau geht, erarbeiten wir weiter unten ab Rn. 371.
Es macht in diesem Beispiel keinen Sinn über einen Regress nachzudenken. Denn wenn O sein Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung verliert, dann doch deswegen, weil er die Raten nicht mehr bezahlt hat. Auf wen sollte er also im Sinne der folgenden Definition das Opfer, das er erbracht hat, abwälzen?
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Nach allem können wir den Begriff Regress wie folgt definieren:
Der Regress ist ein Aufwendungsersatzanspruch gegen eine Person, die durch die Leistung des Anspruchstellers an einen Dritten begünstigt ist, damit das in der Leistung liegende Opfer von dem Leistenden auf den Begünstigten abgewälzt werden kann.[3]
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Grundsätzlich gibt es drei Wege, wie der Sicherungsgeber sich beim Schuldner schadlos halten kann:
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Als erste (und leicht übersehene) Anspruchsgrundlage kommt natürlich eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Sicherungsgeber in Betracht. Niemand kommt schließlich „einfach so“ auf den Gedanken, sich für die Schuld eines anderen z.B. zu verbürgen.
In aller Regel dürfte ein Auftrag oder auftragsähnliches Vertragsverhältnis vorliegen. Die entsprechende Anspruchsgrundlage für den Aufwendungsersatz ist dann § 670.
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Bei allen akzessorischen Sicherungsmitteln gewährt der Gesetzgeber dem leistenden Sicherungsgeber einen besonderen Anspruch. Da der Sicherungsgeber nicht eine fremde Schuld tilgen wollte, sondern vielmehr aufgrund seiner Haftung zahlt, geht die Forderung im Verhältnis zum Schuldner nicht unter. Der leistende Sicherungsgeber erwirbt diese kraft gesetzlicher Abtretung (cessio legis).[4] Der Sicherungsgeber erhält also die Forderung des Gläubigers und kann aus dieser gegen den Schuldner vorgehen.
Nun fragen Sie sich vielleicht zu Recht, warum der Gesetzgeber diesen speziellen Regress gewährt, wenn doch ein Rückgriff – jedenfalls in aller Regel – durch den Vertrag zwischen Schuldner und Sicherungsgeber gewährleistet ist.
Lesen Sie hierzu bitte unbedingt die §§ 401, 412!
Die Antwort liegt in der Rechtsnatur der Abtretung: Da der Sicherungsgeber die Forderung erhält, gehen mit der Forderung auch alle noch bestehenden weiteren akzessorischen Sicherheiten auf den Sicherungsgeber über (vgl. §§ 401, 412).
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Schließlich kommen, wenn sozusagen alles nichts hilft, besondere Rückgriffsansprüche in Betracht. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Regelungen in § 426 (Regress bei Gesamtschuld). Dann gibt es noch weitere Regressansprüche, die zwar juristisch hochinteressant sind, aber im Bereich des hier behandelten Kreditsicherungsrechts keine Rolle spielen.[5]
Hinweis
In der Rechtswirklichkeit sind Auseinandersetzungen wegen Regressansprüchen eher selten. Dies hat keine juristischen, sondern hauptsächlich wirtschaftliche Gründe. Wird nämlich ein Kredit notleidend und der Gläubiger nimmt dies zum Anlass, den Sicherungsgeber in Anspruch zu nehmen, so hat das in aller Regel seinen Grund darin, dass der Schuldner nicht mehr zahlungsfähig ist. Dann macht es aber für den Sicherungsgeber wenig Sinn, diesen ohnehin nicht mehr leistungsfähigen Schuldner zu verklagen, auch wenn er noch so „schöne“ Ansprüche hat. Sinn macht das Vorgehen also nur, wenn der Gläubiger den Sicherungsgeber deswegen in Anspruch nimmt, weil dieser liquider als der Schuldner ist. Das ist dann z.B. der Fall, wenn der Schuldner zwar über Vermögen (Grundstücke, Beteiligungen etc.) verfügt, aber zum Fälligkeitszeitpunkt der Verbindlichkeit nicht genügend Barmittel hat.
1. Teil Überblick › B. Der Regress › II. Überblick über die Regressansprüche
1. Der Aufwendungsersatzanspruch
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Wie gerade erwähnt, sollten Sie niemals vergessen, den Anspruch aus § 670 zu prüfen, wenn es in Ihrem Fall darum geht, dass der Sicherungsgeber in Anspruch genommen wurde und er nun den Schuldner in Regress nimmt. Dieser Anspruch gilt sowohl für die akzessorischen Sicherheiten als auch für die nichtakzessorischen Instrumente der Kreditsicherung.
2. Übergeleitete Ansprüche bei akzessorischen Sicherungen
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Der (vor allem) für die Klausur wichtigste Regressanspruch des Sicherungsgebers ergibt sich bei akzessorischen Kreditsicherungen aus der kraft cessio legis übergangenen Forderung gegen den Schuldner. Der Forderungsübergang ist für die hier behandelten Instrumente für die folgenden drei Fälle gesetzlich angeordnet:
1. | der zahlende Bürge: § 774 Abs. 1; |
2. | der zahlende Eigentümer im Falle der Hypothek, § 1143 Abs. 1; |
3. |
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