BGB Allgemeiner Teil II. Achim Bönninghaus
C. Die Wirksamkeitserfordernisse
D. Die Wirksamkeitshindernisse
1. Teil Einführung › A. Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften
A. Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften
Hinweis
Mit der Funktion und dem Zustandekommen von Rechtsgeschäften haben wir uns bereits im ersten Band zum Allgemeinen Teil des BGB ausführlich beschäftigt. Die nachfolgenden Ausführungen dienen einer kurzen Wiederholung der wesentlichen Prinzipien.
Lesen Sie bei der Durcharbeitung dieses Skripts unbedingt die einschlägigen Normen in einem aktuellen Gesetzbuch parallel mit!
1
Mit dem Rechtsgeschäft kann eine Person nach ihrem Willen rechtlich verbindliche „Wirkungen“ (vgl. § 158[1] BGB) schaffen, also zum Beispiel Ansprüche begründen, aufheben, abtreten, Verträge anfechten, kündigen oder durch Rücktritt auflösen, Eigentum übertragen, etc. Mit dem Rechtsgeschäft macht eine Person von ihrer Privatautonomie Gebrauch. Es besteht aus mindestens einer Willenserklärung; je nach Rechtsgeschäft können noch weitere Elemente notwendig sein, um den gewünschten Erfolg herbeizuführen.
Das Rechtsgeschäft ist ein Tatbestand aus einer oder mehrerer Willenserklärungen, die allein oder in Verbindung mit anderen Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführen, weil sie gewollt ist.
Die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts werden in unserer Rechtsordnung als verbindlich anerkannt, weil sie gewollt sind – oder anders gesagt: weil sie das Ergebnis einer privatautonomen Selbstbestimmung sind.
2
Wirkungen löst ein Rechtsgeschäft regelmäßig nur aus, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind, die je nach Art und Inhalt des konkreten Rechtsgeschäfts variieren können. Bei der Prüfung eines konkreten Rechtsgeschäfts ordnen wir die verschiedenen Voraussetzungen bestimmten Prüfungskategorien zu, die wir in eine logische Reihenfolge bringen. Wir unterscheiden gedanklich zwischen drei Kategorien: das Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts, seine besonderen Wirksamkeitserfordernisse sowie besondere Wirksamkeitshindernisse. Diese Kategorien werden in dieser Reihenfolge gedanklich geprüft.
Hinweis
Zwischen dem Zustandekommen und der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ist streng zu unterscheiden. Wir beginnen mit dem Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts. Erst wenn das Rechtsgeschäft zustande gekommen ist, steht fest, was gewollt ist. Erst wenn feststeht, was inhaltlich gewollt ist, wissen wir, ob und welche besonderen Wirksamkeitserfordernisse und -hindernisse für dieses Rechtsgeschäft bestehen.
Das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts ist logisch daher an erster Stelle zu prüfen. Sodann folgen die Wirksamkeitserfordernisse und -hindernisse. [2]
In der Klausur müssen Sie selbstverständlich nur solche Wirksamkeitserfordernisse und -hindernisse erörtern, zu deren Erwähnung der Fall Anlass gibt. Keinesfalls sind alle erdenklichen Tatbestände aufzuführen. Außerdem macht die Erörterung von Wirksamkeitserfordernissen nur Sinn, wenn das Rechtsgeschäft überhaupt noch wirksam werden könnte. Steht die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts (etwa wegen unheilbaren Formmangels) von Anfang an fest, müssen Sie auf etwaige Wirksamkeitserfordernisse (z.B. Genehmigung nach § 177 Abs. 1) nicht eingehen.
Anmerkungen
§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB.
Dem Gesetz lässt sich die systematische (Prüfungs-)Struktur von Willenserklärung und Rechtsgeschäft nicht eindeutig entnehmen, so dass verschiedene Aufbauvorschläge existieren, die allesamt vertretbar sind. Bei der Prüfung von Willenserklärung und Rechtsgeschäft folgt dieses Skript wie auch der erste Band dem z.B. von Leenen in seinem Lehrbuch zum BGB AT vertretenen Aufbau. Dieser hat sich in meiner langjährigen Praxis als Repetitor als der günstigste Weg erwiesen, um alle Prüfungsschritte gedanklich sauber abzuschichten und möglichst nahe und widerspruchsfrei (!) am Gesetzestext zu arbeiten.
1. Teil Einführung › B. Das Zustandekommen von Rechtsgeschäften
B. Das Zustandekommen von Rechtsgeschäften
3
Zunächst ist zu fragen, ob und welches konkrete Rechtsgeschäft überhaupt zustande gekommen ist. Ein Rechtsgeschäft existiert als rechtserheblicher Tatbestand in dem Moment, in dem es zustande gekommen ist.[1] Ein einmal zustande gekommenes Rechtsgeschäft bezeichnen wir auch dann als ein Rechtsgeschäft, wenn es unwirksam ist.[2]
4
Bei einseitigen Rechtsgeschäften bedarf es zur Festlegung von Art und Inhalt dieses Rechtsgeschäfts nur einer Willenserklärung (z.B. Anfechtung, Kündigung, Rücktritt, Widerruf, Aufrechnung, Auslobung gem. § 657, die Eigentumsaufgabe nach § 959 oder das Testament).
Ein einseitiges Rechtsgeschäft kommt durch eine darauf gerichtete und als solche wirksame Willenserklärung zustande. Eine Willenserklärung ist wirksam, wenn sie abgegeben wurde, wenn sie bei Empfangsbedürftigkeit auch zugegangen ist und wenn keine Gründe vorliegen, die eine Willenserklärung nichtig machen.[3]
Hinweis
In hier vorgestellten Aufbau[4] wird daher gedanklich zwischen der Wirksamkeit einer Willenserklärung und der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts unterschieden.
Diese in den gesetzlichen Tatbeständen angelegte (feine) Unterscheidung wird von Vielen aber häufig auch gedanklich und sprachlich zusammengefasst, indem Fragen der Wirksamkeit einer Willenserklärung zugleich als Fragen der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts bezeichnet werden.[5]
Beide Darstellungsweisen sind vertretbar und werden nie zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Es ist eher eine Frage, welche gedankliche Prüfungsreihenfolge dem Gesetzeswortlaut am nächsten kommt und zu einer möglichst einfachen und klaren Abschichtung der Themen führt. Deswegen wurde dem hier vorgestellten Ansatz der Vorzug gegeben.
Beispiel
Das Rechtsgeschäft „Kündigung des zwischen V und M bestehenden Mietvertrages durch den Mieter M“ kommt durch eine Kündigungserklärung zustande, also eine Erklärung, die den Willen erkennen lässt, dass das Mietverhältnis durch den Mieter M für die Zukunft beendet werden soll. Das Rechtsgeschäft „Kündigung“ ist – ob wirksam oder unwirksam – mit der Kündigungserklärung