BGB Allgemeiner Teil II. Achim Bönninghaus
Annahmeerklärung zustande bringen, würde das Verfahren in vielen Fällen umständlicher, zeitaufwendiger und teurer. Allerdings geht mit dem Zugang der Willenserklärung bei dem vollmachtlosen Vertreter das Übermittlungsrisiko auf den Vertretenen über. Das ist indessen unbedenklich, weil es der Vertretene in der Hand hat, etwaigen Mißbräuchen dadurch den Boden zu entziehen, dass er die Genehmigung des Geschäfts verweigert.“
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Aus §§ 164, 177 Abs. 1 ergeben sich beim Vertragsschluss durch einen Vertreter folglich zwei alternative Wirksamkeitserfordernisse: Entweder verfügt der Vertreter über die erforderliche Vertretungsmacht. Dann wirkt der Vertragsschluss – so wie es § 164 Abs. 1 beschreibt – unmittelbar für und gegen den vertretenen Vertragspartner.[13] Verfügt der Vertreter jedoch nicht über ausreichende Vertretungsmacht, ist der Vertrag zwar geschlossen, er kann aber erst unter den Voraussetzungen der §§ 177, 178 durch die Genehmigung des Vertretenen wirksam werden (ausführlich unter Rn. 147 ff.).
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Beim einseitigen Rechtsgeschäft gibt es folgende Varianten: Der Vertreter nimmt das Rechtsgeschäft im fremden Namen vor (aktive Vertretung) oder ist an ihm nur als Empfangsvertreter beteiligt (passive Vertretung). Für beide Varianten gilt, dass das einseitige Rechtsgeschäft in Bezug auf den Vertretenen zustande kommt. Auch hier ist die Wirksamkeit dieses Rechtsgeschäfts davon gedanklich zu trennen:
Verfügte der Vertreter über die erforderliche Vertretungsmacht wirkt das Rechtsgeschäft unmittelbar für und gegen die vertretene Person, sofern alle sonstigen Voraussetzungen für die Wirksamkeit erfüllt sind.
Fehlt die erforderliche Vertretungsmacht, ist das Rechtsgeschäft nach § 180 S. 1 grundsätzlich nichtig. Ausnahmsweise kann es aber unter den Voraussetzungen des § 180 S. 2 und 3 schwebend unwirksam sein und entsprechend §§ 177, 178 durch Genehmigung wirksam werden (ausführlich unter Rn. 158 ff.).
2. Aufbaufragen
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Ob ein Vertretergeschäft vorliegt, ob jemand also eine Willenserklärung „im Namen eines anderen“ (vgl. § 164 Abs. 1 S. 1) abgeben hat, ist nach dem eben Gesagten zwingend bei der Bestimmung des Inhalts der Willenserklärung zu untersuchen. Ob jemand als Vertreter handelt, richtet sich nach dem erkennbaren Auftreten und ist im Zweifel durch Auslegung der Willenserklärung zu bestimmen. Mit diesem sogenannten „Offenkundigkeitsprinzip“ beschäftigen wir uns unter Rn. 22 ff.
Beim einseitigen Rechtsgeschäft, bei dem ein Vertreter nur als Empfangsvertreter beteiligt ist, wird die Offenkundigkeit zunächst beim Zugang der vom ihm entgegengenommenen Willenserklärung bearbeitet.
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Die Behandlung der Offenkundigkeit ist grundsätzlich von der Frage der Vertretungsmacht zu trennen. Denn die Vertretungsmacht betrifft ja die nachgelagerte Frage der Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes (§ 177 Abs. 1 bzw. § 180!). Beim Vertragsschluss hat die Prüfung der Vertretungsmacht bereits bei dem Angebot bzw. der Annahme eines Vertreters also eigentlich nichts zu suchen. Entsprechendes gilt beim einseitigen Rechtsgeschäft eines Vertreters.
Trotzdem wird die Vertretungsmacht häufig bei der jeweiligen Willenserklärung des Vertreters mitgeprüft, indem die Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 S. 1 einschließlich der Vertretungsmacht „am Stück heruntergebetet“ werden. Die kompakte Formulierung des § 164 Abs. 1 verleitet dazu. Dieser Ansatz hat insbesondere beim Vertragsschluss durch einen Vertreter so seine Tücken.[14] Denn meistens gelingt den Bearbeitern bei fehlender Vertretungsmacht der Übergang zu § 177 BGB nicht. Dieser setzt ja einen Vertragsschluss voraus. Und um den zu bejahen, muss man nicht nur die eine Willenserklärung des Vertreters, sondern sowohl Angebot als auch Annahme fertig geprüft haben.
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Es empfiehlt sich folgender Mittelweg:
Verfügt der Vertreter nach dem Sachverhalt unproblematisch über die für das Rechtsgeschäft erforderliche Vertretungsmacht, macht es wenig Sinn, hierauf in einem gesonderten Prüfungspunkt „Wirksamkeit“ einzugehen. Sie können dann bei der Vertretererklärung direkt alle Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 „am Stück“ prüfen und damit auch die Frage der Vertretungsmacht erledigen.
Im Falle des Vertragsschlusses durch einen Vertreter könnten Sie auch nach Prüfung der Einigung kurz darauf hinweisen, dass die Einigung keiner Genehmigung nach § 177 bedarf, da der bzw. die beteiligten Vertreter innerhalb der ihm/ihnen zustehenden Vertretungsmacht handelten und die Vertretungsmacht kurz begründen.
Besteht hingegen die Möglichkeit, dass die Vertretungsmacht bei Abschluss des Vertrages bzw. bei Vornahme des einseitigen Rechtsgeschäftes überschritten wurde oder sogar jegliche Vertretungsmacht fehlte, empfehle ich Ihnen dringend, das Thema Vertretungsmacht – so wie es § 177 bzw. § 180 vorschreibt – getrennt erst nach dem Vertragsschluss bzw. beim einseitigen Rechtsgeschäft nach der Willenserklärung als Wirksamkeitsfrage zu erörtern und auf diesen separaten Punkt am Anfang kurz hinzuweisen. Dazu folgendes
Beispiel
K erteilt dem S den Auftrag und die Vollmacht, in seinem Namen beim Händler V eine Waschmaschine für maximal 500 € zu erwerben. S erscheint bei V und legt seine Vertretung offen. V ist rhetorisch derart begabt, dass er den S für Maschinen eines höheren Preisniveaus begeistert. V bietet den Abschluss eines Vertrages über eine Maschine des Modells „LavoStar 999“ zu einem tatsächlich günstigen Sonderpreis von 700 € an. S meint, dass er sich dies noch überlegen und kurz Rücksprache mit K halten müsse. V sagt, er reserviere die Maschine für den Rest des Tages. S verlässt den Laden. Da S den K nicht erreichen kann, meldet er sich am selben Tag nicht mehr. Obwohl S mit K immer noch nicht gesprochen hat, teilt er dem V nach zwei Tagen durch Nachricht auf dessen Mailbox mit, er sei mit dessen Angebot einverstanden. S befürchtete, dass dem K das Schnäppchen sonst entgehen werde. K meldet sich endlich am folgenden Tag bei S. Er ist trotz des höheren Preises begeistert und stimmt dem Geschäft durch Erklärung gegenüber S zu. S meldet sich telefonisch bei V.
V lässt den S wissen, er habe mit seinem Anruf nicht mehr gerechnet und die Maschine anderweitig verkauft. Zu dem Sonderpreis könne er das Modell „LavoStar 999“nicht noch einmal anbieten.
Kann K von V trotzdem Übereignung und Übergabe einer Maschine des Modells „LavoStar 999“ zum Preis von 700 € verlangen?
Bei Wahl des hier vorgeschlagenen Lösungsansatzes könnte die Lösung folgendermaßen lauten:
Als Anspruchsgrundlage kommt hier einzig ein Kaufvertrag zwischen K und V in Betracht. Zwischen K und V müsste also ein Kaufvertrag zustande gekommen sein, der den V zur Übereignung und Übergabe einer Waschmaschine des Modells „LavoStar 999“ gegen Zahlung eines Kaufpreises von 700 € gem. § 433 Abs. 1 verpflichtet.
Der Abschluss eines solchen Kaufvertrages erfordert zwei übereinstimmende, fristgerecht mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme.
Hier hat zunächst der V ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages über eine Waschmaschine zum Preis von 700 € abgegeben. Aus den Umständen ergab sich von Anfang an, dass sein Gegenüber S das Geschäft nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter des K vornehmen wollte. Wegen der Offenlegung des Vertreterhandelns war die Erklärung des V aus Sicht des S so zu verstehen, dass das Angebot inhaltlich auf einen Vertragsschluss mit K und nicht mit S selber gerichtet war. Die Erklärung ist durch Vernehmung