BGB Allgemeiner Teil II. Achim Bönninghaus
Eine Person ist dann als Empfangsvertreter anzusehen, wenn sie ausdrücklich zu verstehen gibt oder nach den sonstigen Begleitumständen (§ 164 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 S. 2) davon auszugehen ist, die Person nehme die inhaltlich an den Vertretenen gerichtete Willenserklärung als Repräsentant für diesen wie in eigenen Angelegenheiten entgegen und nicht nur zur Weiterleitung an diesen.[7]
JURIQ-Klausurtipp
Im Falle eines Vertragsschlusses durch einen Vertreter handelt dieser im Hinblick auf die eigene Erklärung als aktiver Vertreter und im Hinblick auf die Gegenerklärung als passiver Vertreter. Hier genügt es, wenn Sie die Voraussetzungen der Vertretung anhand der eigenen Erklärung des Vertreters herausarbeiten. Liegt danach ein Vertretergeschäft vor (und kein Botenhandeln), müssen Sie auf die passive Stellvertretung nicht mehr gesondert eingehen. Wer als Vertreter einen Vertrag schließt, ist immer auch als Empfangsvertreter in Bezug auf die Gegenerklärung des Vertragspartners anzusehen.[8]
Bei der Empfangsvertretung sind die Abgrenzungsfragen daher vor allem beim einseitigen Rechtsgeschäft zu behandeln. Und hier gilt: Hatte die beim Empfang der fremden Willenserklärung tätige Hilfsperson nach dem Sachverhalt Vertretungsmacht, können Sie sich kurz fassen und die Empfangsvertretung ohne Weiteres bejahen.[9] Problematisch sind also allein die Fälle, wo eine Hilfsperson ohne Vertretungsmacht aufgetreten ist. Hier kommt es auf eine saubere Abgrenzung anhand der oben aufgeführten Definition an.
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Verfügt der Vertreter nicht über die erforderliche Vertretungsmacht, gilt § 177 Abs. 1 bzw. § 180. §§ 177, 180 sprechen jedoch nicht mehr von der „Wirksamkeit der Willenserklärung“. Vielmehr hängt nach § 177 Abs. 1 „die Wirksamkeit eines Vertrages“, den jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen schließt, von der Genehmigung des Vertretenen ab. Und § 180 S. 1 spricht davon, dass bei einem „einseitigen Rechtsgeschäft“ die Vertretung ohne Vertretungsmacht „unzulässig“ ist.
Warum stellt das Gesetz in § 164 auf „die Willenserklärung“, in § 177 hingegen auf „den Vertrag“ bzw. in § 180 auf das „einseitige Rechtsgeschäft“ ab?
Der Grund dafür besteht darin, dass § 164 Abs. 1 die Voraussetzungen für ein wirksames Vertretergeschäft abstrakt beschreibt und die Wirksamkeitsfragen in den folgenden Vorschriften näher präzisiert werden, und zwar je nachdem, ob der Vertreter einen Vertrag schließt (vgl. §§ 177 – 179) oder an einem einseitigen Rechtsgeschäft beteiligt ist (vgl. §§ 174, 180).[10] Die Unvollständigkeit des § 164 Abs. 1 zeigt folgendes simples
Beispiel
Der mit ausreichender Vertretungsmacht ausgestattete V gibt im Namen des A gegenüber dem abwesenden B ein schriftliches Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über einen PKW zum Preis von 5000 € ab. Das Angebotsschreiben geht dem B aber nicht zu.
Hier wird das Angebot mangels Zugangs gar nicht wirksam (§ 130 Abs. 1 S. 1), obwohl V die Erklärung getreu dem Wortlaut des § 164 Abs. 1 S. 1 innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des A abgegeben hat. Das Angebot kann mangels Zugangs gar nicht „unmittelbar für und gegen den Vertretenen (A) wirken“, wie es § 164 Abs. 1 S. 1 beschreibt.
Nehmen wir noch folgendes weiteres Beispiel hinzu:
Der mit ausreichender Vertretungsmacht ausgestattete V erklärt im Namen des Arbeitgebers A dem Arbeitnehmer B per eMail die Kündigung des Arbeitsvertrages. Auch hier entfaltet die Kündigungserklärung keine unmittelbaren Wirkungen, da die Kündigung wegen Formmangels nach §§ 125 S. 1, 623, 126 Abs. 1 von Anfang an unheilbar nichtig ist.
Die beiden Beispiele zeigen, dass die Regelung des § 164 Abs. 1 S. 1 nicht isoliert gesehen werden kann, sondern die Vorschrift ihren Sinn und Zweck erst im Zusammenspiel mit anderen Vorschriften über Willenserklärungen im Speziellen (z.B. § 130 Abs. 1 S. 1) und Rechtsgeschäfte im Allgemeinen (z.B. § 125 S. 1) erreicht.
2. Teil Die Stellvertretung › A. Einführung › II. Prüfungsreihenfolge und Aufbau in der Klausur
1. Unterscheidung zwischen Vertretung und Vertretungsmacht
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Aus der Unvollständigkeit des § 164 Abs. 1 S. 1 und der im Gutachten notwendigen Zusammenschau mit anderen Regeln sind wichtige Rückschlüsse für den Aufbau zu ziehen.
Zunächst ist bei der jeweiligen Willenserklärung zu prüfen, ob überhaupt ein Rechtsgeschäft mit Beteiligung eines Vertreters vorliegt. Die Vertretungsmacht spielt dabei noch keine Rolle. Erst auf der weiteren Ebene der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ist der Frage nachzugehen, ob der handelnde Vertreter über die erforderliche Vertretungsmacht verfügte.
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Für den Vertragsschluss folgt dies aus §§ 177, 178, der § 164 ergänzt. Das Gesetz bringt in § 177 Abs. 1 zum Ausdruck, dass ein Vertrag sogar durch das Handeln eines vollmachtlosen Vertreters geschlossen werden kann, und zwar zwischen dem Vertretenen und dem Geschäftspartner. Der Vertrag ist dann allerdings noch nicht wirksam, sondern bedarf gem. § 177 Abs. 1 zu seiner Wirksamkeit noch der Genehmigung des Vertretenen. Das ist auch unmittelbar einsichtig, da es der Privatautonomie widerspricht, wenn man unbefugt Verträge mit unmittelbarer Wirkung für und gegen Dritte schließen könnte. Aber: Der Vertrag ist auch bei der Vertretung ohne Vertretungsmacht bereits als äußerlicher Regelungstatbestand zwischen dem Vertretenen (nicht Vertreter!) und dem anderen Geschäftspartner zustande gekommen. Der Vertretene – und nicht die Person des Vertreters – stehen nach dem Inhalt der Vereinbarung als Vertragspartner fest. Nur weil der Vertrag bereits derart zustande gekommen ist, kann „der Vertrag“ – und damit die in der Vereinbarung getroffenen Regelungen – Gegenstand einer rückwirkenden Genehmigung i.S.d. §§ 177, 182, 184 sein. Deshalb scheitern weder Abgabe noch Zugang von Angebot und Annahmeerklärung daran, dass ein eingeschalteter Vertreter keine Vertretungsmacht hat.[11] Der BGH hat das einmal sehr anschaulich am Beispiel eines mündlichen Vertragsschlusses durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht wie folgt formuliert (Hervorhebungen nur hier)[12]:
„Auch das einem vollmachtlosen Vertreter mündlich oder fernmündlich unterbreitete Angebot ist unter Anwesenden abgegeben. Für die Abgabe unter Anwesenden ist entscheidend, dass das Angebot an jemanden gerichtet ist, der es vernehmen und – entsprechend dem Erfordernis des § 147 Abs. 1 S. 1 BGB – sofort annehmen kann. Nicht anders als der berechtigte vernimmt auch der vollmachtlose Vertreter das Angebot und kann sogleich die Annahme erklären. Der Vertrag ist damit geschlossen. Beim Abschluß durch einen vollmachtlosen Vertreter ist er allerdings bis zur Genehmigung durch den Vertretenen schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Verweigert dieser die Genehmigung, ist die Unwirksamkeit endgültig. Die Genehmigung des Vertrages gehört jedoch – wie insbesondere § 182 Abs. 2 BGB zeigt – nicht mehr zum Tatbestand des Abschlusses, setzt diesen vielmehr voraus. Ein noch nicht abgeschlossener Vertrag könnte nicht genehmigt werden. Wäre bei Einschaltung eines vollmachtlosen Vertreters die Offerte stets an den (abwesenden) Vertretenen und nicht an den (anwesenden) Vertreter gerichtet, würde § 177 Abs. 1 BGB nur für den Fall der Aktivvertretung gelten. Eine derartige Einschränkung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Sie wäre auch mit den Bedürfnissen der Praxis nicht zu vereinbaren. Könnte der (abwesende) Vertretene den (durch die Annahmeerklärung des vollmachtlosen Vertreters abgeschlossenen) Vertrag nicht durch formlose (vgl. BGHZ 125,