AGB-Recht. Martin Schwab
aufgedrängt werden, sind sie erst recht schutzwürdig. Der BGH hatte bereits früher für den Fall einer herkömmlichen Präsenzversteigerung ausgesprochen, dass die AGB des Versteigerers unter den Voraussetzungen des § 305 II BGB Bestandteil des Vertrags zwischen demjenigen werden, der die zu versteigernde Ware einliefert, und demjenigen, der bei der Versteigerung den Zuschlag erhält[65]. Die AGB unterliegen dann auch im Verhältnis dieser beiden Parteien der Inhaltskontrolle[66]. Diese Grundsätze müssen in gleicher Weise bei einer Online-Versteigerung gelten[67].
4. Die Fiktion des § 310 III Nr. 1 BGB
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Für Verträge zwischen Unternehmern (§ 14 BGB) und Verbrauchern (§ 13 BGB) wird nach § 310 III Nr. 1 BGB fingiert, dass Vertragsbedingungen, welche für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert werden, vom Unternehmer gestellt worden sind. Dabei ist völlig gleichgültig, ob die Vertragsbedingungen vom Unternehmer selbst oder von einem neutralen Dritten ausgearbeitet worden sind[68]. Dem Unternehmer wird damit der Einwand abgeschnitten, die Bedingungen seien im Einzelnen ausgehandelt worden[69]: § 310 III Nr. 1 BGB ist nicht als widerlegliche Vermutung, sondern eben als Fiktion formuliert. Selbst auf notarielle Verträge findet § 310 III Nr. 1 BGB Anwendung[70]. Die Fiktion greift nur dann nicht ein, wenn der Verbraucher (oder sein Stellvertreter) die Einbeziehung vorgeschlagen hat. Mit dieser Vorschrift gewinnen namentlich auch Formularklauseln AGB-Charakter, die von Dritten (z.B. Notaren) in den Vertrag eingeführt werden. Man wende auch nicht ein, solche Klauseln seien, da der Dritte von beiden Parteien mit der Ausfertigung des Vertragsentwurfs beauftragt worden sei, i.S.d. § 305 I 3 BGB „im Einzelnen ausgehandelt“[71]: Gerade weil der Dritte als neutrale Person auftritt, erlangt sein Vertragsvorschlag in besonderer Weise Autorität bei den Parteien. Die Vertragsparteien haben aus ihrer Sicht umso weniger Anlass, die vorformulierten Bedingungen, soweit sie zu ihrem Nachteil gereichen, in Zweifel zu ziehen und, soweit sie ihrem Vorteil gereichen, zur Disposition zu stellen. Dann entsteht genau die AGB-typische Gefährdungslage, die der Gesetzgeber im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern zum Anlass genommen hat, die Klauseln als vom Unternehmer gestellt zu behandeln. § 310 III Nr. 1 BGB gilt daher auch und gerade für notarielle Vertragsmuster[72].
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Checkliste: Inhaltskontrolle notarieller Vertragsbedingungen
a) | Handelt es sich um einen Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher? Dann wird nach § 310 III Nr. 1 BGB fingiert, dass die Klausel vom Unternehmer gestellt wurde. AGB ist sie freilich auch dann nur, wenn sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist. Sind diese Voraussetzungen gegeben, findet eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB statt. |
b) | Handelt es sich um einen Vertrag ausschließlich zwischen Unternehmern oder ausschließlich zwischen Verbrauchern? Dann greift § 310 III Nr. 1 BGB nicht ein. Wohl aber handelt es sich um AGB, wenn ein Vertragsteil Klauseln, die er für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert hat, dem Notar zur Verfügung stellt und dieser darauf zurückgreift. |
c) | Jedenfalls bei Verträgen zwischen Verbrauchern kommt aber eine Inhaltskontrolle nach § 242 BGB in Betracht. |
Anmerkungen
BGHZ 126, 326, 332; 130, 50, 57 f.; OLG Düsseldorf BB 1994, 1521.
BGH NJW 1987, 837, 838.
Schlechtriem FS für Duden, S. 571, 574 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 27.
Vgl. für Patronatserklärungen LG München I WM 1998, 1285, 1286.
BGH NJW 1997, 2043, 2044.
Wie hier die h.M.: BGHZ 184, 259 Rn. 21; OLG München RdTW 2014, 285 Rn. 35 ff.; Jaeger NJW 1979, 1569, 1572; Probst JR 2011, 213; Soergel/Stein BGB, § 1 Rn. 15; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 29; Wolf/Lindacher/Pfeiffer AGB-Recht, § 305 BGB Rn. 25.
OLG Köln NJW 1994, 59; Locher NJW 1977, 1801; Stoffels AGB-Recht, Rn. 144.
So aber BGH NJW 1979, 1406; OLG Düsseldorf BB 1994, 1521; MK/Basedow BGB, § 305 Rn. 25, 28; Sonnenschein NJW 1980, 1489, 1491 f.; wie hier nunmehr BGHZ 184, 259 Rn. 14; Probst JR 2011, 213; Stoffels WuM 2011, 268, 271.
So aber Staudinger/Schlosser § 305 Rn. 31.
So aber Schlechtriem FS für Duden, S. 571, 576 f.
Ablehnend auch Häublein/Moussa MittBayNot 2011, 46, 47; Stoffels WuM 2011, 268, 272.
So auch – allerdings ohne daraus die hier befürwortete Konsequenz einer Analogie zu §§ 305 ff. BGB zu ziehen – Kaufhold BB 2012, 1235, 1240.
Dafür auch Ulmer/Brandner/Hense/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 30; a.A. offenbar Wolf/Lindacher/Pfeiffer AGB-Recht, § 305 BGB Rn. 25. Der BGH (BGHZ 184, 259 Rn. 21) hat eine Analogie zu §§ 307 ff. BGB nicht einmal erwogen.
Ebenso Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 30.
Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 30 am Ende; Wolf/Lindacher/Pfeiffer AGB-Recht, § 305 BGB Rn. 25, wohl auch Staudinger/Schlosser BGB, § 305 Rn. 3133.
Insoweit zutreffend Sonnenschein NJW 1980, 1489, 1491.
BGHZ 130, 50, 57.