Die straflose Vorteilsnahme. Tobias Friedhoff
2010, S. 16, führten in 62 % der eingeleiteten Korruptionsverfahren externe Hinweise zu einem Ermittlungsverfahren, nur bei 38 % der Verfahren wurde das Ermittlungsverfahren von Amts wegen eingeleitet.
Vgl. Bannenberg Korruption in Deutschland, S. 59; Bannenberg/Schaupensteiner Korruption in Deutschland, S. 38 ff.; LK-Sowada Vor § 331 Rn. 46; MK-Korte § 331 Rn. 17; so sagt auch das BKA Korruption, Bundeslagebild 2010, S. 21, dass auch zukünftig die Erfolge bei der Bekämpfung der Korruptionskriminalität „sehr stark von der Gewinnung qualifizierter Hinweise“ abhängen wird.
Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme
Inhaltsverzeichnis
A. Die neuere Gesetzgebungsgeschichte der Tatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung
B. Das durch den Tatbestand der Vorteilsannahme geschützte Rechtsgut
C. Der Tatbestand der Vorteilsannahme
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Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird die Vorteilsannahme im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) geahndet.
Im System des StGB befindet sich der Tatbestand in dessen 30. Abschnitt mit der Überschrift „Straftaten im Amt“.
Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › A. Die neuere Gesetzgebungsgeschichte der Tatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung
A. Die neuere Gesetzgebungsgeschichte der Tatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung
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Zu Beginn dieser Arbeit wird zunächst ein Blick auf die neuere Entwicklung der Tatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung geworfen.[1] Die Betrachtung der neueren Gesetzgebungsgeschichte der Tatbestände wird helfen zu verstehen, aus welchen Gedanken heraus sich diese Tatbestände bis heute entwickelt haben und warum der deutsche Gesetzgeber Änderungen an ihnen vorgenommen hat.
Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › A › I. Die Vorteilsannahme bis zum Jahr 1974
I. Die Vorteilsannahme bis zum Jahr 1974
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Im Reichsstrafgesetzbuch[2] (RStGB) regelte § 331 RStGB die „einfache passive Bestechung“, die auf eine „an sich nicht pflichtwidrige Handlung“[3] bezogen war, während die „schwere passive Bestechung“ (§ 332 RStGB) bei Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht einschlägig war.[4] Daneben gab es die aktive Bestechung in § 333 RStGB, die sich aber nur auf § 332 RStGB und nicht auch noch auf § 331 RStGB bezog, sodass es zur einfachen passiven Bestechung kein tatbestandliches Pendant auf Geberseite gab.[5] § 334 RStGB regelte darüber hinaus die Strafbarkeit der Richterbestechung, wobei hier nur zukünftige Handlungen erfasst wurden.[6] Grundsätzlich wurden von den Bestechungsdelikten nur Beamte im strafrechtlichen Sinne erfasst (§ 359 RStGB),[7] durch die Bestechungsverordnung fielen aber auch formell besonders verpflichtete Personen hierunter.[8] Diese Regelungen wurden bis zum Jahr 1974 (nahezu) nicht geändert.[9]
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Der Tatbestand „Einfache passive Bestechung“ lautete bis zum Jahr 1974:
§ 331 StGB Einfache passive Bestechung
Ein Beamter, welcher für eine in sein Amt einschlagende, an sich nicht pflichtwidrige Handlung Geschenke oder andere Vorteile annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.
Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › A › II. Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch von 1974 und die durch dieses Gesetz hervorgerufenen Änderungen an § 331 StGB
II. Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch von 1974 und die durch dieses Gesetz hervorgerufenen Änderungen an § 331 StGB
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Erst durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB)[10] von 1974 änderten sich die Korruptionstatbestände im amtlichen Bereich hinsichtlich ihrer Systematik und ihres Inhalts.[11] Es wurden vier Tatbestände geschaffen, die nahezu spiegelbildlich zueinander angeordnet wurden.[12] Die Strafbarkeit des Vorteilsempfängers wurde in den §§ 331, 332 StGB (1974) geregelt, die des Vorteilsgebers in den §§ 333, 334 StGB (1974). Dabei wurde in § 331 StGB (1974) die Vorteilsannahme und in § 333 StGB (1974) die Vorteilsgewährung kodifiziert, während in § 332 StGB (1974) die Bestechlichkeit und in § 334 StGB (1974) die Bestechung geregelt waren. Der selbstständige Tatbestand der Richterbestechung wurde aufgehoben, die Richterbestechung ist seitdem jeweils in den zweiten Absätzen der Tatbestände integriert.[13]
Inhaltlich gesehen wurden nicht mehr nur Beamte, sondern grundsätzlich alle Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten erfasst, was die Bestechungsverordnung überflüssig machte.[14]
Durchgängig war nun erforderlich, dass der Vorteil „als Gegenleistung für“ eine Diensthandlung erbracht werden musste, um so die Beziehung zwischen Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer im Sinne einer „Unrechtsvereinbarung“ zu kennzeichnen.[15] Dies bedeutete, dass der Vorteil für eine zumindest in groben Zügen konkret erkenn- und bestimmbare Diensthandlung angenommen bzw. gewährt werden musste.[16]
Darüber hinaus wurde in § 331 StGB (1974) und in § 333 StGB (1974) jeweils in Abs. 3 die Möglichkeit einer Genehmigung der Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung eingeführt.
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Der Tatbestand der Vorteilsannahme lautete im Zeitraum von 1974 bis 1997:
§ 331 StGB Vorteilsannahme
(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ein Richter oder Schiedsrichter, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme