Die straflose Vorteilsnahme. Tobias Friedhoff
zuletzt abgerufen am 22.1.2012.
Abrufbar unter http://www.conventions.coe.int/Treaty/en/Treaties/Html/191.htm, zuletzt abgerufen am 22.1.2012.
Abrufbar unter www.unodc.org/pdf/crime/convention_corruption/signing/Convention-e.pdf, zuletzt abgerufen am 22.1.2012.
BT-Drs. 16/6558; BR-Drs. 548/07.
Zur derzeitigen Erfassung ausländischer Amtsträger siehe die Ausführungen unter Rn. 56 ff.
Ob insbesondere die Vorteile zur Klimapflege tatsächlich unter den Tatbestand der Vorteilsannahme fallen, vgl. die Ausführungen unter Rn. 81 ff.
Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › B. Das durch den Tatbestand der Vorteilsannahme geschützte Rechtsgut
B. Das durch den Tatbestand der Vorteilsannahme geschützte Rechtsgut
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Die Frage, welches Rechtsgut von dem Tatbestand der Vorteilsannahme geschützt werden soll, ist von zentraler Bedeutung und bildet das Fundament für die weiteren Überlegungen in dieser Arbeit. Denn insbesondere anhand des Rechtsguts kann und soll sich im weiteren Verlauf der Untersuchung zeigen, wann eine Vorteilsannahme straflos ist. Wenn das Rechtsgut, das durch die strafrechtliche Ahndung einer Vorteilsannahme geschützt werden soll, durch die Annahme eines Vorteils nicht oder nicht in dem Maße tangiert wird, dass es einer strafrechtlichen Sanktionierung bedarf, so muss diese Handlung aus dem strafbaren Bereich des § 331 StGB herausfallen. Die Antwort auf die Frage, welches Rechtsgut durch die Vorteilsannahme geschützt werden soll, ist jedoch umstritten.[1]
Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › B › I. Die Unentgeltlichkeit der Amtsführung?
I. Die Unentgeltlichkeit der Amtsführung?
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Eine (ältere) Ansicht sieht die „Unentgeltlichkeit der Amtsführung“ als das durch den Tatbestand geschützte Rechtsgut an.[2] Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Viele Diensthandlungen werden gerade nur gegen eine Gebühr vorgenommen, sodass sich bereits daraus ergibt, dass es keinen Anspruch des Bürgers auf eine kostenlose Verwaltung gibt.[3] Durch § 331 Abs. 1 StGB soll nicht erreicht werden, dass der Bürger nicht mehr als die vorgeschriebenen Abgaben, oder für den Fall, dass keine Abgaben zu entrichten sind, überhaupt welche leistet. Vielmehr ist der Zusammenhang zwischen Annahme des Vorteils und der Dienstausübung entscheidend und begründet den Unwert der Tat; das bloße Abstellen auf die Annahme des Vorteils allein kann diese Begründung nicht liefern.[4]
Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › B › II. Die Reinhaltung der Amtsausübung?
II. Die Reinhaltung der Amtsausübung?
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Für das Reichsgericht bestand das Rechtsgut in der „Reinhaltung der Amtsausübung“, welche ein „bedeutsames Rechtsgut des gesamten Volkes“ darstelle.[5] Dieser Ansicht hat sich zunächst auch der BGH angeschlossen.[6] Diese Einschätzung geht zwar bereits in die richtige Richtung, ist aber noch viel zu ungenau, um für spätere Überlegungen eine Ausgangsbasis für die Frage nach der Einordnung eines Verhaltens als strafbar oder straflos zu bilden.[7] Was genau unter „Reinhaltung der Amtsausübung“ verstanden werden kann, ist nicht näher konkretisierbar und zu pauschal, es trifft darüber hinaus nicht nur auf die Tatbestände des Korruptionsstrafrechts (§ 331 bis § 335 StGB), sondern auf alle Amtsdelikte zu.[8] So wird auch durch die Rechtsbeugung (§ 339 StGB), die Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) und sogar durch die Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) die Reinhaltung der Amtsausübung berührt und verletzt. Es ist nichts, was nur den Korruptionsdelikten immanent ist.[9]
Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › B › III. Die Unverfälschtheit des Staatswillens?
III. Die Unverfälschtheit des Staatswillens?
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Teilweise wird angenommen, dass mit der Vorteilsannahme eine „Verfälschung des Staatswillens“ einhergeht, da durch die Vorteilsannahme die Entscheidung des Amtsträgers anders ausfällt, als wenn er keinen Vorteil erhalten hätte und nur aus rein sachlichen Gesichtspunkten entschieden hätte, sodass im Umkehrschluss als geschütztes Rechtsgut die Unverfälschtheit des Staatswillens anzusehen sei.[10] Diese Ansicht konnte sich auf den Willen des Gesetzgebers stützen, der dies in seiner Gesetzesbegründung zum EGStGB unter anderem als zu schützendes Rechtsgut ansah.[11] Auch diese Ansicht verdient eine kritische Bewertung und ist letztendlich abzulehnen.
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Um zu dieser Einschätzung zu kommen, muss man sich bewusst machen, dass der Amtsträger bei der Vorteilsannahme rechtmäßig handelt bzw. dass keine künftige oder vergangene, ausreichend bestimmte Diensthandlung dem Vorteil zuzuordnen ist. Im Endergebnis wird also zumindest keine pflichtwidrige Diensthandlung durch den Vorteil bezweckt. Der Amtsträger macht also, stellt man auf die Richtigkeit und Sachlichkeit der Entscheidung ab, „nichts falsch“.
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Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Es wird, mit anderen Worten, ein rechtmäßiges Verhalten von diesen Gewalten gefordert. Dieses rechtmäßige Verhalten stellt den Staatswillen dar. Erst wenn nicht mehr rechtmäßig, sondern rechtswidrig gehandelt wird, wird der Staatswille verfälscht. Da der Amtsträger bei den §§ 331, 333 StGB aber rechtmäßig handeln „muss“,[12] kann denknotwendig die Gefahr einer Verfälschung des Staatswillens schon nicht bestehen.[13] Handelt er rechtswidrig, so sind nicht die Tatbestände der Vorteilsannahme oder Vorteilsgewährung, sondern die Tatbestände der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) oder der Bestechung (§ 334 StGB) einschlägig.
Nicht zu erklären ist mit diesem Ansatz zum Rechtsgut auch die Tatsache, dass der Amtsträger bestraft wird, wenn er nachträglich einen Vorteil annimmt.[14] Wie bereits gesagt, hat der Amtsträger (in diesem Fall vorher) sachlich korrekt gehandelt und dazu noch nach der Diensthandlung etwas erhalten, sodass seine Entscheidung gar nicht kausal auf der Vorteilsgabe beruhen konnte. Trotzdem fällt auch dieses Verhalten unter § 331 StGB. Hier wird besonders deutlich, dass sich diese Sanktionierung nicht mit der Verfälschung des Staatswillens begründen lässt.[15] Auch