Soldatengesetz. Stefan Sohm
BVerwG sowie dessen Aussage, die Bw sei ein mil. Verband.[68] Zur Bw gehört bekanntlich auch die BwVerw mit ihren ziv. Dienststellen. Die Bw ist deshalb nie ganz ziv. oder ganz mil. aufgestellt. Das BVerwG sollte dies im Hinblick auf die verfassungsrechtl. Vorgaben in Art. 87a GG und Art. 87b GG bei seiner Wortwahl berücksichtigen. Ebenso sollte es berücksichtigen, dass ein Verband zwar eine gliederungsmäßige Zusammenfassung von Truppenteilen ist, Streitkräfte als Ganzes aber selbst bei exzessivem Begriffsverständnis den terminus technicus sprengen, wenn sie mit ihren drei Teilstreitkräften und drei Organisationsbereichen als „Verband“ charakterisiert werden.[69]
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Die Pflicht zum treuen Dienen kann nicht nur durch Nicht-, sondern ebenso durch Schlechterfüllung verletzt werden. Der Soldat ist verpflichtet, den Dienst auch dort nach besten Kräften zu erfüllen, wo kein Befehl das Verhalten regelt. Demzufolge kann ein Dienst „nach Vorschrift“ einen schuldhaften Verstoß gegen § 7 begründen.[70] Eine Grenze findet sich in der Leistungsfähigkeit des Soldaten – wenn er bei einer Inanspruchnahme über diese Grenze hinaus seinen Dienst nicht (mehr) ordnungsgemäß erfüllt, lässt das einen Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens entfallen.[71]
Der Soldat hat seinen Dienst auch dort gewissenhaft zu erfüllen, wo er durch Weisungen nichtmil. Vorg. angeordnet ist (vgl. auch § 11 Abs. 3).
7. „Recht und die Freiheit des deutschen Volkes“
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„Recht und Freiheit“ sind wegen ihrer besonderen Bedeutung beispielhaft genannte Rechtsgüter[72], die der Soldat zu verteidigen hat. Unter „Recht und Freiheit“ sind Rechtsgüter des deutschen Volkes zu verstehen. Inwieweit diese Rechtsgüter auch im Ausland verteidigt werden dürfen, ergibt sich – abgesehen von den Vorgaben der Verfassung – insbes. aus völkerrechtl. Vorschriften.[73]
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Unter dem „deutschen Volk“ sind alle deutschen Staatsangehörigen i.S.d. Präambel und des Art. 116 GG zu verstehen. Die Auffassung, „deutsches Volk“ seien die Einwohner der Bundesrepublik Deutschland,[74] ist rechtl. nicht haltbar, da sie mit dem GG nicht zu vereinbaren ist. Der Pflichtenkreis des deutschen Soldaten erstreckt sich auf das deutsche Staatsvolk;[75] in Deutschland lebende fremde Staatsangehörige werden bei einem Angriff auf das Bundesgebiet, abhängig von ihrem humanitärvölkerrechtl. Status, ggf. in diesen Schutzbereich einbezogen.
Die Bezeichnung „Einwohner der Bundesrepublik Deutschland“ mag aus der früh. Streitfrage[76] herrühren, ob der Soldat der Bw verpflichtet sei, auch die Bewohner der früh. DDR zu verteidigen. Diese Problematik hat sich mit der Wiedervereinigung erledigt.
8. „tapfer zu verteidigen“
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Der 2. Halbs. von § 7 definiert die Pflicht des Soldaten zur Tapferkeit. Es handelt sich dabei um eine „gesteigerte“ Treuepflicht, nicht um eine eigenständige Dienstpflicht des Soldaten.[77] Folge ist, dass die Tapferkeitspflicht dieselbe räumliche und personelle Geltung aufweist wie die Treuepflicht.[78]
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„Tapfer“ lässt sich durch einen systematischen Vergleich mit § 6 WStG als „Überwindung von Furcht vor persönlicher Gefahr“ definieren.[79] Mit dieser Umschreibungen allein, auch nicht mit der Forderung nach Zivilcourage[80], nach Eintreten für die „peinliche Achtung der Menschenwürde“[81] usw. ist die gesetzl. normierte Verpflichtung des Soldaten aber nicht ausgeschöpft. Tapferkeit wird heute nicht mehr an denselben Begriffsinhalten zu messen sein, die früher das Ideal eines tapferen Kämpfers bestimmt haben. Ebenso wenig, wie das SG heute einen „blinden“ oder „unbedingten“ Gehorsam verlangt, wie er in früh. deutschen SK vor 1945 viel zu oft gefordert worden ist, wird man heute (als Kehrseite der Gehorsamspflicht) einen tapferen Kämpfer nur in einem Soldaten sehen dürfen, der i.S. eines „Siegen oder Sterben“-Befehls bedingungslos seinen Tod in Kauf nimmt. Von dem Soldaten der Bw als Staatsbürger in Uniform wird vielmehr (wie es die rechtl. Beschränkungen des Gehorsams in § 11 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 zeigen) ein sog. mitdenkender Gehorsam erwartet, bei dem die Folgen einer Handlung mit zu berücksichtigen sind.[82] Tapferkeit setzt nicht voraus, in den eigenen sicheren Tod einwilligen zu müssen. Dies verstieße in letzter Konsequenz gegen die Menschenwürde und das Recht auf Leben (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Die Grenze zwischen noch einzufordernder, zumutbarer Tapferkeit unter Inkaufnahme einer gewissen Lebensgefährdung und sinnlosem, fanatischem Widerstand wird im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände (mil. Lage, Aspekte der Menschenwürde, mögliche Kollateralschäden etc.) und unter Berücksichtigung des Grds. der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit[83] zu ziehen sein.[84]
9. Einzelfälle von Verstößen gegen § 7 bzw. der Begründung von Einzelpflichten aus der Rechtsprechung[85]
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Versuche, die Rspr. insbes. der WDS des BVerwG zu systematisieren oder zu kategorisieren, führen nur zu der Erkenntnis, dass die Gerichte fallbezogen und daher kasuistisch judizieren. Die nachstehende alphabetische Auflistung hat damit nur Beispielscharakter:
– | Verstoß gegen das Alkoholverbot/Missbrauch des Genusses von Alkohol[86] |
– | Anborgen von Untergebenen[87] |
– | Ankündigung einer Gehorsamsverweigerung[88] |
– | Pflicht zum Tragen des vorgeschriebenen Anzugs[89] |
– | Aufruf in Flugblättern zum Widerstand[90] |
– | Missbrauch der Befehlsbefugnis[91] |
– | Prüfung der Besoldungsmitteilungen auf Richtigkeit und etwaige Überzahlungen[92] |
– | Betrug zum Nachteil des Dienstherrn[93] |
– | Diebstahl von Eigentum des Bundes[94] |
– | Pflicht zur Dienstleistung/„schlechte“ Dienstleistung[95] |
– | Abgabe falscher dienstl. Erklärungen[96] |
– | Verstoß gegen die Verpflichtung zur Einhaltung des Dienstwegs[97] |
– |
Diffamierende |