Soldatengesetz. Stefan Sohm
der früheren Rspr. des BVerwG[46] war ein Verstoß gegen die §§ 8 ff. zugleich ein solcher gegen die Treuepflicht. Die §§ 8 ff. wurden lediglich als beispielhafte Ausprägungen der Grundpflicht angesehen.
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Inzwischen besteht Einigkeit, dass § 7 durch die besonderen Pflichten ausgeschlossen wird, die Grundpflicht somit lediglich eine Auffangfunktion i.S.e. Generalklausel[47] besitzt.[48] Mit dieser Norm wird zunächst nur (teilweise) die Grundstruktur des soldatischen Dienstverhältnisses ausbuchstabiert,[49]die durch die Rspr. weiter offengelegt wurde (s.u. Rn. 26).
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Allerdings nennt die Rspr. des BVerwG dabei gelegentlich „zur Bekräftigung“ neben den Einzelpflichten aus den §§ 8 ff. zusätzlich die Grundpflicht aus § 7, ohne dass immer deutlich wird, zu welchem Zweck dies geschieht.[50] Insbes. bei Verstößen gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 schließen die WDS eine Verletzung der Grundpflicht nicht vollständig aus.[51]
Insgesamt verfolgen die WDS jedoch die Linie, bei der Prüfung von Dienstpflichtverletzungen die allg. Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 nur anzuwenden, wenn dieser die in §§ 8 ff. normierten Dienstpflichten für ihren jew. Anwendungsbereich nicht als speziellere Vorschrift vorgehen.[52] Das ist vor allem dann der Fall, wenn Rechtsverstöße von Gewicht, die in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen, in ihrem Unrechtsgehalt von den Pflichtenregelungen der §§ 8 ff. nicht oder nicht voll erfasst werden.[53] Hilfreich ist in diesem Zusammenhang, dass zu der in § 7 normierten Pflicht insbes. die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung gerechnet wird.[54] Verstößt ein Soldat gegen ein Strafgesetz und begeht damit kriminelles Unrecht, so liegt – entgegen der früheren Rspr.[55] – darin nur dann ein Verstoß gegen § 7, wenn es sich nicht um außerdienstliches Fehlverhalten handelt.[56]
5. „Bundesrepublik Deutschland“
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Die o. in Rn. 5 zit. Feststellung des VertA, der deutsche Soldat habe nur Befehle und Anweisungen von „Organen“ der Bundesrepublik entgegen zu nehmen, hat zur Konsequenz, dass nur Vertreter dieses Staates dem deutschen Soldaten gegenüber befehls-/weisungsbefugt sind.
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Ausländische Soldaten, auch soweit sie Angehörige von Staaten des NATO-Bündnisses sind, haben gegenüber deutschen Soldaten keine Befehlsbefugnis i.S.v. § 2 Nr. 2 WStG; sie können nicht mil. Vorg. i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 sein.[57] Die Befehlsbefugnis ist Teil der Souveränität; eine (gesetzl.) Übertragung deutscher Hoheitsrechte auf ausländische Soldaten hat bisher nicht stattgefunden.
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Keine Befehlsbefugnisse gegenüber den Soldaten haben auch ziv. Angehörige der Bw (sie haben ggf. das Recht, Soldaten dienstl. Anordnungen zu erteilen, wenn Soldaten außerhalb der Streitkräfte (bspw. in der Bundeswehrverwaltung) verwendet werden – eine Anordnungsbefugnis ergibt sich dann aus § 3 Abs. 4 BBG). Mil. Vorg. muss immer ein anderer (deutscher) Soldat sein. Einzige Ausnahme ist der BMVg als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt gem. Art. 65a GG bzw. sein „alter ego“, der Sts[58], sowie in V-Fall der BK (Art. 115b GG).[59]
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Alliierte und andere ausländische Soldaten sowie ziv. Angehörige der Bw sind funktionsbezogen gegenüber deutschen Soldaten weisungsbefugt. Die Verpflichtung der Soldaten, solchen Weisungen Folge zu leisten, wird allg.[60] aus der Treuepflicht des § 7 abgeleitet. Diese Auffassung lässt sich begründen, wenn ihr eine vorherige Delegation deutscher Weisungsbefugnis zu Grunde gelegt wird. Eine solche Delegation erfolgt für alliierte KdoBehörden oder andere internationale Stäbe usw. durch völkerrechtl. Vertrag oder Regierungsabkommen, für ziv. Vorg. der Bw durch OrgErl. des BMVg.
6. „treu zu dienen“
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Eine Definition des unbestimmten Rechtsbegriffes „treu zu dienen“ ist bisher weder durch die Rspr. noch durch die Lit. erfolgt. Ähnlich wie bei der „Würde des Menschen“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG begnügt man sich mit einer Inhaltsbeschreibung und einer kasuistischen Aufzählung denkbarer Verstöße.
Allg. wird folgende Standardformel verwendet:
„Gegenstand der in § 7 normierten Treuepflicht ist es, zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr als eines militärischen Verbandes beizutragen und alles zu unterlassen, was die Wahrnehmung ihrer durch die Verfassung festgelegten Aufgabenstellung beeinträchtigen oder zumindest in Frage stellen könnte. Denn die Bundeswehr kann den ihr in Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG erteilten Auftrag zur Verteidigung nur dann erfüllen, wenn einerseits ihre Angehörigen, ihr Gerät und ihre Mittel jederzeit präsent und voll einsatzbereit sind und andererseits das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen sind.“ Dazu soll „neben den Pflichten zur Anwesenheit, zu sorgsamem Umgang mit dienstl. anvertrauten Sachgütern und einer gewissenhaften Dienstleistung vor allem die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber dem Staat, seinen Organen und seiner Rechtsordnung“ gehören.[61] Bei einem Verstoß gegen diese Pflichten muss es sich allerdings um einen Rechtsverstoß von Gewicht handeln, der zudem in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht.[62]
Insgesamt lassen sich demnach fünf Anwendungsbereiche festhalten, die § 7 neben den übrigen Pflichten bestehen lässt:
– | Dienstleistungspflicht [63] |
– | Pflicht zum waffengetragenen Dienst[64] |
– | Vermögenswahrungspflicht gegenüber dem Dienstherrn[65] |
– | Pflicht zur gewissenhaften Diensterfüllung in den Bereichen, die nicht durch Befehl angeordnet sind[66] |
– | Pflicht zur Loyalität gegenüber dem Staat, seinen Organen und seiner Rechtsordnung.[67] |