Soldatengesetz. Stefan Sohm
der Soldaten, notfalls im Dienst Leib oder Leben riskieren zu müssen, zu relativieren.[21] Der Dienstherr hat dafür Sorge zu tragen, dass diese Gefahren konkret auf ein unvermeidbares Mindestmaß beschränkt bleiben. Diese Verpflichtung des Dienstherrn folgt aus seiner Fürsorgepflicht (vgl. § 45 BeamtStG, § 78 BBG).
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Solche Schutz- und Vorsorgemaßnahmen hat der Dienstherr auch für Soldaten bei besonders gefährlichen Einsätzen zu treffen.[22]
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Erl. des BMVg speziell zu § 7 sind nicht herausgegeben worden.[23]
1. Grundpflicht und Grundgesetz
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§ 7 schränkt verfassungsrechtl. unbedenklich insbes. die Grundrechte des Soldaten auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1[24] und auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG[25] ein.[26] Ob sich die Pflicht zum Lebenseinsatz unmittelbar aus der Verfassung ergibt,[27] darf bezweifelt werden. Da aber den Wehrdienstverhältnissen entweder deren Freiwilligkeit oder die verfassungsrechtliche Wehrpflicht zugrunde liegt, braucht dem Gehalt des Verteidigungsbegriffs nach Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG nicht weiter nachgegangen werden. Denn hinsichtlich der Freiwilligkeit darf die Einwilligung in eine – verfassungskonform entstandene – Lebensgefahr unterstellt werden. Denn auch wenn einem pauschalen, zu Beginn des Dienstverhältnisses erklärten Grundrechtsverzicht eine Absage zu erteilen ist,[28] darf bei dem Soldaten dieses berufsprägende Element als hinreichend bekanntes Allgemeingut unterstellt werden; über die Tragweite seiner Entscheidung ist er nicht im Unklaren. Auch handelt es sich hierbei als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts um ein disponibles Rechtsgut.[29] Und hinsichtlich des soldatischen Pflichtdienstes fällt die Wehrpflicht mit Schaffung durch Art. 12a Abs. 1 GG nicht in den Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 GG.[30] § 7 genügt auch den Anforderungen, die Art. 103 Abs. 2 GG an die gesetzl. Bestimmtheit disziplinarrechtl. „Straftatbestände“[31] stellt.[32] Das BVerfG hat die Verfassungsmäßigkeit von disziplinarrechtl. Generalklauseln wie § 7 aus der Erwägung bejaht, dass „eine vollständige Aufzählung der mit einem Beruf verbundenen Pflichten nicht möglich ist“.[33] Dennoch wäre bei einer konstitutiven Neufassung des SG zu überlegen, weitere konkrete Einzelpflichten des Soldaten gesetzl. zu verankern, die bisher ausschließlich aus der Generalklausel des § 7 abgeleitet werden.
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Als obiter dictum hatte das BVerwG in einem Beschl. von 1978[34] im Zusammenhang mit der Pflicht des Soldaten zur Dienstleistung judiziert, die Treuepflicht unterliege „keinen Begrenzungen rechtlicher Art“. Sie solle und müsse von dem Vorg. des Soldaten jederzeit realisiert werden können. Dies ist so nicht haltbar. § 7 steht nicht im rechtsfreien Raum; die für alle staatl. Eingriffe in Grundrechte maßgeblichen Schranken (z.B. das Übermaßverbot, die Wesensgehaltsgarantie) gelten auch für das soldatische Dienstverhältnis.
2. Geltung von § 7 im Frieden und im Krieg
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Der o. dargestellten Entstehungsgeschichte und dem abschließenden Ber. des VertA zum SG[35] kann entnommen werden, dass die Treuepflicht und die Tapferkeitspflicht des Soldaten im Frieden und im Krieg gleichermaßen gelten.[36]
Zwischen der Verpflichtung aus § 7 und der jew. dienstl. Tätigkeit des Soldaten muss jedoch ein verfassungsrechtl. begründbarer Zusammenhang bestehen. Alle verfassungsrechtl. zulässigen Einsätze und Verwendungen des Soldaten (z.B. Einsätze nach Art. 35 Abs. 2 und 3 GG) lösen die Grundpflicht aus § 7 aus. Eine gesteigerte Pflicht zur Gefahrtragung im Frieden besteht z.B. im Wachdienst[37] und bei Einsätzen im Katastrophennotstand. Aber auch im Auslandseinsatz,[38] etwa bei der Beteiligung deutscher SK an friedenssichernden Maßnahmen der VN, hat der Soldat treu zu dienen und tapfer zu sein. Im außerdienstl. Bereich, auch bei Unglücksfällen, muss der Soldat keine weiter reichenden Gefahren auf sich nehmen als jeder andere Staatsbürger.[39] Erwartet werden muss daher von ihm z.B. die nach § 323c StGB erforderliche und zumutbare Hilfe bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not.
a) Heranziehung zu Auslandseinsätzen
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Die bisher kontrovers diskutierte Frage, welche Statusgruppen zwangsweise oder zumindest auf freiwilliger Basis zu Auslandseinsätzen der deutschen SK herangezogen werden könnten, hat mit der Aussetzung der Heranziehung zum GWD und durch Regelungen wie z.B. § 58e Abs. 1 Satz 2 ihre Bedeutung verloren.
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SaZ und BS sind dienstrechtl. aus § 7 heraus verpflichtet, solchen Einsatzbefehlen Folge zu leisten. Die Treuepflicht unterliegt keiner territorialen (oder statusabhängigen) Begrenzung[40], soweit der Einsatz als solcher materiell und formell verfassungsrechtl. legitimiert ist. Der Einsatz von SaZ und BS für friedenssichernde Aufgaben ist auch außerhalb des im NATO-Vertrag festgelegten territorialen Bereichs zulässig, ohne das es insoweit einer Änd. einschlägiger geltender Gesetzesvorschriften des nationalen Rechts (wie des § 7) bedarf.[41] Hier kann sich der Soldat nicht darauf berufen, dass zum Zeitpunkt seiner Verpflichtung für den freiwilligen Dienst in der Bw mangels damals gegebener Auslandseinsätze z.B. im Rahmen der VN eine andere, insbes. auf die Landes- und Bündnisverteidigung bezogene, enger gefasste Konzeption der soldatischen Treuepflicht bestanden habe.[42]
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Soldaten, die nicht SaZ oder BS sind, werden im Frieden nur mit ihrem schriftl. Einverständnis im Ausland eingesetzt.[43]
b) Die „Reichweite“ der Tapferkeitspflicht
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Mit der h.M.[44] ist die Pflicht zur Tapferkeit als Konkretisierung der Treuepflicht nicht als eigenständige Pflicht zu sehen. Der deutsche Soldat hat daher von Gesetzes wegen – entspr. der territorial nicht begrenzten Treuepflicht – ebenso weltweit tapfer seinen Auftrag zu erfüllen. Die seit Jahren sich inhaltl. und territorial ändernde Aufgabenzuweisung an die deutschen SK muss daher auch diesbzgl. nicht zwangsläufig in einer Novellierung von § 7 nachvollzogen werden. „Recht und Freiheit des deutschen Volkes“ sind überall (tapfer) zu verteidigen, nicht nur dort, wo deutsche oder alliierte Rechtsgüter bedroht oder angegriffen sind.[45]
4. Verhältnis von § 7 zu den §§