Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz. Eva-Maria Kremer
erhoben, die auf Veranlassung der Beteiligten oder auf Grund gesetzlicher Ermächtigungen in überwiegendem Interesse einzelner vorgenommen werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg U 22.6.2005 – 2 B 7/05, juris = OVGE Berlin-Brandenburg 26, 109). Allerdings werden für nur einfache mündliche oder schriftliche Auskünfte einer Behörde keine Verwaltungsgebühren erhoben (OVG Münster U 5.12.2011 – 9 A 2184/08, juris = DVB1. 2012, 309). Benutzungsgebühren werden als Gegenleistung für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen sowie für damit in Zusammenhang stehende Leistungen gefordert (BVerwG U 25.7.2001 – 6 C 8/00, juris = BVerwGE 115, 32). Die Gebührenpflicht ist unabhängig davon, in welchem Umfang der Schuldner die Einrichtung nutzt (OVG Hamburg U 14.4.2010 – 3 Bf 147/08, juris = NVwZ-RR 2010, 718).
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Eine Ausnahme von dem Grundsatz des Absatzes 1, dass öffentlich-rechtliche Geldforderungen vollstreckt werden, enthält § 20 Abs. 3 S. 1 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz (OVG Saarlouis B 20.2.2006 – 1 W 4/06, juris = NVwZ-RR 2006, 738 noch für § 25 Abs. 4 des Schornsteinfegergesetzes). Hiernach können alle Forderungen des Bezirksschornsteinfegermeisters aus dem Kehrvertrag im Verwaltungswege beigetrieben werden (Lemke, S. 99, 100; Waldhoff, § 46 Rn. 70).
Hier ist darauf hinzuweisen, dass das Schornsteinfeger- Handwerksgesetz im Verhältnis zum Bundes-Immissionsschutzgesetz ein eigenständiges Gesetz ist. Bei den Gebühren hat deshalb § 20 Abs. 3 SchfHwG gegenüber § 52 Abs. 4 BImSchG den selbstständigen Vorrang (OVG Lüneburg B 24.11.2006 – 8 ME 152/06, juris = NVwZ-RR 2007, 96). Auf das Verhältnis des Schornsteinfegerwesens zu Bestimmungen des Immissionsschutzes weist § 22 SchfHwG hin.
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Die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen im Verwaltungswege kann auch nach Landesrecht zulässig sein. Das gilt in folgenden Bundesländern (ausführlich: Lemke, S. 95 ff.; Waldhoff, § 46 Rn. 70 ff.; Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG § 1 Rn. 23, 24):
(1) Berlin: § 9 VwVfG Berlin.
(2) Bremen: § 1 Abs. 2, § 7 BremGVG.
(3) Hamburg: § 3 Abs. 2 Nr. 2 HmbVwVG.
(4) Hessen: § 66 HessVwVG.
(5) Mecklenburg-Vorpommern: § 14 Abs. 1 S. 1 des Kommunalabgabengesetzes.
(6) Nordrhein-Westfalen: § 1 Abs. 2–4 VwVG NRW. Dazu Verordnung über die Beitreibung privatrechtlicher Geldforderungen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vom 10.3.2003 (GV.NRW. S. 170).
(7) Rheinland-Pfalz: § 71 Abs. 1 LVwVG. Siehe dazu BGH U 1.7.1987 – VIII ZR 194/86, juris = NVwZ 1988, 760.
(8) Saarland: § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 74 SVwVG.
(9) Sachsen-Anhalt: § 2 Abs. 3 VwVG LSA.
(10) Schleswig-Holstein: § 319 LVwG.
(11) Thüringen: § 42 ThürVwZVG.
Privatrechtliche Forderungen können aber nur dann im Verwaltungszwangsverfahren vollstreckt werden, wenn es eine Rechtsvorschrift zulässt. Eine solche Rechtsvorschrift kann ein Verwaltungsvollstreckungsgesetz, ein anderes Gesetz oder eine dazu erlassene Rechtsverordnung sein.
Der Staat darf allerdings seine privatrechtlichen Forderungen nur dann im Verwaltungswege vollstrecken, wenn er nicht wettbewerbswidrig gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Denn er darf nicht ohne sachlichen Grund einerseits die Vorteile des Privatrechts benutzen und andererseits im Konfliktfall auf die Härte des hoheitlichen Vollstreckungsrechts zurückgreifen. In privatrechtlicher Form können als öffentliche Aufgaben etwa wahrgenommen werden: Sozialeinrichtungen, Bibliotheken, Abfallbeseitigung, Wasserversorgung sowie die Lieferung von Elektrizität und Gas. Hier darf die staatliche Unternehmertätigkeit nicht erwerbswirtschaftlich sein. Sie muss vielmehr der Daseinsvorsorge dienen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung im Sinne von Art. 28 Abs. 2 GG (BVerwG U 20.1.2005 – 3 C 31/03, juris = BVerwGE 122, 350; BVerwG U 6.4.2005 – 8 CN 1/04, juris = BVerwGE 123, 159.
II. Zu Absatz 2
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Das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz ist im Interesse der Verwaltung erlassen worden. Es verleiht der Behörde obrigkeitliche Rechtsmacht. Sie ist die höherrangige Gläubigerin des Schuldners. Diese Rechtsmacht der Behörde muss aus rechtsstaatlichen Gründen und mit Rücksicht auf die Gewaltenteilung allerdings Grenzen haben. Deshalb sind in Absatz 2 notwendige Ausnahmen zu finden.
1. Öffentlich-rechtliche Geldforderungen des Parteistreites
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Zunächst