Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz. Eva-Maria Kremer
die durch Parteistreit vor den Verwaltungsgerichten verfolgt werden müssen. Um einen solchen handelt es sich nur dann, wenn die Verwaltungsbehörde das strittige Rechtsverhältnis nicht selbst auf Grund obrigkeitlicher Gewalt durch Verwaltungsakt regeln kann (BVerwG U 21.9.1966 – 5 C 155/65, juris Rn. 23 ff. = BVerwGE 25, 72 (77 f.)).
Der Grundsatz, dass die Vollstreckungsgewalt einer Verwaltungsbehörde ihrer Verfügungsgewalt entspricht, gilt demnach auch für öffentlich-rechtliche Geldforderungen. Parteistreitigkeiten sind also Streitigkeiten des öffentlichen Rechts zwischen gleichgeordneten selbstständigen Rechtsträgern (ausführlich: Schunck/De Clerck, § 40 S. 177 f.).
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Beispiele:
– | Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen nach § 54 S. 1 VwVfG, sofern es sich um koordinationsrechtliche Verträge handelt, bei denen kein Vertragspartner dem anderen (subordinationsrechtlich) untergeordnet ist. |
– | Streitigkeiten über Geldleistungen, bei denen die öffentlich-rechtlichen Verhältnisse von öffentlichen Sachen umstritten sind. Dabei kann es sich etwa um Streitigkeiten eines Gemeindeangehörigen mit einem anderen oder mit der Gemeindeverwaltung über die Benutzung des Gemeindevermögens einschließlich der Straßen, Flüsse, Anlagen und Einrichtungen handeln. Hier ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, wie auch sonst allgemein, aus § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO herzuleiten. |
Insoweit sagt die Regelung des Absatzes 2 ihrem Sinngehalt nach zugleich aus, dass die Behörde bei Parteistreitigkeiten einen Leistungsbescheid gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. a nicht erlassen darf. Andernfalls wäre die Bestimmung des Absatzes 2 bedeutungslos, weil dann öffentlich-rechtliche Geldforderungen ausschließlich durch Leistungsbescheid durchzusetzen wären (BVerwG U 28.6.1968 – 7 C 118/66, juris Rn. 44 ff. = NJW 1969, 809 (810)).
2. Anderer Rechtsweg als der Verwaltungsrechtsweg
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Sodann sind auch diejenigen öffentlich-rechtlichen Geldforderungen ausgenommen, für die ein anderer Rechtsweg als der Verwaltungsrechtsweg begründet ist. Die Vollstreckung dieser Geldforderungen bestimmt sich nach den Vorschriften, welche für die Vollstreckung der Titel gelten, die in dem betroffenen Verfahren erwirkt worden sind.
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Beispiele:
– | Für den Amtshaftungsanspruch auf Schadensersatz und den Rückgriff des Staates gegen den Amtsträger ist der ordentliche Rechtsweg vorgeschrieben: Art. 34 S. 3 GG. |
– | Das Gleiche gilt für vermögensrechtliche Ansprüche des Staates gegen den Bürger aus Schadensfällen bei öffentlich-rechtlicher Verwahrung: § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO. |
– | Rückständige Kammerbeiträge der Notare werden nach den Vorschriften beigetrieben, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten: § 73 Abs. 2 Bundesnotarordnung (vgl. BGH U 8.7.2002 – NotZ 25/01, juris = NJW 2002, 3026). |
– | Das Gleiche gilt für rückständige Kammerbeiträge der Rechtsanwälte: § 84 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung. |
– | Ansprüche nach Artikel VIII Abs. 5 des NATO-Truppenstatus gegenüber der Bundesrepublik Deutschland sind vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Das trifft u. a. auf die Erstattung von Kosten zu, die der Polizei bei sofortiger Abwehr einer drohenden Grundwasserverseuchung durch ausgelaufenes Öl eines ausländischen Manöverfahrzeugs entstanden sind (BGH U 27.4.1970 – III ZR 49/69, juris = BGHZ 54, 21). |
III. Zu Absatz 3
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Hier legt der Gesetzgeber klärend fest, dass die Vorschriften der Abgabenordnung, des Sozialversicherungsrechts einschließlich der Arbeitslosenversicherung und der Justizbeitreibungsordnung unberührt bleiben.
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Insoweit enthält § 66 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch X eine besondere Regelung: Für die Vollstreckung zugunsten der Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften. Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt ebenfalls das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (vgl. von Wulffen/Roos, § 66 Rn. 4 ff.). Nach Absatz 2 dieser Bestimmung gilt das auch für die Vollstreckung durch Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung. Für die Vollstreckung zugunsten der übrigen Behörden gelten gemäß § 66 Abs. 3 SGB X die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren (vgl. LG Darmstadt B 29.9.1998 – 5 T 879/98, juris L, NVwZ-RR 2001, 314).
Gemäß § 66 Abs. 4 SGB X kann die Behörde die Zwangsvollstreckung aus einem Verwaltungsakt in der Gestalt des Leistungsbescheides auch in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung vornehmen. Hierfür gelten dann die §§ 704 ff. ZPO. Die Durchführung der Zwangsvollstreckung erfordert die Vorlage der mit einer Vollstreckungsklausel nach § 725 ZPO versehenen vollstreckbaren Ausfertigung des Leistungsbescheides. Das ergibt sich aus der analogen Anwendung des § 724 Abs. 1 ZPO (BGH B 25.10.2007 – 1 ZB 19/07, juris = MDR 2008, 712).
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Über Absatz 3 hinaus bleiben aber auch, allerdings seltene, Vorschriften in Gesetzen unberührt, welche die Vollstreckung besonders regeln. So bestimmt zum Beispiel § 10 Abs. 4 des Betriebsrentengesetzes – BetrAVG –, dass die Zwangsvollstreckung aus Beitragsbescheiden in entsprechender Anwendung der Vorschriften der ZPO stattfindet. Das hat ferner für Verwaltungsakte zu gelten, die als Meldebescheide nach § 11 Abs. 2 BetrAVG zulässig und als Grundlage für den späteren Erlass des Beitragsbescheides notwendig sind (BVerwG U 22.11.1994 – 1 C 22/92, juris = BVerwGE 97, 117).
Anhang: Vergleichbares Landesrecht
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(1) Baden-Württemberg: § 1, § 13 LVwVG.
Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 gilt das Landesgesetz auch, soweit Bundesrecht oder eine völkerrechtliche Vereinbarung eine Vollstreckung im Verwaltungswege nach landesrechtlichen Vorschriften vorsieht. Die Berücksichtigung des Völkerrechts ist durch Artikel 6 des Gesetzes zur Änderung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes und des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes vom 25.4.1991 (GBl. S. 223, 225) aufgenommen worden. Das ist eine nachahmenswerte Besonderheit, der sich inzwischen Thüringen in § 18 Abs. 2 S. 1 ThürVwZVG angeschlossen hat.
Nach § 1 Abs. 2 S. 2 gilt das Landesgesetz ferner, soweit Bundesrecht die Länder ermächtigt zu bestimmen, dass die landesrechtlichen Vorschriften über die Verwaltungsvollstreckung anzuwenden sind.
(2) Bayern: Art. 18 VwZVG.
(3) Berlin: § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG Berlin verweist auf das VwVG.
(4) Brandenburg: §§ 1, 17 VwVGBbg.
Sind die Länder durch Bundesgesetz ermächtigt zu bestimmen, dass die landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren anzuwenden sind, so findet gemäß § 1 Abs. 3 die Vollstreckung nach den Vorschriften des VwVGBbg statt.
Nach § 1 Abs. 2 gelten die Bestimmungen des Landesgesetzes auch für die Vollstreckung aus solchen schriftlichen öffentlich-rechtlichen Verträgen und gesetzlich zugelassenen schriftlichen Erklärungen, in denen der Schuldner sich zu einer Geldleistung verpflichtet und der Vollstreckung im Verwaltungswege unterworfen hat.