Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
privilegiert wird.
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Ist der Eigentumserwerb an einer übergebenen Sache gescheitert (z.B. auch gutgläubiger Erwerb vom nichtberechtigt Verfügenden infolge § 935 Abs. 1), haftet der verhinderte aber nichtsahnende Erwerber als redlicher Eigenbesitzer dem wahren Eigentümer nicht auf deliktischen Schadensersatz für seinen wie auch immer gearteten Umgang mit dieser Sache (z.B. Zerstörung). Ein Ausgleich für Sachschäden vollzieht sich zwischen diesen beiden dann ausschließlich nach §§ 987 ff. und ggf. Bereicherungsrecht. Gleiches gilt für einen redlichen unrechtmäßigen Fremdbesitzer (z.B. bei nichtigem Mietvertrag der überlassenen Wohnung), sieht man von dem sog. Fremdbesitzerexzess ab (Einzelheiten s. Darstellung zum Sachenrecht in Rn. 1061).
g) Sonstige Rechte
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Als Schutzgut nennt § 823 Abs. 1 neben dem Eigentum noch „ein sonstiges Recht“, das eigentumsähnlich sein muss (§ 823 Abs. 1 schützt als „Recht“ nur das Eigentum, die übrigen Schutzgüter sind Rechts- oder Lebensgüter, keine Rechte; sollte das sonstige Recht ein beliebiges und ggf. auch schuldrechtliches Forderungsrecht sein, wäre die Aufzählung des Eigentums entbehrlich gewesen); Forderungen und das Vermögen als solches sind damit nicht durch § 823 Abs. 1 geschützt.
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Anerkannt sind insb. die beschränkt dinglichen Rechte einschließlich der Grundpfandrechte, Anwartschaften des Vorbehaltskäufers[83], Immaterialgüterrechte und Mitgliedschaftsrechte etwa an Kapitalgesellschaften, das Besitzrecht des Mieters sowie einzelne Familienrechte, etwa das Recht der elterlichen Sorge (§§ 1626, 1632) oder der sog. räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe (nicht der Ehebruch als solcher gibt deliktische Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche,[84] wohl aber die Aufnahme des Dritten in die Ehewohnung). Sonstige Rechte sind ferner gesetzlich anerkannte Ausprägungen des Persönlichkeitsrechts wie das Namensrecht (§ 12 BGB), die Firma (§ 17 HGB), das Markenrecht (§§ 5, 15 MarkenG), das Recht am eigenen Bild (§§ 22 ff. KUG) und das Urheberpersönlichkeitsrecht (§§ 12 ff. UrhRG), schließlich das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
h) Insb.: Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
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Der Gewerbebetrieb ist eine Gesamtheit von Sachen und Rechten, dessen Wert über die Summe der Sachwerte regelmäßig hinausgeht und durch Chancen und Risiken am Markt bestimmt wird. Als solcher genießt er den Schutz der Art. 12, 14 GG. Der Abwehr von Eingriffen dienen zuerst die wettbewerbsrechtliche Generalklausel in § 3 UWG sowie weitere Spezialtatbestände in § 4 Nr. 8 und § 9 UWG, § 33 GWB. Gegen Kreditgefährdung durch unwahre Tatsachenbehauptungen schützt § 824, gegen jede vorsätzliche sittenwidrige Schädigung § 826; soweit besondere Schutzgesetze verletzt werden auch § 823 Abs. 2. Das „sonstige Recht“ am Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1) hat hierzu nur subsidiären Auffangcharakter.
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Das gilt erst recht gegenüber (echten) Eigentumsverletzungen an Betriebsmitteln. Eine solche kann auch ohne direkten Eingriff in die Substanz erfolgen, wenn durch rechtswidriges Handeln (mittelbar) die Sachsubstanz oder ihre Benutzbarkeit beeinträchtigt wird und die verletzte Verhaltensnorm jedenfalls auch gerade diesem Schutz dient. So z.B. die Störung der betrieblichen Stromzufuhr hinsichtlich des Verderbens zu bebrütender Eier oder zu kühlender Lebensmittel, soweit diese darauf beruht. Keine Eigentumsverletzung des Betriebsgrundstücks liegt mangels Zurechnungszusammenhangs aber in der Verursachung einer Verkehrsstauung durch einen Unfall auf einer Zufahrtsstraße.
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Das subsidiäre Recht am Gewerbebetrieb schützt sodann die Vermögensgesamtheit von Unternehmen (nicht einzelne Bestandteile) gegen betriebsbezogene Eingriffe. Solche sind (nur) tatbestandlich, wenn sie sich gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und nicht lediglich vom Gewerbebetrieb ohne Weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen.[85]
Beispiele:
Verletzungen einzelner Belegschaftsmitglieder oder Betriebsmittel sind nur dann spezifisch, wenn gerade durch deren Funktion der Betrieb als Ganzes beeinträchtigt wird. Hierzu haben sich Fallgruppen herausgebildet: schädigende Werturteile, Boykotte und Blockaden, etwa durch rechtswidrige Streiks. Besondere Bedeutung hat die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung: Jemand behauptet die Verletzung eines ihm zustehenden Schutzrechts an geistigem Eigentum und veranlasst dadurch eine Produktionsstillegung, wobei sich später herausstellt, dass das Patent, Geschmacksmuster etc. tatsächlich gar nicht verletzt war (keine Erstreckung dieser Fallgruppe auf unberechtigte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsbegehren).[86]
Betriebsbezogene Eingriffe können auch in der Veröffentlichung negativer Testurteile von Produkttestern liegen, welche aber jedenfalls dann nicht rechtswidrig sind, wenn die Untersuchung neutral, objektiv und sachkundig erfolgt ist (bei unwahren Tatsachenbehauptungen, nicht aber bei Werturteilen, gilt vorrangig § 824).
Ist die Zuwegung zu einem Werk (z.B. einer Mühle) in Folge des Verschuldens eines Wegeunterhaltspflichtigen nicht nutzbar (Leerlaufen eines Flussarms – sog. Fleet),[87] so ist das dadurch bedingte „Aussperren“ der (Wasser-)Fahrzeuge eines dorthin beliefernden Transportunternehmers kein Eingriff in dessen Fuhrbetrieb (hinsichtlich der dadurch ausgesperrten Fahrzeuge liegt ebenfalls keine Eigentumsverletzung vor, wohl aber hinsichtlich etwaiger Eingesperrter, weil Letztere jeglicher Gebrauchsmöglichkeit entbehren). In den Werksbetrieb, also im Beispiel die zu beliefernde Mühle, wird durch Verletzung der Wegeunterhaltspflicht jedoch betriebsbezogen eingegriffen.
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Die Rechtswidrigkeit betriebsbezogener Eingriffe wird durch sie nicht bereits indiziert, sondern muss durch Abwägung der widerstreitenden Interessen besonders begründet werden (der Unternehmensschutz ist gegenüber den expliziten Schutzgütern des § 823 Abs. 1 nicht als konkrete Verhaltenspflicht gesetzlich im Detail festgelegt).
i) Insb.: Allgemeines Persönlichkeitsrecht
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Neben seinen speziellen Ausprägungen im Namensrecht und dem Recht am eigenen Bild hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht insb. für den Schutz der Ehre einer Person, aber auch als Unternehmerpersönlichkeitsrecht[88] Bedeutung als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1. Vorrangig sind jedoch auch hier spezielle Schutzgesetze des StGB im Rahmen des § 823 Abs. 2 sowie §§ 824, 826 zu beachten.
Bei natürlichen Personen wird sodann begrifflich zwischen der Intim-, Privat- und Individualsphäre unterschieden, wobei erstere die innere Gefühls- und Gedankenwelt umfasst, die Privatsphäre vornehmlich den familiär-häuslichen Bereich, Letztere das öffentliche, berufliche etc. Wirken der Person. Geschützt sind alle drei Sphären (bei juristischen Personen nur die Individualsphäre), wobei ein abgestuftes Schutzkonzept hinsichtlich der Rechtswidrigkeit entwickelt wurde, insb. hinsichtlich der Veröffentlichungen über Personen der Zeitgeschichte. Dabei bedürfen insb. Bildberichterstattungen über das Privatleben Prominenter einer besonders sensiblen Interessenabwägung. Bei Wortberichterstattungen jedenfalls über wahre Tatsachen ist der Schutz der Privatsphäre durch legitime öffentliche Interessen bereits deutlich eingeschränkt. Nur begrenzt zulässig sind dagegen Verdachtsberichterstattungen und die ungeprüfte Weitergabe von Berichten Anderer, während unwahre Tatsachenberichte stets rechtswidrig sind.
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