Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
die AGB-Kontrolle (vgl. §§ 310 Abs. 1, 307 BGB) und im Einzelfall über § 138 BGB und § 242 BGB in äußersten Grenzen sicherzustellen.
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Das Entgelt, das der Franchisegeber erhält, ist so variantenreich wie seine beizustellenden Leistungen. Regelmäßig wird der Know-how Transfer und die Befugnis zur Markenführung durch einen vom Franchisenehmer abzuführenden Prozentsatz vom Umsatz entgolten. Hinzukommen jedoch Gewinnanteile aus der Preiskalkulation für Wareneinkaufspflichten des Franchisenehmers und seine Verpflichtung zur Inanspruchnahme von (Management-)Dienstleistungen etc., welche entweder direkt gegenüber dem Franchisegeber bestehen oder zumeist gegenüber (abhängigen) Beteiligungsgesellschaften des Franchisegebers. Schließlich erfolgt vielfach auch eine Weiterbelastung zentraler Kosten etwa für Werbung in Form einer pauschalisierten Umlage auf die Franchisenehmer.
d) Analoge Anwendung von Handelsvertreterrecht
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Weder das Vertragshändlerverhältnis, noch dasjenige mit Kommissionsagenten oder Franchisenehmern erfüllt die besonderen Voraussetzungen des Schutzes aus den Treuverpflichtungen nach den §§ 84 ff. HGB. Vergleichbar besteht in allen Fällen jedoch eine ständige Betrauung mit dem Absatz von Waren und Dienstleistungen für den Prinzipal (anders beim Kommissionär, der nach dem Vorstellungsbild der §§ 383 f. HGB nur von Fall zu Fall tätig wird, aber dessen unbeschadet auch in einer ständigen Absatzbeziehung zum Kommittenten stehen und dann zur terminologischen Abgrenzung als Kommissionsagent bezeichnet werden kann). Unterschiede bestehen zuerst im Handeln in eigenem oder fremdem Namen.
Unmittelbar aus dem hier allen gemeinsamen Geschäftsbesorgungsverhältnis (vgl. § 675 Abs. 1 BGB) folgen die als Konkretisierung der Interessenwahrungs- und Informationspflichten bzw. Weisungsrechten (vgl. §§ 665 f. BGB) vertypten Unterstützungspflichten (vgl. § 86a HGB) und Verschwiegenheitspflichten (vgl. § 90 HGB). Aus dem Dauerschuldcharakter des in der ständigen Betrauung liegenden Dienstleistungsverhältnisses folgt ohne Weiteres die in § 86 HGB etwa konkretisierte Tätigkeitsverpflichtung ebenso wie die daraus folgende Schutzbedürftigkeit hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote (vgl. § 90a HGB). Die Regelungen dieser Vorschriften gelten deshalb in allen diesen Fällen gleichermaßen.
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Eine Analogie zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB ist dagegen umstritten, weil infolge unterschiedlichen Verständnisses seiner Voraussetzungen und seines Schutzguts eine Vergleichbarkeit mit den Umständen der anderen Rechtsverhältnisse unterschiedlich beurteilt werden kann.[201] Das betrifft zum einen die durch die sog. Sogwirkung einer Marke gewonnenen Kunden, welche den ausgleichspflichtigen, nämlich vom Geschäftsbesorger aktiv geworbenen Kunden gegenübergestellt werden; zum anderen die Frage, ob die nach Beendigung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses für die Ausgleichspflicht notwendigerweise erforderliche Ziehung weiteren Vorteils aus diesem Kundenkreis durch den Geschäftsherrn eine rechtliche oder wenigstens tatsächliche Übertragung des Kundenstamms erfordert; hier sind die gesetzlichen Formulierungen noch stark von der Vorstellung eines Handlungsreisenden mit eigener Kundendatei geleitet. Je weitergehender Letzterer nur als historische Versinnbildlichung jeden Vertriebs verstanden wird und je mehr die konkrete Vertriebspräsenz, letztlich also auch die zufällige Abschlussgelegenheit für die Kaufentscheidung für maßgeblich erachtet wird, bieten sich Anhaltspunkte für vergleichbare Interessenlagen und damit die analoge Anwendung.
Einzelheiten sind umstritten, und es findet sich eine vielfältige, eher kasuistische Rechtsprechung. Vereinheitlichende Aussagen werden zudem erschwert durch die Vielgestaltigkeit der Vertragshändler- und Franchiseverhältnisse, die als Begrifflichkeiten der Betriebspraxis schwerlich mit generalisierten Rechtsfolgen verbunden werden können. Soweit etwa der Automobilvertrieb einzelner Marken vorwiegend über eigene Niederlassungen und im Übrigen Handelsvertreter, der Vertrieb anderer Marken über eigene Niederlassungen und Vertragshändler kombiniert wird, ohne dass dies bei den Autohäusern erkennbare operative Unterschiede zeitigen würde, wäre eine diametral gegensätzliche Handhabung des Ausgleichsanspruchs in dieser Branche nur schwer einzusehen.
Das Franchising, das aufgrund ausschließlicher Herausstellung der gemeinsamen Marke Anlass zur Diskussion über die Zurechnung der von den Franchisees geschlossenen Verträge zum Franchisor geben kann und bejahendenfalls damit zum Handelsvertretersystem würde, charakterisiert umgekehrt eine strikte Vermeidungsstrategie im Hinblick auf Abfindungsansprüche nach § 89b HGB. Insb. das vereinheitlichte Erscheinungsbild aller Franchisenehmer unter dem überall identischen Handelsnamen der Kette und die Zentralisierung der Werbung beim Franchisegeber führen dazu, dass Kunden verstärkt durch die sog. Sogwirkung der Marke gewonnen werden, was die Franchisenehmer durch die pauschalisierte Umlage der Kosten des Marketings sogar noch selbst finanzieren. Eine entsprechende Anwendung des Ausgleichsanspruchs muss zumindest in den Fällen bejaht werden, in denen Franchisenehmer und ebenso etwa Vertragshändler eine Kundendatei führen und die Daten daraus dem Franchisegeber zugänglich machen müssen, sei es während oder erst mit Beendigung der Vertriebsbeziehung.[202] Je geringer aber der Umfang des individuellen Service und des persönlichen Vertrauensverhältnisses des Kunden zu einem konkreten Franchisenehmer ist, desto weniger wird der Kundenstamm des Einzelnen seinen Geschäftsbemühungen zuzurechnen sein. Etwa bei bekannten Hotel- oder Restaurantketten liegt der Geschäftserfolg des Franchisenehmers wesentlich im Erkennen und in der Nutzung vorhandener örtlicher Publikumsströme der markentypischen Zielgruppe. Er beutet die Möglichkeiten der Lizenz damit sinnvoll aus, schafft aber selbst keinen bleibenden Mehrwert. Diese Situation ist mit der des Handelsvertreters nicht vergleichbar, sondern erschöpft sich insoweit in der Rechtspacht.[203]
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › F. Aufnahmeverhältnisse
F. Aufnahmeverhältnisse
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › F. Aufnahmeverhältnisse › I. Verwahrung
I. Verwahrung
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Das Verwahrungsverhältnis hat eine äußere Ähnlichkeit mit Miete und Leihe, in dem gleichermaßen eine Sache in fremden Gewahrsam übergeben wird. Hieraus folgen stets Obhutspflichten. Bei Miete und Leihe erfolgt die Übergabe jedoch im Interesse des Gebrauchs des überlassenen Objekts, wofür der Übernehmer ein Entgelt bezahlt, die Obhut ist dort nur Nebenpflicht.
Bei den Verwahrungsverhältnissen liegt das eigentliche Leistungsinteresse beim Überlasser der Sache, und zwar gerade in der Obhut über diese, hier als Hauptpflicht. Demgemäß zahlt er als „Hinterleger“ eine „Verwahrungsgebühr“ oder ein Lagergeld für die sichere und pflegliche Verwahrung. Schuldinhalt des Verwahrungsverhältnisses ist nach § 688 die Obhut, die sich nicht allein in der Unterbringung der Sache erschöpft; vielmehr gehört auch die notwendige sichernde und schützende Tätigkeit des Verwahrers dazu. Wie weit dieses im Einzelfall geht, ist abhängig vom Gegenstand und den Umständen und durch Vertragsauslegung zu ermitteln.
Beispiele:
Das Einstellen von Pferden in Boxen eines Reiterhofs ist Verwahrung und nicht nur Miete, wenn zumindest auch das Misten, Tränken und Füttern geschuldet wird; bloßes Weiden kann pachtähnlichen Charakter haben. Sind Bewegen, Putzen, Hege und Pflege eines zu betreuenden Pensionstiers vereinbart, spricht das für Verwahrung. Die Verwahrung von Pelzbekleidung während des Sommers bei einem Kürschner wird regelmäßig auch Pflege und Instandhaltung umfassen.
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Obhut bedeutet die Übernahme der Verantwortung für eine Sache, die dazu dergestalt übergeben werden muss, dass der Hinterleger seine Sachherrschaft ganz aufgibt.