Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Öffentlich-rechtliche Prägung des Medizinrechts
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Auch wenn das (zivilrechtliche) Arzthaftungsrecht faktisch und von der Zahl der dort Tätigen sicherlich einen prominenten Platz im Medizinrecht einnimmt, muss man zunächst konstatieren, dass Medizinrecht in erster Linie öffentliches Recht im weitesten Sinne ist. Für viele Mandate im Medizinrecht, seien sie im Krankenhausbereich, dem Vertragsarztrecht, dem Berufsrecht, dem Arzneimittel-, Medizinprodukte- und Apothekenrecht angesiedelt, ist ein Verständnis öffentlich-rechtlicher Normengefüge und öffentlich-rechtlicher Regelungsinstrumente unverzichtbar. Dies gilt erst recht, wenn man diesen Teil des Medizinrechts als Wirtschaftsverwaltungsrecht begreift. Dies gilt selbst für das Strafrecht im Medizinrecht, wenn man einmal den kleinen Bereich der Körperverletzungs- und Delikte gegen das Leben verlässt, z.B. beim Abrechnungsbetrug, der Korruption und der Untreue in Zusammenhang mit Vermögensverschiebungen im Gesundheitswesen. Eine Sonderstellung nimmt das Gesellschaftsrecht im Medizinrecht ein, das bislang überwiegend das Recht der Personengesellschaft betrifft. Die in diesem Bereich anzutreffende hochkomplexe Mischung von Gesellschaftsrecht, modifiziert durch Berufs- und Vertragsarztrecht, überfordert manchen originären Gesellschaftsrechtler, muss aber vom medizinrechtlichen Gesellschaftsrechtler beherrscht werden. Dies gilt auch für zum Teil hoch komplexe Vertragsmodelle der in den letzten Jahren stark zugenommenen Aktivitäten von Investoren aus dem In- und Ausland, die das deutsche Gesundheitswesen als sehr attraktives Betätigungsfeld erkannt haben und mit zum Teil sehr kreativen Modellen Wertschöpfung betreiben.
2. Kapitel Das medizinrechtliche Mandat › B. Medizinrecht als Querschnittsfach › II. Medizinrecht und gesellschaftspolitische Strömungen
II. Medizinrecht und gesellschaftspolitische Strömungen
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Medizinrechtliche Fragestellungen haben nicht selten ihren Ursprung in Entwicklungen im Gesundheitswesen, die nicht immer sachlich motiviert sind, sondern oftmals politisch-ideologisch überlagert werden. Der Medizinrechtler darf davor nicht die Augen verschließen oder aus Sympathie für dieses oder jenes politische Lager die notwendige Analyse mental ausblenden. Vielmehr hat er im Interesse seines Mandanten in der jeweiligen Situation die bestmögliche Lösung anzustreben, dabei immer bedenkend, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen angesichts der Sprunghaftigkeit der politischen Akteure im Gesundheitswesen noch während der laufenden Mandatsbearbeitung ändern können. Denn ähnlich wie im Steuerrecht gefällt sich die Exekutive und ihr nur noch blind folgend letztlich auch der Gesetzgeber darin, in Drei-Jahres-Zyklen jeweils Jahrhundertreformen zu verabschieden, die die Vertragspartner und Handelnden im Bereich der untergesetzlichen Normen und Verträge nicht minder fleißig werden lassen. Mit anderen Worten: wer in diesen Gebieten Mandate bearbeitet, muss die Entwicklung sehr zeitnah verfolgen. Die bloße Lektüre der einschlägigen juristischen Fachzeitschriften genügt schon lange nicht mehr.
2. Kapitel Das medizinrechtliche Mandat › C. Informationen
C. Informationen
2. Kapitel Das medizinrechtliche Mandat › C. Informationen › I. Printmedien und Organisationen
I. Printmedien und Organisationen
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Gut ist es, wenn man Zugang zu den Printmedien der jeweiligen Spitzenorganisationen wie DKG, Bundesärztekammer, KBV (Deutsches Ärzteblatt für BÄK und KBV) oder auch der Apothekerorganisationen hat. Das Internet ist auch hier mittlerweile zur Informationsbeschaffung nicht mehr wegzudenken. Es ist nicht verkehrt, die Homepages der Spitzenorganisationen, in deren Zuständigkeitsbereich man Mandate bearbeitet, regelmäßig zu besuchen. Als klientelbezogene Tageszeitung hilfreich, aber nicht zwingend ist der Bezug der Ärzte-Zeitung, weil man dort einen guten Überblick über die Strömungen und Akteure im Gesundheitswesen bekommt. Wer Gefallen daran bekommt und im Übrigen charakterlich stabil ist, kann hin und wieder auch einen Blick in die ärztliche yellow press oder einschlägige Internetauftritte wagen, er sollte sich nur nicht zu sehr von dem Gelesenen prägen lassen. Ebenfalls weniger verlässlich, jedenfalls für den sorgfältigen Juristen, sind etliche kommerzielle Internetportale im Gesundheitswesen. Manchmal gewinnt man dort den Eindruck, dass Qualitätssicherung nicht jedermanns Sache ist.
2. Kapitel Das medizinrechtliche Mandat › C. Informationen › II. Informationsbörsen
II. Informationsbörsen
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Für manche Gebiete des Medizinrechts sind Foren (immer mehr auch im Internet) unverzichtbar. Damit sind z.B. im Arzthaftungsrecht Selbsthilfegruppen Betroffener oder auch „Informationsbörsen“ von Entscheidungsträgern gemeint. Ist man hingegen mehr oder ausschließlich auf Seiten der Leistungsträger tätig, wird ein Kontakt zu deren Berufsorganisationen hilfreich sein. Daneben haben sich „Anwalts-Foren“ der unterschiedlichsten Couleur gebildet. Wer z.B. Arzthaftungsrecht eher auf Patientenseite betreibt, wird die Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft der Rechtsanwälte im Medizinrecht mit Gewinn besuchen. Die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV als das zahlenmäßig größte Forum im Medizinrecht vertritt hingegen alle Spezialgebiete des Medizinrechts. Die in der Regel zwei Jahrestagungen bieten einen guten Überblick über aktuelle Entwicklungen im Medizinrecht. Ähnliches gilt für die gesundheitsrechtlichen Jahrestagungen des DAI sowie die Jahrestagungen der medizinrechtlichen Institute an den Universitäten in Düsseldorf, Bremen und Köln, die Forschungsstelle für Pharmarecht an der Universität Marburg oder auch die Forschungsstelle für Medizinprodukte und eHealth an der Universität Augsburg. Zahlreiche andere Universitäten bereichern die Szene, bspw. Heidelberg, Mannheim und die Bucerius Law School in Hamburg. Weiter zu nennen sind die Berliner Gespräche im Gesundheitswesen, die Thementagungen der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht oder auch die entsprechenden Symposien der Kaiserin-Friedrich-Stiftung. Wer im Vertragsarztrecht tätig ist, wird versuchen, die Tagungen der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht nicht zu versäumen. Daneben gibt es die jeweiligen Jahreskongresse der Krankenhausgesellschaften, der unterschiedlichen Verbände der pharmazeutischen Industrie oder der Apotheker, wo man durchaus interessante Kontakte knüpfen kann, auch wenn sich das nicht immer und sofort in konkreten Mandaten niederschlägt. Insgesamt muss man sagen, dass der Fortbildungsaufwand im Medizinrecht sowohl in mentaler wie manchmal auch finanzieller Hinsicht immens ist.
2. Kapitel Das medizinrechtliche Mandat › D. Mandantentypologie im Medizinrecht
D. Mandantentypologie im Medizinrecht
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Wer im Arzthaftungsrecht Mandate auf Patientenseite betreut, wird oftmals den Leidensdruck, manchmal aber auch das Anspruchsdenken in juristische Begrifflichkeiten übersetzen müssen. Ein nicht geringer Teil dieser (anwaltlichen) Tätigkeit ist dabei eher psychologischer oder auch einfühlsamer Natur. Kommt die Mandantschaft nicht zum Ziel, weil oftmals die Kausalitätsfrage ungeklärt bleibt, ist es eine unverzichtbare Aufgabe des Haftungsrechtlers, ihr dies zu vermitteln und ggf. auch zu trösten, um möglichen (weiteren) Verletzungen vorzubeugen. Der Haftungsrechtler auf Arzt- und Krankenhausseite hat zunächst den Vorteil der (manchmal vermeintlich) besseren Sachkunde der Mandantschaft. Die ihm dargestellte Expertise sollte er jedoch nicht blind übernehmen, weil manche Mandanten aus diesem Sektor (fälschlicherweise)