DS-GVO/BDSG. David Klein
als dass durch die Anwendbarkeit von Art. 9 eine Rechtfertigung der Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f ausgeschlossen wäre (dazu bereits Rn. 21). Als Alternative ist hinsichtlich einer Rechtfertigung auch an lit. e zu denken, indem die Nutzer durch ihr Surfverhalten die Daten öffentlich gemacht haben. Fraglich ist dabei gleichwohl, ob Nutzer auch solche Daten offensichtlich öffentlich gemacht haben, von deren Erhebung sie mangels hinreichender Transparenz keine Kenntnis besitzen (dazu Rn. 167).
c) Religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen
48
Die dritte Kategorie des Art. 9 Abs. 1 bilden Daten, aus denen die religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen des Betroffenen hervorgehen.
49
Wie bereits oben erwähnt (vgl. Rn. 12), geht die Ersetzung des Begriffs der philosophischen Überzeugung durch die weltanschaulichen Überzeugungen zurück auf die Initiative des Parlaments.
Inhaltliche Unterschiede folgen daraus nicht.[105]
50
Religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zeichnen sich durch ein subjektives gedankliches Konstrukt aus, dass sich etwa mit Fragen des Sinngehalts des Lebens und der Welt beschäftigt.[106]
Die Datenkategorie schützt also sowohl das „Haben“ eines Glaubens oder einer weltanschaulichen Überzeugung als auch das dementsprechende Handeln.[107] Folglich dient sie sowohl der Stärkung des Diskriminierungsverbots (Art. 21 GRCh, Art. 3 Abs. 3 GG) als auch dem Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 10 GRCh, Art. 4 GG).[108]
51
Die Datenkategorie des Art. 9 Abs. 1 erfasst folglich Verarbeitungen von personenbezogenen Daten, aus denen sich religiöse Einstellungen oder die äußere Betätigung des Glaubens oder Bekenntnisses ergeben. Im Rahmen der weltanschaulichen Überzeugungen fehlt freilich das transzendente Element.[109]
52
Es kann hinsichtlich religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen zu Überschneidungen mit dem Begriff der politischen Meinungen kommen, da eine trennscharfe Abgrenzung unter Umständen nicht oder nur schwer gelingt. Als Leitlinie lässt sich dabei zur Abgrenzung festhalten, dass sich politische Meinungen oftmals auf tagespolitische oder einzelne Fragestellungen oder handelnde Personen beziehen und daher eine gewisse Konkretisierung aufweisen, während religiösen oder weltanschauliche Überzeugen oftmals eine gewisse Generalisierung innewohnt.[110]
53
In der Praxis ist dabei indes zu berücksichtigen, dass sich hinsichtlich der Rechtsfolgen keinerlei Unterschiede ergeben, ob eine bestimmte Haltung nun als politische Meinung oder religiöse bzw. weltanschauliche Überzeugung zu qualifizieren ist, da beide Datenkategorien in Art. 9 Abs. 1 gleich behandelt werden.
54
Die Schutzkategorie der religiösen Überzeugung erfasst so etwa die Konfessionszugehörigkeit oder die Mitgliedschaft in religiösen Vereinigungen.[111] Das Tragen von eindeutig der Ausübung der Religion dienender Bekleidung (z.B. Kopftuch) unterfällt ebenfalls Art. 9 Abs. 1.[112] Die steuerrechtliche Erhebung von Daten, etwa im Rahmen der Mitgliedschaft in einer Kirche, wird von Art. 9 Abs. 1 jedoch nicht erfasst, denn insoweit verweisen Art. 4 Nr. 9. S. 2 sowie ErwG 31 auf die spezielleren Datenschutzvorschriften des Steuerrechts.[113]
55
Da der Begriff der weltanschaulichen Überzeugung die Gesamtheit der persönlichen Wertungen und Sichtweisen erfasst, wird teilweise[114] einschränkend gefordert, dass bloße Einstellungen wie „Vegetarier“ oder „Pazifist“ aus dem Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 ausgeklammert werden. Gleichwohl folgt Art. 9 Abs. 1 dem Ziel der Gewährung eines hohen Datenschutzniveaus, weshalb sich pauschale Bereichsausnahmen verbieten und vielmehr eine kontextbezogene Betrachtungsweise darüber entscheidet, ob ein Schutz der personenbezogenen Daten über Art. 9 Abs. 1 gewährt wird.[115] Demgegenüber sind als Beispiele für Weltanschauungen etwa Kommunismus oder Pazifismus (die ebenfalls unter den Begriff der politischen Meinung fallen) oder die Mitgliedschaft in einer Umwelt- oder Tierschutzorganisation zu nennen.[116]
56
Hinsichtlich religionsunabhängiger Daten wie etwa dem Namen oder Wohnort verneinen manche[117] die hinreichende Wahrscheinlichkeit daraus eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung abzuleiten, während andere[118] – wie hier vertreten – eine kontextbezogene Einzelfallbetrachtung befürworten.
d) Gewerkschaftszugehörigkeit
57
Der Katalog des Art. 9 Abs. 1 verbietet darüber hinaus die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, aus denen sich die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft ergibt.
Gewerkschaften sind Organisationen von Arbeitnehmern mit dem Recht, Tarifverträge auszuhandeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive Maßnahmen (insbesondere Arbeitskampfmaßnahmen wie etwa Streiks) zu ergreifen, vgl. Art. 28 GRCh.
58
Grundsätzlich sind von dem Verarbeitungsverbot alle Daten erfasst, die einen Rückschluss auf eine Gewerkschaftszugehörigkeit ermöglichen. So ist etwa die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, der Bezug einer Mitgliederzeitschrift oder die Vergabe von Wohnungen an Gewerkschaftsangehörige erfasst.[119]
59
Die Datenkategorie dient somit dem Schutz der Koalitionsfreiheit aus Art. 28 GRCh, Art. 9 GG. Das besondere Verarbeitungsverbot soll darüber hinaus insbesondere gegen eine mögliche Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt Schutz bieten.[120]
60
Die Größe und Mitgliederstärke der Gewerkschaft sowie die politische oder konfessionelle Ausrichtung der Gewerkschaft sind dementsprechend unerheblich.[121]
e) Genetische, biometrische oder Gesundheitsdaten
61
Art. 9 Abs. 1 untersagt die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten und Gesundheitsdaten.
aa) Genetische Daten
62
Art. 9 Abs. 1 nennt dabei zunächst die Datenkategorie der genetischen Daten.
63
Genetische Daten