Gesundheitsförderung für Lehrpersonen und Schulleitungen. Departement Bildung, Kultur und Sport Aargau
Ehepartner oder durch eine Beförderung vom Lehrer zum Schulleiter, verlangen auch Anpassungen bzw. Neudefinition der Leitbilder. Andererseits kann die Neujustierung eines Leitbilds zur Veränderung bisherigen Rollenverhaltens oder zur Übernahme neuer Rollen führen, z. B. wenn ein erfolgreicher Investmentbanker aussteigt, weil ihm seine finanziellen Aktionen fragwürdig werden.
Irritierend finden wir es allerdings, wenn Menschen ihre Leitbilder ständig wechseln oder inkonsistent damit umgehen; dies beeinträchtigt die Verlässlichkeit und das Vertrauen.
2.5 Kooperative Klärung von Leitbildern
Seinen eigenen Leitbildern kann man in Ansätzen durch Nachdenken auf die Spur kommen. Es gibt dazu aber auch diagnostische Instrumente zur Selbsterkundung, z. B. informelle, teilweise auch objektivierte und standardisierte Fragebogen – sofern man sich selbst gegenüber ehrlich ist. Hilfreicher noch scheint die Auseinandersetzung mit anderen Personen, »kritischen Freunden«, die als Spiegel dienen können, ungewohnte Perspektiven aufzeigen, auf blinde Flecken aufmerksam machen, Selbstverständlichkeiten infrage stellen (siehe Kapitel 3 »Spiegelkabinett – Wer bin ich, wer kann ich sein und woher weiß ich das?« und Kapitel 4 »Teamarbeit zwischen Belastung und Bereicherung«).
Das Lernarrangement KESS z. B., die »Kooperative Entwicklungsarbeit zur Stärkung der Selbststeuerung« von Bernhard Sieland (Sieland & Heyse, 2010) bietet Anleitungen dafür, wie man in solchen »Entwicklungsteams« Klarheit über sich selbst und seine Ziele erhalten und sich gemeinsam auf neue Wege und Ziele einlassen kann.
2.6 Leitbild und Gesundheit
Die Auseinandersetzung mit seinen eigenen Leitbildern ist auch unter dem Gesichtspunkt der Gesunderhaltung angezeigt.
Psychische Gesundheit kann als lebenslange Aufgabe verstanden werden (Heyse, 2011), immer wieder ein Gleichgewicht herzustellen zwischen
■seinen beruflichen und privaten Aufgaben, externen Erwartungen, Anforderungen und Belastungen, also dem SOLLEN,
■seinen Zielen, Ansprüchen, subjektiven Theorien, Qualitätsmaßstäben, Erwartungen, also seinem WOLLEN und
■seinem KÖNNEN, d. h. seinen kognitiven, emotionalen, sozialen und personalen Ressourcen, Fähigkeiten und Kenntnissen.
Unter dem Gesundheitsaspekt nimmt das WOLLEN eine besondere Stellung ein. Leitbilder manifestieren sich in unseren Zielen, Ansprüchen, subjektiven Theorien, Qualitätsmaßstäben, Wertvorstellungen. Unser WOLLEN (bzw. Nicht WOLLEN) definiert im Verhältnis zum KÖNNEN und SOLLEN, was wir als Herausforderung, Bewährung, Erfolg, Beglückung und Zufriedenheit erleben oder als Scheitern, Hindernis, Versagen, Fehler, Beeinträchtigung und Überforderung betrachten. Dabei kann ein leichtes Übergewicht des WOLLENs Ansporn für die eigene Weiterentwicklung sein, damit man nicht selbstgenügsam und das Leben langweilig wird. Wer sich jedoch immer wieder mit selbst gesetzten oder fremd bestimmten Zielen, die er durch eigenes Handeln auch nicht annähernd erreichen kann, überfordert, riskiert permanente Versagenserlebnisse mit der Folge der Resignation und der Gefahr von Depressionen. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen sogenannten inneren Antreibern. Darunter versteht man als Leitbilder wirksame Lebensmaximen, die wir im Lauf unserer Sozialisation erwerben, etwa: »Du bist nur was, wenn du was leistest«, »Mach es allen recht« oder »Du musst immer Sieger sein, lass dir nichts gefallen«. Andernfalls sind diese Imperative ein sicherer Weg, aus einem Leitbild ein Leidbild werden zu lassen.
Dieses Modul soll Sie anregen, sich mit Ihren Leitbildern auseinanderzusetzen, gleichsam wie in einem Leitbilder-Buch zu blättern. Jede dieser Fragen ist es wert, darüber zu reflektieren – am besten mit einem kritischen Freund. Denn wer sich seine Leitbilder nicht hin und wieder bewusst macht und ggf. anpasst, wird aus dem Rahmen fallen.
Meine Lebensleitbilder
■Woran orientieren Sie sich in Ihrem Handeln, Denken und Fühlen? Was sind Ihre ethischen und moralischen Wertvorstellungen? Was sind Ihre inneren Antreiber?
■Welche Rollen spielen für Sie Vorbilder, Verhaltenstypen, bestimmtes Modellverhalten?
■Wie möchten Sie Ihre beruflichen und privaten Rollen, Anforderungen, Aufgaben, Problemlagen, Krisen usw. angehen und bewältigen? Was möchten Sie gern – und was auf keinen Fall – erreichen?
■Wie gehen Sie mit sich widerprechenden Rollenleitbildern um? Wie lösen Sie Rollenkonflikte?
■Wie verhält es sich mit Ihrem KÖNNEN – WOLLEN – SOLLEN? Wie passen Ziele und Aufgaben mit den verfügbaren Ressourcen zusammen? Auf welche Ressourcen können Sie zurückgreifen?
■In welcher Art und Weise möchten Sie mit Anvertrauten, Abhängigen, Freunden, Gegnern etc. umgehen? Wie möchten Sie mit Ansehen, Macht und Autonomie umgehen?
■Was sind Ihre Ansprüche an Ihre Rollenpartnerin oder Ihren -partner, was erwarten Sie von ihnen? Wie vertragen sich Ihre Leitbilder mit denen der Partnerinnen und Partner? Wo ist Ihre Toleranzschwelle gegenüber
anderen Leitbildern?
■Wie möchten Sie von anderen gesehen werden?
■Sind Sie daran interessiert, Ihre Handlungen, Haltungen, Denkkategorien etc. zu evaluieren, Feedback dazu zu erhalten? Wie entwickeln Sie Ihre Orientierungsmuster weiter? Welchen Einfluss haben Veränderungen, Verluste, Zugewinne, Hindernisse bei Ihnen selbst und/oder in Ihrem Umfeld auf Ihre Vorstellungen von gelingendem Leben?
■Aber auch: Welche Erwartungen haben Sie an das Leben, an den Tod?
Meine Berufsleitbilder
■Wieso bin ich Lehrerin oder Lehrer geworden? Von welchem Leitbild, erlebten Vorbild, Modell – auch Gegenmodell – war/bin ich beeinflusst?
■Welches Bild habe ich von einer guten Lehrerin und einem guten Lehrer? Von der Schule, dem Unterricht und was damit zusammenhängt?
■Wer ist so, wie ich sein möchte? Oder wo/bei wem sehe ich Haltungen, Verhaltensweisen, an denen ich mich orientiere?
■Wie sehe ich mich als Fachlehrerin oder Klassenlehrer? Wie definiere ich mein Verhältnis zu den Schülern, Klassen und Kolleginnen?
■Was erwarte ich vom Führungspersonal (Schulleitung, Schulaufsicht)?
■Welche Rolle spielen für mich Schüler-Eltern?
■Wie viel will ich in die Weiterentwicklung meiner Schule investieren?
Unser Leitbild als Schule: Die Klärung des Leitbildes gehört zum Kern eines schulischen Entwicklungsprozesses
Für eine gute gesunde Schule ist es eine unabdingbare Voraussetzung, sich darüber klar zu werden, welche Regeln gelten, welches pädagogische Konzept ihr Handeln bestimmt, welche inhaltlichen Schwerpunkte sie verfolgt, wie sie nach innen und außen wirken will (siehe Kapitel 5 »System Schule – Wie gesund ist unsere Schule und woher wissen wir das?«). Während Individuen relativ frei sind in der bewussten Wahl ihrer Leitbilder bis hin zur Kriminalität, wird den Schulen durch den Bildungs- und Erziehungsauftrag die Grundorientierung vorgegeben. Schulgesetze und Verordnungen bestimmen den Rahmen, in dem die Schule ihre eigene Profilbildung vornehmen, ihr Leitbild erarbeiten und formulieren kann. Die Klärung des Leitbilds einer guten und gesunden Schule schließt auch die Frage ein, wie die Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung der unmittelbar an der Schule Beteiligten gesichert werden kann.[2] Die Qualitätsdiskussion muss Bildung und Gesundheit gleichermaßen umfassen, wenn Lehrerinnen und Lehrer ihre Professionalität erhalten und den Schülerinnen und Schülern nachhaltige und positive Grundlagen für ihr Leben vermitteln wollen.
Die recht abstrakte Vorgabe des Bildungs- und Erziehungsauftrags muss dazu heruntergebrochen werden auf eine operationalisierte Ebene, die handlungsrelevante Alltagstauglichkeit besitzt.