Wunder. Kurt Erlemann

Wunder - Kurt Erlemann


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      Wunder

      Theorie – Auslegung – Didaktik

      Kurt Erlemann

      Narr Francke Attempto Verlag · Tübingen

Verlagslogo

      Umschlagabbildung: © Adobe Stock / Josef Rapek

      © 2021 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      Internet: www.narr.de eMail: [email protected]

      Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

      Satz: pagina GmbH, Tübingen

      utb-Nr. 5657

      ISBN 978-3-8385-5657-4 (Print)

      ISBN 978-3-8463-5657-9 (ePub)

      Vorwort

      Wunder und Wundertexte gehören zu den umstrittensten und zugleich faszinierendsten Genres der Bibel. In ihnen wird der Glaube an den Schöpfergott Israels sichtbar und spürbar. Ohne Wundertexte wäre dieser Glaube seiner Spitze beraubt. Die Evangelisten zeichnen Jesus als charismatischen Wundertäter. Schon seit den Anfängen der Kirche waren seine Wunder und die der Apostel Gegenstand intellektueller Kritik. Seit dem Zeitalter des Rationalismus wird die Glaubwürdigkeit der Bibel vorzugsweise an der Wunderfrage festgemacht. Bis heute dauert die Kontroverse um ein sachgemäßes Verständnis der biblischen Wundertexte an. Trotz aller Umstrittenheit sind sie noch immer ein fester Bestandteil der Lehrpläne für den Evangelischen Religionsunterricht.

      Der UTB-Band ist das Ergebnis langjähriger Beschäftigung mit den biblischen Wundertexten und dem Phänomen des Wunderbaren in Forschung und Lehre. Das Buch vereinigt Impulse der Wunderforschung, exegetische Fragestellungen sowie Aspekte der Wunderhermeneutik und -didaktik. Das Buch ist Fach- und Lehrbuch zugleich: Erstens, es bietet einen leichten Einstieg in Grundbegrifflichkeiten. Zweitens, es beleuchtet eingehend historische Aspekte der Wunderfrage. Drittens, es bietet einen Überblick über Wunderdeutung und -forschung seit den Anfängen bis heute und spinnt die Fäden weiter. Viertens, es erschließt zahlreiche theologische Aspekte der Wundertexte. Fünftens, es setzt die Wundertheorie in Musterexegesen praktisch um und sechstens, es bietet Impulse für eine moderne Wunderdidaktik anhand praktischer Unterrichtsskizzen. Grafiken, Tabellen, Beispieltexte und ein Serviceteil runden das Konzept des Buches ab.

      Mein ausdrücklicher Dank gilt den Menschen, welche die Entstehung des Buches begleiteten und bereicherten: Gunther vom Stein und Simon Dietz trugen wertvolle didaktisch-methodische Impulse bei. Sophia Diddens leistete akribische Korrekturarbeit. Daniel Schmitz und Thomas Wagner hielten mir einmal mehr den Rücken frei. Gunter Narr und seinem Team danke ich für die Realisierung des Buches auf Verlagsseite. Vor allem aber danke ich meiner Frau Steffi Springer für ihre große Geduld und liebevolle Unterstützung zu jeder Zeit! Gewidmet ist das Buch meiner langjährigen Mitarbeiterin Astrid Padberg als Dankeschön für die jederzeit wunderbare und professionelle Zusammenarbeit über die Jahrzehnte!

      Kurt Erlemann, Neviges, Pfingsten 2021

      1 Einführung

      Wunder und Wundertexte sind faszinierende, aber auch umstrittene Genres der Bibel. Zu fragen ist nach ihrer historischen Wahrheit, ihrer Relevanz und ihrer Vermittelbarkeit: Ist von wunderhaften Ereignissen zur Zeit Jesu und der Apostel auszugehen? Wie lassen sich Wundertexte adäquat verstehen? Hat der Wunderglaube noch theologische Relevanz oder ist er Teil eines überholten Weltbildes? Das Buch wendet die Ergebnisse der Wunderforschung auf exegetische, hermeneutische und didaktische Fragestellungen an.

      1.1 Die Intention des Buches

      Das Buch lehnt sich in Format und Zuschnitt an den 2020 erschienenen UTB-Band Gleichnisse. Theorie – Auslegung – Didaktik (utb 5494) an. Die inhaltliche Vorlage ist mein populärwissenschaftlich angelegter Band Kaum zu glauben. Wunder im Neuen Testament (2016). Das vorliegende Buch spinnt den dort entwickelten Faden weiter, diskutiert ihn mit anderen wundertheoretischen Ansätzen und baut ihn im Sinne eines Lehrbuches aus. Besonderes Augenmerk gilt dem Verhältnis zwischen Wundertaten und Wundertexten, deren Bedeutung und Funktion, der historischen Wunderfrage und dem Wahrheitsanspruch der Texte. Dieser wird mit dem naturwissenschaftlich-rationalen Wahrheitsbegriff der Aufklärung ins Verhältnis gesetzt. Leitend ist die Grundüberzeugung, dass der Wunderglaube theologisch unverzichtbar ist. Der Glaube an den Schöpfergott, der selbst aus dem Tod neues Leben schaffen kann und den Menschen Erlösung von Leiden und Vergänglichkeit zugesagt hat, ist ohne den Gedanken an seine Wunderkraft stumpf.

      1.2 Erste Fragen und Antworten

      1.2.1 Hat Jesus Wunder getan?

      Das historische Geschehen hinter den Wundertexten liegt im Dunkeln. Die Evangelien sind keine Tatsachenberichte, sondern Glaubenszeugnisse. Gleichwohl ist die Annahme einer Wundertätigkeit Jesu plausibel: Sie erklärt stimmig die daraus entstandene Wirkungsgeschichte inklusive Christus- und Wunderglauben, Jüngerschaft und Kirche. Welche Wunder Jesus im Einzelnen getan hat, lässt sich nicht rekonstruieren. Die Reduktion historisch ‚wahrscheinlicher‘ Wundertaten auf rational erklärbare Heilungen und Exorzismen ist kein Lösungsweg für diese Frage und wird dem Wahrheitsanspruch der Texte nicht gerecht (→ 2.4; 3.6.2).

      1.2.2 Was ist die ‚Wahrheit‘ der Wundertexte?

      Die Wundertexte sind weder Tatsachenberichte noch fromme Märchen oder Mythen; ihr Wahrheitsgehalt liegt dazwischen. Er erschließt sich aus der heilvollen Wirkung der Wunder und aus der Vielzahl an Sinnebenen, welche die Texte transportieren. Ein Wunder, so lässt sich vorab sagen, ist ein umfassendes, die physische, psychische, soziale und religiös-moralische Dimension des Menschseins betreffendes, Geschehen, welches auf übernatürliche, göttliche Weise menschliche Not heilvoll verändert. In der Symphonie der Sinnebenen und der theologischen Aspekte liegt die bleibende Wahrheit und Relevanz der Wundertexte.

      1.2.3 Kann man noch an Wunder glauben?

      „Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder. Ich glaube an Letzteres.“1

      Intensive Wundererfahrungen sind der Anfangszeit des Christentums vorbehalten. Die Zeit seither ist wunderarm. Berichten über heutige wunderhafte Vorgänge begegnen wir verständlicherweise mit großem Vorbehalt. Das liegt nicht nur an unserer naturwissenschaftlich-rationalen Prägung, sondern auch daran, dass sich wunderhafte Ereignisse ‚wunderbar‘ vermarkten lassen und der Begriff Wunder inflationär und in profanisierter Weise verwendet wird. Gleichwohl lassen sich sporadisch wunderhafte Ereignisse konstatieren oder zumindest als Wunder deuten (Lourdes, Wunder von Lengede u.a.). – Wundererfahrungen setzen eine Offenheit für wunderhaftes Geschehen voraus. Das ist nur jenseits nüchtern-analytischer Weltdeutung, etwa in einer religiös-mystischen Optik auf die Wirklichkeit, möglich. Die in den Wundertexten angelegte Wunderlogik zeigt konkret, was Wundererfahrungen möglich macht: ein intensives Zusammenspiel bzw. Einswerden von Hoffnung, Glauben und Gebet einerseits und liebend-barmherziger Zuwendung des göttlichen Wundertäters andererseits (→ 1.5; 3.6.2f.).

      1.2.4 Wozu sind Wundertexte gut?

      Wunder und Wundertexte sind aus mehreren Gründen theologisch unverzichtbar: Erstens, sie transportieren den Glauben an den allmächtigen Schöpfergott, der sich fürsorglich um die Welt und das Leben darin kümmert und selbst aus dem Tod heraus neues Leben schaffen kann. Zweitens,


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