Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt. Ulrich Dauscher
dienen. Insofern ist es ebenso als Einführung wie als Handbuch geschrieben.
„Gebrauchsanleitung“
Sollten Sie die Moderationsmethode und die Zukunftswerkstatt noch kaum kennen, würde ich Ihnen empfehlen, die Methodendarstellungen bei der Zukunftswerkstatt zunächst nur flüchtig zu lesen. In der Fülle von Einzelheiten besteht sonst die Gefahr, dass der Gesamtüberblick verloren geht. Lassen Sie sich vor allem durch die Flut von Details und die scheinbar unerfüllbaren Anforderungen an den Moderator nicht von eigenen Versuchen abhalten. Wenn Sie die zugrunde liegenden Ideen verstehen und sich in der Rolle des Moderators wohl fühlen können, können Sie moderieren. Sie werden vielleicht in Ihren ersten Versuchen nicht perfekt sein, aber Sie werden sehr wahrscheinlich auf Anhieb bessere Ergebnisse erzielen als mit einer mündlichen Diskussion. Regeln und Methoden sind schließlich nur Hilfsmittel, ein bestimmtes Verständnis von Gruppenarbeit umzusetzen – wichtige Hilfsmittel, aber eben nur Hilfsmittel. Im Zentrum steht das Verstehen der Ideen und der damit verknüpften Vorgehensweisen.
Sollten Sie die Möglichkeit dazu haben, so können Sie auch erst einmal einzelne Elemente einsetzen, etwa im Rahmen von Bildungsveranstaltungen. So werden Sie nach und nach sicherer im Umgang mit Verfahren der Moderation.
Moderieren ist praktischer Umgang mit Menschen und kann nicht rein theoretisch vermittelt werden. Nur in der Praxis können Sie erfahren, welche Wirkungen bestimmte Methoden haben, welche Folgen aus Variationen im Moderatorenverhalten oder in der Gruppenzusammensetzung entstehen. Verstehen Sie daher bitte die Beschreibung von Methoden in diesem Buch nicht als absolute Wahrheiten. Die Darstellungen sollen Anregungen für Ihre eigenen Versuche geben und Sie in Ihrer Reflexion unterstützen.
Erster Teil Die Moderationsmethode
1. Entwicklung
2. Das Beziehungsgeflecht der Moderation – Ein Überblick
3. Die Visualisierung
4. Der Moderator
5. Frage- und Antworttechniken
6. Planung der Moderation
7. Anwendungsbereiche
Die Moderationsmethode ist ein Verfahren, mit dem die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung in Gruppen unterstützt werden kann. Typisch für sie ist eine ausführliche Visualisierung des Verlaufs und der Inhalte der Diskussion, Wechsel zwischen Plenums-, Kleingruppen- und Einzelarbeit sowie der Einsatz eines Moderators, der den Austausch in der Gruppe fördert und strukturiert, ohne dabei inhaltlich einzugreifen.
Um einen Überblick über die Hintergründe der Methode zu geben, werden zunächst ihre Entwicklung und die Zusammenhänge zwischen Moderatoren- und Gruppenverhalten, Thema und Methode dargestellt. Anschließend werden einzelne Aspekte der Methode detailliert besprochen.
1. Entwicklung
Gesellschaftlicher Hintergrund
Die Moderationsmethode entstand in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren. Vor allem in den Hochschulen wurden in dieser Zeit bestehende Verhältnisse nicht mehr einfach hingenommen, wie sie waren. Studenten wollten in Entscheidungen einbezogen werden, mitbestimmen können. Es stellte sich allerdings heraus, dass der Wille, sogar die allgemeine Bereitschaft dazu, nicht genügte. Methoden, die die Einbeziehung der Betroffenen in Entscheidungen unterstützt hätten, fehlten. Üblich und bekannt waren damals zwei Gesprächsstrukturen: Diskussion und Vortrag. Im einen Fall wusste der Diskussionsleiter, worum es ging, im anderen der Experte. Gleichberechtigte Kommunikation war kaum möglich. Die „Schuld“ am Scheitern von Mitbestimmungsversuchen lag also nicht unbedingt, wie häufig zugewiesen, am Gegenüber, am gesellschaftlichen System oder an Sachzwängen, sondern auch daran, dass Gesprächsformen noch nicht entwickelt waren, die Mitbestimmung ermöglichten.
Wurzeln
Ebenfalls in den 60er-Jahren nahm in Deutschland, bedingt u. a. durch den wachsenden Wohlstand, das Bedürfnis nach Planung zu. Planungsstäbe und Unternehmensberatungen schossen aus dem Boden, erstellten Gutachten und Entwicklungspläne, wurden dafür gelobt, bezahlt und sahen ihre Vorschläge in der Schublade verschwinden. Auch hier fehlte ein Instrument, um Wünsche und Bedürfnisse im Vorfeld und während der Planung adäquat zu erfassen, sodass einerseits an den tatsächlichen Gegebenheiten, andererseits an den Betroffenen vorbeigeplant wurde.
Aus dieser Situation heraus entwickelte Eberhard Schnelle, Mitglied einer Unternehmensberatung, des „Quickborner Teams“, das „Entscheidertraining“ (Schnelle 1968). Er ging einerseits davon aus, dass aufgrund der wachsenden Komplexität der Probleme einzelne Planer überfordert und daher Kollektiventscheidungen notwendig seien, andererseits davon, dass Entscheidungen nicht nur Verfahrens-, sondern auch Verhaltensprobleme seien, von den Betroffenen also Sachentscheidungen nicht unbedingt akzeptiert würden, nur weil die Planer sie für gut hielten. Im Entscheidertraining wurde Wissen über Entscheidungsverhalten gelehrt und die Planung im Team unter Einbeziehung der Betroffenen, bzw. deren Meinungsführer, propagiert.
Das Vorgehen konnte mit den Erfahrungen aus der Beteiligung an Entscheidungsprozessen in Hochschulen verbunden werden, als Dr. Karin Klebert, ehemals Dozentin für Sozialphilosophie und Sozialpsychologie an der Universität Münster, und Dr. Einhard Schrader, ein Soziologe, zum Quickborner Team stießen.
Problemanalyse
Man kann sich der Methode über die Nachteile üblicher Gespräche annähern. Was macht es so schwer, in Diskussionen Ideen zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen?
– Gedächtnis
Zunächst fordern mündliche Diskussionen eine sehr hohe Konzentration. Beiträge müssen über lange Zeit im Gedächtnis bleiben, da man sich nicht immer sofort dazu äußern kann. Ermüdungserscheinungen, Missverständnisse, die Notwendigkeit von häufigen Erklärungen und Wiederholungen sind also durch die Gesprächsform bedingt.
– Roter Faden
Auch muss man ständig aufpassen, nicht den roten Faden zu verlieren. Die Versuchung, sich an unwichtigen Kleinigkeiten festzubeißen, ist groß.
– Interaktionsdichte
Des Weiteren ist eine mündliche Diskussion ziemlich unökonomisch: immer nur ein Einziger kann sich äußern, sodass die Interaktionsdichte relativ gering ist. Dazu kommt, dass so gut wie immer Vielredner und Ausschweifer in einer Gruppe sind, sodass die Sprechzeit, die jedem Einzelnen zur Verfügung steht, sehr unterschiedlich ist.
– Diskussionsleitung
Der Diskussionsleiter müsste in dieser Situation Schwerpunkte setzen und auf die gleichmäßige Verteilung der Sprechzeiten achten, eine Aufgabe, die einen Einzelnen im Allgemeinen überfordert.
– Außenstehende
Schließlich liegt ein Problem noch darin, dass Außenstehende in den Stand der Diskussion kaum einzuführen sind. Experten können ihre Beiträge nicht auf den Stand der Gruppe abstimmen, sporadische Teilnehmer sind ebenso wenig ausreichend informiert wie Menschen, die von den gefällten Entscheidungen betroffen sind.
Visualisierung
Aus dieser Kritik entstand das erste Standbein der Moderationsmethode: die Visualisierung. Zusätzlich zur Sprache wurde der optische Kanal genutzt, indem auf Plakaten die Diskussion mitskizziert wurde. Dadurch sollten die Anforderungen an das Gedächtnis verringert und der rote Faden offensichtlich werden. Die Interaktionsdichte sollte steigen (man kann schreiben, während der andere redet), der Diskussionsleiter entlastet werden und Außenstehende leichter in den Diskussionsstand eingeführt werden können.
Moderator statt Leiter
Mit der Visualisierung allein allerdings war das Problem noch nicht gelöst: Man musste ja irgendwie ein Ergebnis erreichen und je mehr die Gruppe gezogen und geschoben wurde, desto stärkeren Widerstand entwickelte sie. Die Lösung bestand in der Umwandlung des Trainers, des wissenden