Geschichte Südtirols erleben. Josef Rohrer
Meilenstein zufolge hat Drusus, der junge Kommandant des bei Verona stationierten Nordheers, die Straße anlegen lassen, als er um 15 v. Chr. das Gebiet der Räter überrannte und die Grenzen des Römischen Reichs bis an die Donau verschob. Sein Sohn Claudius Augustus hat sie dann, als er Kaiser war, zur „Schnellstraße“ ausbauen lassen, auf der sogar vierrädrige Karren über die Alpen fahren konnten. Erstaunlich, waren doch die Alpen später im Mittelalter und noch lange danach ein nur schwer zu überwindendes Hindernis.
Im 2. Jahrhundert bauten die Römer mit der Via Raetia noch eine zweite Straße in den Norden. Sie zweigte bei Bozen von der Via Claudia Augusta ab. Da die Eisack-Schlucht noch als unpassierbar galt, nahm sie den Umweg über den 900 Meter höher gelegenen Bergrücken des Ritten
Ausgrabungen bei Bruneck legten Reste einer Raststation namens Sebatum
Römische Überbleibsel tauchen in Südtirol – wenig überraschend in einem Land mit eifriger Bautätigkeit – immer wieder auf: da ein Sockel, dort ein Stück Mauer, auch Münzen. Gleich ein halbes Kilo soll im Hohlraum einer Trockenmauer gefunden worden sein, die man in den 1980ern auf der Seiser Alm beim Bau eines großen Hotels freilegte. Nur acht Münzen wurden später sichergestellt. Von den vielfältigen Funden landeten Einzelstücke in Tal- und Heimatmuseen oder im Südtiroler Archäologiemuseum – dort aber im Depot, seit die Gletschermumie Ötzi das gesamte Gebäude in Beschlag genommen hat. Mauerreste wurden, ebenfalls kaum überraschend, im Lauf der Zeit als Baumaterial verwendet. Oder, als es bereits einen strengeren Denkmalschutz gab, schnell wieder verbuddelt, damit es ja nicht zu langwierigen archäologischen Untersuchungen und Arbeitsunterbrechungen kommt.
Schließlich wäre da noch das Drusus-Stadion
Leben in der Falllinie
Die Muthöfe
Die Römer und davor die Räter hatten noch keine Platzprobleme. Später aber, in der sogenannten Völkerwanderung, ließen sich immer mehr Siedler nieder. Im heutigen Tirol waren es vor allem bajuwarische und alemannische Stämme, um ca. 800 bewohnten sie bereits viele der leicht zugänglichen Niederungen. Noch gab es dort genügend Wald zu roden. So ließ der bayerische Herzog Tassilo III. bei Innichen
Könige übten die angeblich von Gott verliehene Verfügungsgewalt über Grund und Boden aus. Sie festigten ihre Macht, indem sie Kirche, Adel und sonstige Clans mit Ländereien bedachten. Diese Grundherren ließen Bauern als meist rechtlose Leibeigene für sich schuften. Wie aber brachte man sie dazu, auch steile und abgelegene Wälder urbar zu machen und dort oben nutzbringend Landwirtschaft zu betreiben?
Der Köder war das Konzept der sogenannten Schwaighöfe. Die Bauern nahmen die Mühe der Rodung auf sich, bauten Stall und Stadel und für sich eine Hütte. Als Starthilfe überließ ihnen der Grundherr etwas Vieh und kassierte einen jährlichen Zins in Form von Naturalien, meist Käse. Eine Win-win-Situation, denn die Bauern durften den so geschaffenen Hof als ihr Eigen betrachten und sogar vererben. Im Vergleich mit den Leibeigenen ein Privileg.
Wann und wo im heutigen Südtirol die ersten Schwaighöfe angelegt wurden, wissen wir nicht. Wohl deutlich vor 1285, als ein Dokument die Muthöfe zum ersten Mal als Schwaigen erwähnte. Was wir auch nicht wissen: Wurden den Bauern die Flächen zum Roden zugewiesen oder durften sie sich den Platz selbst aussuchen? Waren es eher die Ausgegrenzten, die sich auf das Wagnis einließen? Und waren die, die besonders weit nach oben zogen, besondere Eigenbrötler? Gesichert ist nur, dass Schwaighöfe mit der Zeit bis zur Waldgrenze auf 2000 Metern zu finden