Haupt- und Nebenwirkungen. Gabriele Goettle

Haupt- und Nebenwirkungen - Gabriele Goettle


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in Deutschland ist. Es wäre wichtig und im öffentlichen Interesse, zu wissen, wer eigentlich im Hintergrund Lobbyarbeit etwa für Rüstungsexporte macht. 2011 durchsuchte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft das Firmengelände von Heckler & Koch. Es bestand der Verdacht, dass mit verdeckten Parteispenden Genehmigungen für Waffenexporte nach Mexiko erkauft werden sollten. Das Ermittlungsverfahren läuft noch.

      Grundsätzlich geht es im Rüstungsbereich zum einen um einen sogenannten Beschaffungs-Lobbyismus: Man möchte Aufträge bekommen. Zum anderen geht es um Exportgeschäfte und die allgemeine Regulierung von Waffen, z.B. durch internationale Abkommen wie dasjenige zum Verbot von Streubomben.« (Wie erfolgreich die deutsche Rüstungsindustrie ihre wirtschaftlichen Interessen durchsetzt, zeigt sich auch daran, dass bei Merkels Staatsbesuchen überall in der Welt Rüstungslobbyisten regelmäßig mit im Kanzlerinnen-Airbus sitzen. Anm. G.G.)

      »Die 2. Forderung betrifft den ›Drehtüreffekt‹, man kann es auch ›Seitenwechsel‹ nennen, gemeint ist der Wechsel von Politikern aus der Politik in die Lobbytätigkeit.« (Vorgeführt in besonders schamloser Weise während und nach der Amtszeit des Kabinetts Schröder im Oktober 2005. Schröder und seine ehemaligen Bundesminister Schily, Clement, Fischer wurden hoch bezahlte Lobbyisten in Bereichen, die sie zum Teil schon vorher »bedient« haben. Anm. G.G.) Timo Lange spielt mit seinem Feuerzeug und sagt entschieden: »Diese ›Drehtür‹ zwischen Politik und Wirtschaft muss blockiert werden. Was wir fordern, ist eine Karenzzeit von drei Jahren. Wir sehen das auch an Karrieren wie der von Herrn Hennenhöfer, dem aktuellen Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium. Diesen Job hatte er ja schon mal inne, von ’94 bis ’98, unter der damaligen Umweltministerin und heutigen Kanzlerin Merkel. In der Zwischenzeit hat er als Lobbyist für den AKW-Betreiber Viag – heute Eon – gearbeitet und er hat als Anwalt einer Kanzlei den Betreiber des Atommülllagers Asse beraten.« (Wobei er u.a. empfahl, dass die Bürgerinitiative über den Zustand der desolaten Anlage nicht informiert werden solle. Anm. G.G.) »Also ein Wechsel vom staatlichen Atomaufseher zum Atomlobbyisten, dann zum Atomberater und wieder zurück auf den Posten des staatlichen Atomaufsehers. Es ist eigentlich unglaublich! Der Atomlobbyist als Strahlenschützer, verantwortlich für die ›Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen und nukleare Ver- und Entsorgung‹ in unserem Land.

      Ein anderes Beispiel ist auch Frau Yzer, die derzeitige Berliner Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Zuvor war sie von 1997 bis 2011 Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller, also in einem der mächtigsten Lobbyverbände. Noch früher war sie im Kanzleramt beschäftigt, und wenn ich mich nicht irre, war sie davor bei der Bayer AG.« (Von ’92 bis ’94 war die CDU-Politikerin parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Frauen und Jugend, Angela Merkel, von ’94 bis ’97 diente sie dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Rüttgers, als parlamentarische Staatssekretärin und war zuständig für »Energie und Umwelt, Luft- und Raumfahrt, Multimedia und Biotechnologie«. Danach wechselte sie zum vfa, dem Wirtschaftsverband der forschenden Pharmaindustrie. Seine Mitglieder, Bayer, Pfizer, Novartis, Roche u.a. beherrschen mehr als zwei Drittel des deutschen Arzneimittelmarkts. Seit September 2012 ist sie Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Anm. G.G.)

      »Die Pharmalobby ist in Deutschland traditionell sehr stark, denn Medikamente sind im Vergleich zu anderen Ländern bei uns sehr teuer. Ehemalige Politikerinnen und Politiker sind bei der Wirtschaft natürlich die beliebtesten Lobbyisten. Manche kommen aber auch aus der PR-Ecke, aus dem Journalismus. Sie bezeichnen sich selbst nicht als Lobbyisten, viele sagen, sie sind Berater, Politikberater. Viele sind Juristen, Politologen, die eben ihre Karriere erst mal im Bundestag als Mitarbeiter von Abgeordneten oder auch im EU-Parlament begonnen haben. Das sind perfekte Voraussetzungen, um Lobbyist zu werden. Noch perfekter ist aber, wie gesagt, der ehemalige Politiker, denn er verfügt über ein Netzwerk von Beziehungen und eine Vielfalt von Informationen, die dem neuen Arbeitgeber natürlich einen großen und absolut einseitigen Vorteil verschaffen. Wenn er, durch eine weitere Drehung der Drehtür, wieder in die Politik zurückkehrt, kann das von großem Nachteil sein für die Bürger.

      Was jedenfalls den Wechsel von der Politik in die Wirtschaft betrifft und die dreijährige Karenzzeit, die wir fordern, so kann man davon ausgehen, dass nach drei Jahren das Kontaktnetz nicht mehr ganz so aktuell und das Insiderwissen nicht mehr ganz so frisch ist, so dass die Attraktivität diesbezüglich stark abnimmt. Über den Umfang der lobbyistischen Aktivitäten können wir keine zuverlässigen Angaben machen. Es sind schätzungsweise 5.000 Lobbyisten hier in Berlin tätig, in Brüssel ist es ein Vielfaches, wir wissen es nicht genau. Es gibt eben nur die ›Verbändeliste‹ im Deutschen Bundestag – die gibt es schon seit 1972, das war damals im internationalen Vergleich sehr fortschrittlich, heute ist das vollkommen unzureichend. Verbände, die im Bundestag gehört werden wollen, müssen oder sollen sich da registrieren. Zwar sind die Verbände immer noch wichtige Lobbygruppen, aber wir haben heute die ganzen großen Unternehmen, die hier ihre eigenen Lobbybüros betreiben, wir haben Lobbyagenturen, die Lobbyarbeit als Dienstleistung verkaufen, und auch Anwaltskanzleien sind in diesem Bereich unterwegs. Sie alle stehen nicht in der Verbändeliste, gehen aber ein und aus im Bundestag. Alle haben einen Hausausweis. Er berechtigt, quasi nur durch Vorzeigen, zum freien Zutritt, ohne jede Körperkontrolle oder sonstige Wartezeit.«

      Auf meine Frage nach dem Ausweis und der Vergabepraxis erklärt er: »Es gibt zwei Wege, einen solchen Hausausweis zu bekommen. Der eine Weg ist der transparente, der öffentliche, durch Eintrag in die Verbändeliste. Dann bekommt man maximal fünf solcher Ausweise, sie gelten ein Jahr. Ich kann Ihnen meinen mal zeigen.« Er sucht zwischen den Papieren und reicht mir dann einen kleinen grünen Ausweis mit Foto, Name, Datum und Clip zum Anhängen. Kein Chip, kein Code. Jeder kann ihn nachmachen auf einem Farbkopierer. Hier scheint sie nicht zu existieren, die viel bemühte terroristische Gefahr.

      Timo Lange fährt fort: »Lobby-Control hat die Ausweise, um Gesprächstermine mit Abgeordneten wahrzunehmen. Man geht an die Pforte, hält den kurz hin und kann eintreten. Man muss nicht abgeholt und begleitet werden zum Büro des Abgeordneten. Kann sich direkt im Büro treffen. Der zweite Weg ist der intransparente. Da gibt es die Ausweise in beliebiger Zahl, aber nur dann, wenn der Sicherheitsbeauftragte der Fraktion dem zustimmt – in der Regel ist das der Parlamentarische Geschäftsführer. Früher reichten die Unterschriften von fünf Abgeordneten. Es gibt natürlich Unternehmen, die nicht öffentlich auftreten wollen und für die das keine Hürde ist. In Brüssel, wo die Ausgaben für Lobbyarbeit inzwischen die Milliardenmarke längst überschritten haben, sieht es letztlich auch nicht viel besser aus. Zwar wurde 2011 das ›Transparenzregister‹ eingeführt, aber das hat nicht zu wirklicher Transparenz geführt. Die Registrierung ist weiterhin freiwillig. Ein Vorteil gegenüber dem früheren Register der Interessenvertreter ist lediglich, dass die Registrierung der Lobbyakteure nun Voraussetzung für den Erhalt dauerhafter Hausausweise zum Betreten des Parlamentsgebäudes ist. Dies ist immerhin ein Anreiz, sich auch tatsächlich einzutragen. Es müssen Angaben gemacht werden über Auftraggeber, Lobbybudget und Lobbyziele.

      Aber Einflussnahme funktioniert natürlich auch dort ohne Hausausweis. Es ist das Problem, dass alles sich fast immer an der Grenze der Legalität entlang bewegt. Lobbyismus ist nicht verboten. Dennoch scheuen viele Unternehmen die Veröffentlichung ihrer Interessen und entfalten ihre Aktivitäten lieber im Dunkeln. Deshalb fordern wir, dass die Mitglieder der EU-Kommission nach britischem Vorbild ihre Treffen mit Lobbyisten online veröffentlichen müssen.Transparenz ist auch ein Kontrollmechanismus, und den brauchen wir dringend. Wir werden übrigens demnächst eine neue Internetplattform starten, die die Lobbytransparenz in Brüssel deutlich erhöhen wird.

      Ein anderes Problem ist, dass Politiker in vielen Fällen zugänglich oder auch selbst aktiv sind. Bei einem konkreten Fall, der uns gerade in der letzten Woche beschäftigt hat, geht es um den CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn, von dem Ende letzten Jahres bekannt wurde, dass er 2006, zusammen mit zwei Freunden – dem Lobbyisten Max Müller und seinem eigenen Büroleiter Markus Jasper – eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet hat. Die wiederum hat eine Beratungsgesellschaft verwaltet, namens ›Politas‹, eine Lobbyagentur, die Kunden aus der Medizin- und Pharmabranche beraten haben soll. Genaueres weiß man nicht. Und Jens Spahn hat genau 25 Prozent der stimmberechtigten Anteile gehabt. Die Regeln


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