Die Rosa-Hellblau-Falle. Almut Schnerring

Die Rosa-Hellblau-Falle - Almut Schnerring


Скачать книгу
dass auch das Buch selbst, »Die Rosa-Hellblau-Falle« eine Kategorie braucht, in die es gepackt werden kann, ein Regalfach, in dem es im Buchhandel von seiner Zielgruppe gefunden wird. Und das sind nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, Menschen, die sich für Geschlechterstereotype und Rollenvorbilder im Alltag, für Feminismus oder für Normierung im Marketing interessieren, sondern zuallererst jene, die sich von der Abbildung von zwei niedlich guckenden Babys angesprochen fühlen sollen: Eltern. Und da es in mancher Buchhandlung kein Fach für »Elternratgeber« gibt, sondern stattdessen das Regal »Mutter und Kind«, steht unser Buch ironischerweise oft dort: Die Rosa-Hellblau-Falle wird also in die Rosa-Hellblau-Falle® gesteckt. image

image

      Wer aber zu Beginn noch meinte, bei der Rosa-Hellblau-Falle® handle es sich um ein Spezialthema für Eltern, spürt bald, dass es sich an allen Ecken und Enden im Alltag bemerkbar macht, auch ohne Kinder. Hat man nämlich einmal den Blick dafür geschärft, wird klar, dass es sich bei der Reproduktion enger Rollenbilder um ein strukturelles Problem handelt, das an vielen Stellen institutionell verstärkt und zementiert wird. Es ist nur leichter zu erkennen, wenn man Großeltern hat, die dem Enkelsohn keinen Puppenwagen schenken wollen, wenn man ein Umfeld hat, das irritiert ist, wenn er länger in Elternzeit geht als sie und im Beruf zurücksteckt. Man kann ihm nicht so leicht ausweichen, wenn die mathebegabte Tochter aus der Berufsberatung die Empfehlung »Was mit Sprachen« mitbringt. Aber auch ohne den Blick auf Kinder wird klar, dass Interessen und Verhaltensweisen nach Geschlecht sortiert werden, auch wenn die meisten Personaler*innen überzeugt sind, »Also wir achten ja nur auf Qualität, nicht auf Geschlecht«.

      Der sogenannte ›Unconscious Bias‹, die unbewussten Vorannahmen kommen immer dann an die Oberfläche, wenn wir nur behaupten, keine Unterschiede zu machen zwischen den Geschlechtern, Menschen unterschiedlicher Religion, Alter und Herkunft, aber die Auseinandersetzung scheuen mit den eigenen Prägungen … und auch den Vorteilen, die einzelne aus diesen Verhältnissen ziehen. Doch wenn sich das wirklich ändern soll und wir es ernst meinen mit dem Wunsch, dass die Fünfjährigen von heute in 20 Jahren nicht dieselben Vorträge halten und dieselben Bücher über Prinzessinnenjungs4 und das Mädchen für Alles5, über Unsichtbare Frauen6, Männlichkeit7 und die Mental Load Falle8, über Equal Care9 und Rosa-Hellblau-Falle® schreiben müssen, dann bleibt uns nichts anderes übrig als unsere eigenen Sozialisation zu reflektieren und anzuerkennen, dass sowohl Pay Gap als auch Care Gap und Alltagssexismus ihren Anfang im Kinderzimmer nehmen. Es hilft nur dann über die Lohnlücke zu diskutieren, wenn Jungen nicht weiterhin im Durchschnitt mehr Taschengeld und die teureren Geschenke bekommen als Mädchen. Es wird sich langfristig nichts ändern, wenn Mädchen zu Hause weiterhin mehr im Haushalt mithelfen müssen als ihre Brüder. Die #aufschrei-Debatte versandet, wenn wir nicht den Bezug herstellen zum Miteinander in Kitas und auf (Grund-)Schulhöfen, wo »Mädchen«, »schwul« und »Bitch« als Schimpfwörter durchgehen.

image

      Wir kämpfen für mehr Gleichberechtigung und lassen zu, dass unsere Kinder zunehmend und immer stärker in zwei Schubladen gepresst werden, die außen schön rosa und hellblau sind und innen mit den Rollenklischees längst vergangener Zeiten ausgepolstert, damit das Erwachsenwerden nicht so weh tut. Zeit also, die Kinderwelt mit in den Blick zu nehmen bei der nächsten Sitzung oder Konferenz, bei der Zukunftsplanung, damit es nicht noch hundert Jahre dauert bis zu Gleichberechtigung und Wahlfreiheit.

      Mit vielen Grüßen von

      Almut Schnerring und Sascha Verlan

      Insta: @RosaHellblauFalle

      Twitter: @AlmutSchnerring + @SaschaVerlan

      Seite: wu2k.de

      Blog: rosa-hellblau-falle.de

       DIE FAQS ZUR ROSA-HELLBLAU-FALLE®

      Die Rosa-Hellblau-Falle® polarisiert, denn sie vermittelt keine Technik in zehn Schritten, sie gibt keine Handlungsanweisung, die für jede Situation passen würde, sondern reicht viel weiter: sie stellt den eigenen, bisherigen Blick auf die Welt infrage und rührt an verinnerlichten Regeln zu dem was »richtig« und »normal« sei. Deshalb werden Gespräche über das Thema schnell emotional, wenn sie nicht sogar direkt abgeblockt werden. Wem es aber gelingt, sich darauf einzulassen und mit anderen darüber in den Austausch zu kommen, gewinnt oft spannende Einsichten, erfährt rührende Erinnerungen und kommt sich näher. Wir laden deshalb dazu ein, die eigenen Vorstellungen darüber, »was sich gehört« und was »schon immer so war« für eine Weile zur Seite zu schieben und zurückzuschauen, wie sich das angefühlt hat damals als Kind, als Erwachsene die Regeln darüber aufgestellt haben, was ein Mädchen sollte und was einen typischen Jungen ausmacht. Wie geht es einem Kind, das bei Erwachsenen aufschnappt: »Sie mag ja mehr so typisches Jungsspielzeug.«, »In dem Punkt ist er ein richtiges Mädchen.«, »Also ich finde diesen Mädchenkram furchtbar!«, »Er hätte sich ja lieber einen Sohn gewünscht«… ? Herzliche Einladung also, zum Austausch über Normen und Kategorien.

      Für den Einstieg haben wir im Folgenden sieben der häufigsten Fragen beantwortet, die uns immer wieder gestellt werden von skeptischen Besucher*innen unserer Vorträge. Auf unserem Blog rosa-hellblau-falle.de/faqs beantworten wir noch mehr davon und erweitern die Liste nach und nach.

       Rosa und Hellblau, das sind doch nur Farben, was wollt Ihr bloß?

      Rote Herzen, gelbe Smileys, grüne Umweltsiegel, blaue Logos von Banken, alles bloß Farben? Gendermarketing hat mit dazu beigetragen, dass Rosa heute als niedlich und sexy gilt. Die Rosa-Violett-Rot-Palette wird vereinnahmt von der Werbeindustrie und zunehmend mit Schönheit, Anmut und Zartheit in Verbindung gebracht. Ganze Produkt- und Interessensbereiche sind nach Geschlecht getrennt und farblich gelabelt, es sind also mitnichten »nur« Farben. Deshalb lässt sich erst dann, wenn Spielzeug aus den Bereichen Schönheit, Pflege, Haushalt auch öfter mal in schwarz oder grün verpackt wird und erst dann, wenn auch Experimentierkästen und Konstruktionssets, deren Verpackung mit Jungs bebildert sind, in Pink beworben werden, vielleicht sagen »Es sind einfach nur Farben«.

       Aber Mädchen mögen nun mal Rosa, wollt Ihr ihnen das verbieten?

      Im Gegenteil, wir wollen Rosa, Lila, Pink allen ermöglichen, die diese Farben mögen, denn da spricht überhaupt nichts dagegen. Worin liegt der Nutzen für Kinder, dass die Farbe Mädchen vorbehalten ist (»Der Tim hat ein Shirt mit Määädchenfarben!«). Sie den einen verbieten und bei den anderen fördern, also eine bloße Umkehrung, die in manchen Familien passiert, ändert nichts an der Geschlechtertrennung und ist deshalb keine Lösung. Heute lernen Mädchen von Geburt an, dass sie mit Rosa als Lieblingsfarbe richtig liegen und mit grün als Ausnahme gelten – in 100 Jahren könnte das wieder ganz anders aussehen. Vergleicht man Klassenfotos von heute mit Gruppenbildern der 80er, 90er Jahre, sieht man, dass bunt nicht mehr für alle da ist, und die Frage nach der Lieblingsfarbe wird neuerdings mit Chromosomen und Hormonen in Verbindung gebracht. Hat sich die DNA von Mädchen also in ein paar Jahrzehnten verändert? Wohl kaum. Und wenn man bedenkt, dass Rot in allen seinen Abstufungen die Farbe der Herrschenden war, eine Farbe, die Könige trugen, (der Papst trägt bis heute Violett), wird deutlich, dass es hier um kulturelle Zuschreibungen geht und nicht um angeborene Lieblingsfarben. (Vgl. Kapitel Rosa… )

      


Скачать книгу