Prinz der Wölfe. Dave Gross

Prinz der Wölfe - Dave  Gross


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nur einen Gruß gesendet zu haben, während du den ganzen Tag bei diesem widerlichen Doktor Trice verbringst.“

      „Unvergleichliche Herrin“, sagte ich, „selbst die größte Freude wird durch die vorherige Erfüllung aller lästigen Pflichten versüßt, und kein Vergnügen ist größer als das, dich wiederzusehen.“

      Carmilla legte den Kopf in den Nacken, um mich zu taxieren. „Ein wenig dick aufgetragen.“

      „Vergib mir“, sagte ich. „Ich bin aus der Übung.“

      „Wie schade“, sagte sie. „Mir würde es missfallen, wenn unser Verhältnis dich für die Frauen in Cheliax verdorben hätte.“

      Ich zuckte mit den Schultern, als könne ich es nicht leugnen, und sie lächelte, womit sie das angedeutete Kompliment annahm.

      „Trotz der unerträglich langen Zeit in der du fort warst, habe ich dich zu gern, als dass ich dir eine passende Strafe auferlegen könnte, mein süßer Varian. Deine jugendlichen Schwärmereien sind mir über die Jahre immer noch klar im Gedächtnis geblieben. Sag nicht, wie viele es waren.“ Sie legte einen Finger auf meine Lippen. „Lass es unser Geheimnis bleiben.“

      Während wir Arm in Arm weitergingen, veränderten sich die Bilder der Porträts, die in der äußeren Galerie hingen, nach und nach in Stil und Darstellung. Die derzeitigen Herrscher von Ustalav waren kräftige, bärtige Männer mit Schnauzbärten oder blasse Frauen, die allesamt in Kostümen gekleidet waren, die für die chelische Oper gerade richtig gewesen wären. Ihre Vorfahren waren ein ganz anderer Schlag –

      Männer und Frauen mit harten Gesichtszügen, eher in Eisen denn in Seide gekleidet und mit hervorstechenden Nasen, die weniger oft von den Händen kriecherischer Maler verschönert worden waren. Als wir an den bekannten Monarchen Ustalavs vorbeigeschritten waren, entdeckte ich hier und da Gemälde, die durch dunkle Samtvorhänge verdeckt waren. Carmilla bemerkte meine Neugier.

      „Die Verfluchten und die Verdammten“, sagte sie.

      „Die Schurken der Geschichte?“, fragte ich.

      „Nicht immer, nein“, antwortete sie. „Aber Fürsten, deren Vermächtnisse man besser der Vergesslichkeit der Akademie überlässt.“

      Mit einem verstohlenen Blick nach beiden Seiten griff sie nach einer der samtenen Zugschnüre.

      „Warte“, sagte ich, jedoch zu spät, um sie aufzuhalten.

      Sie enthüllte ein Porträt, dessen dicke Farbschicht von Rissen durchzogen war wie Matsch in einer von der Sonne verbrannten Wüste. Unter den rauen Konturen des darunter liegenden Lacks kam die Gestalt eines Mannes zum Vorschein, dessen teuflische Züge unbestreitbar waren. Auf dem Rücken seiner Hakennase war ein drakonischer Höcker zu sehen, und von seinen Augenbrauen aus verlängerte sich eine zerfurchte Fläche zu beiden Seiten zu langen, weißen Hörnern, wo ein Karikaturist die Augenbrauen eines Weisen zeichnen würde. Kleine weiße knöcherne Wölbungen reihten sich an hervorstechenden Wangenknochen auf, und sein langes Kinn war spitz wie ein Spatel. Wenn man die Farbveränderungen durch Alter und Lack in Betracht zog, konnte man annehmen, dass seine Haut ursprünglich die Farbe geschmolzenen Kupfers gehabt haben musste. Es war das Gesicht einer Höllenbrut, eine, die ihrem teuflischen Vorfahren noch recht nahe war.

      Carmilla ließ die Schnur los und gab das Porträt wieder der Dunkelheit preis. „Sieh jetzt nicht hin“, flüsterte sie. Ich konnte nicht umhin, mich umzudrehen und sah eine kleine Gruppe aus Gästen des Fürsten hinter uns um eine Ecke biegen.

      „Wenn du mich küsst“, sagte Carmilla, „haben sie etwas zu tratschen.“

      Ich konnte ihr Argument nicht bestreiten, also gehorchte ich. Es war so lange her gewesen, und ich hatte vergessen, wie weich und warm sie war und wie sehr ich mich fühlte, als würde ich schmelzen wie der letzte Schnee des Winters. Schon bald waren alle anderen Gedanken aus meinem Geist vertrieben. Als sie mich sanft von sich schob, fühlte ich die Verzweiflung eines Mannes im Exil. Mein Gesicht brannte sowohl vor Reue über verlorene Jahre als auch von der Wirkung des Weines, den ich an diesem Abend getrunken hatte. Carmilla machte eine Schau daraus, sich mit ihrem Fächer Luft zuzufächeln, während ich meine Fassung wiedergewann. Die Spione hatten sich zurückgezogen, aber nun hatten wir Gewissheit darüber, was sie berichten würden.

      „Ich bin doppelt froh, dass du mich aufgesucht hast“, sagte ich zu ihr. „Wenn es auch nichts gibt, das mit der Freude unseres Wieder­sehens vergleichbar wäre, hatte ich doch gehofft, du könntest mir helfen bei ...“ Ich machte eine Pause, um meiner Bitte ein schmeichelhaftes Gewand zu geben.

      „Bei dieser recht ermüdenden Angelegenheit?“, schlug sie vor.

      „In der Tat“, antwortete ich. „Eine meiner Kolleginnen ist verschwunden, und ich bin hergekommen, um sie zu finden.“

      „Sie?“, bemerkte Carmilla. „Vielleicht ist diese Angelegenheit doch nicht so ermüdend.“

      „Unsere Beziehung ist rein kollegialer Natur“, sagte ich. „Es ist wichtig für unsere Gesellschaft, dass ich sie finde.“ Carmilla bedurfte keiner Bestätigung, aber sie genoss, dass ich so tat, als sei ich beschämt. Ich wünschte, ich wäre ein besserer Schauspieler, denn ich sah die gute Laune in ihrem Gesicht schwinden, also fügte ich hinzu: „Es ist wichtig für mich.“

      Sie sah mich lange abschätzend an. Ich fürchtete schon, den Zauber unserer kürzlich wieder aufgelebten Romanze gebrochen zu haben, doch sie lächelte. „Wie erwachsen du geworden bist, mein lieber Junge“, sagte sie. Sie strich mir mit einem ihrer alabasterfarbenen Finger durchs Haar, und in meiner Eitelkeit fragte ich mich, ob sie eine der silbrigen Strähnen entlangfuhr, die in den letzten Jahren immer stärker hervorgetreten waren. „Wenn du doch nur eine Weile in Caliphas bleiben könntest. Eventuell könntest du mir dieses Mal das eine oder andere beibringen.“

      „Das wage ich zu bezweifeln, meine Herrin“, sagte ich.

      Diesmal zeigte mir ihr Lächeln ihre Freude darüber, dass ich mich der Hierarchie unterwarf – ich war nur an Jahren der Ältere. Mit einem lauten Aufschnappen ihres Fächers lenkte sie die Aufmerksamkeit eines Dieners auf sich, der sich bei den Türen des Festsaals herumdrückte, und deutete auf unsere leeren Gläser.

      „Wie es sich ergibt“, sagte sie, „habe ich etwas, das dir von Nutzen sein könnte.“

      Ich verspürte kurz einen Funken Hoffnung, bevor der Zynismus sich wieder breitmachte. Da sie mich darin noch nie enttäuscht hatte, bestätigte Carmilla auch diesmal meine Befürchtungen.

      „Natürlich“, sagte sie, „muss ich dich dafür um einen kleinen Gefallen bitten.“

      Kapitel zwei

      Tanz der Sczarni

      Gib mir einfach das gottverdammte Geld.“

      Nicola beugte sich vor, um über seine dürre Nase zu mir hinunterzublicken, und stierte mich mit seinen schwarzen Augen an. Er hatte keine Ahnung, wie sehr er durch diese Haltung einem riesigen Grashüpfer ähnelte. Wenn wir Publikum gehabt hätten, hätte ich es ihm gesagt, nur um zu sehen, wie er rot anlief. Unglücklicherweise hatte sich sogar der angeheuerte Fahrer von uns entfernt, um seine Pfeife ungestört von Nicolas Beschwerden über den Rauch genießen zu können. So standen wir allein neben dem Wagen, der mit Vorräten für die Expedition beladen war. Die aufgehende Sonne hatte den Morgennebel vertrieben, und langsam wurde es warm auf der gepflasterten Straße, die sich von den geschäftigen Märkten ausgehend den Hügel hinaufschlängelte. Wir hatten unsere Einkäufe erledigt und ich war erpicht darauf, für einen kühlen Schluck des lokalen Gebräus wieder hinunter zum Markt zu kommen.

      „Gerade du solltest wissen“, sagte Nicola, „dass ich meine Pflichten ernstnehme. Der Herr hat mir aus gutem Grund seine Börse anvertraut, und er hat nichts von einem Taschengeld für dich erwähnt, nachdem du zusätzlichen Schutz für uns angeheuert hast. Da das nun erledigt ist, nehme ich an, dass du über genügend eigene Mittel verfügst, um dich auf dem Markt zu amüsieren, oder wo auch immer du in Caliphas deine Freizeit verbringen willst. Falls nicht, gebe ich dir den Rat, besser auf dein Geld


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