Selbstmitgefühl für Eltern. Susan Pollak

Selbstmitgefühl für Eltern - Susan Pollak


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nicht im Familienunternehmen arbeiten sollen. Aber ich habe es nicht gewusst; es hat sich wie eine sichere Entscheidung angefühlt. Ich kann meinem Onkel keine Schuld geben. Ich habe das Gefühl, dass ich die Verantwortung dafür übernehmen muss, wenn etwas nicht funktioniert.« Er hielt wieder inne. »Manchmal fühle ich mich wie ein Idiot.«

      »Robert, wir treffen unsere Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Du konntest das nicht kommen sehen. Wenn wir einmal darüber nachdenken, erkennen wir, dass wer wir sind und was uns widerfährt, von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängt: von unseren Eltern, unseren Genen, dem Kulturkreis, in dem wir aufwuchsen, unserer finanziellen Situation, den Entwicklungen in der Welt. Das bedeutet nicht, dass wir keine Verantwortung für unser Verhalten und unser Handeln übernehmen müssen, aber es bedeutet auch nicht, dass wir uns für jede Kleinigkeit, jede Unzulänglichkeit, jeden Fehler, jedes Mal, wenn wir die Milch vergessen, beschuldigen müssen.

      Wir können nicht vorhersagen, welcher Job bestehen bleiben wird, wir können nicht vorhersagen, wer krank werden wird, wir können weder die Entwicklungen auf dem Aktienmarkt vorhersehen, noch das Wetter oder das Eintreten von Naturkatastrophen.«

      Die folgende, von Mark Coleman inspirierte Übung, die Robert nun täglich praktizierte, half ihm, allmählich den Druck von seinen Schultern zu nehmen.

       Du bist nicht schuld an dir

       Setze dich bequem hin und versuche, zur Ruhe zu kommen. Du kannst diese Übung im Sitzen, Stehen oder Liegen machen.

       Denke darüber nach, dass du nicht deine Schuld bist. Hast du diesen Körper bestellt? Hast du nach diesem kritischen Verstand verlangt? Deiner ethnischen Zugehörigkeit? Deiner Persönlichkeit?

       Hast du diese dysfunktionale Familie im Internet bestellt?

       Unser Leben wird von so vielen Variablen und Faktoren bestimmt, über die wir keinerlei Kontrolle haben.

       Betrachte die Dinge mit soviel Abstand, wie du kannst. Das Gesamtbild kann uns helfen, Mitgefühl für unsere Macken und Herausforderungen zu entwickeln.

       Der Psychologe C. G. Jung hat einst gesagt »Ich bin nicht das, was mir passiert ist, ich bin, was ich beschließe, zu werden«.

       Wie wäre es, wenn wir uns angesichts unserer Herausforderungen und Pro­bleme, anstatt uns zu verurteilen, zu beschuldigen und auszuschimpfen, etwas Freundlichkeit und Mitgefühl entgegenbrächten?

       Überlege dir, wie es wäre, dein Leben aus einer umfassenderen Perspektive zu sehen.

      Achtsamkeit im täglichen Leben

      Und das gilt genauso für die Plackerei der Erziehung. Ich denke nicht, dass wir jeden Aspekt der Elternschaft bedingungslos lieben müssen (es nicht so einfach, Windeln und Toilettentraining zu lieben) aber ich möchte darauf hinweisen, dass wir die Wahl haben, wie wir auf die unerfreulichsten Aspekte reagieren wollen.

      Die meisten Eltern von kleinen Kindern wechseln mindestens sechs bis acht Windeln pro Tag. Nach einer Schätzung verbrauchen Kinder insgesamt ungefähr 8.000 Windeln … wenn du mehrere Kinder hast, kannst du die Gesamtmenge ausrechnen.

      Kein Quantum an Achtsamkeit und Mitgefühl wird unangenehme Dinge aus unserem Alltagsleben zum Verschwinden bringen. Vollgekackte Windeln werden sich nicht wie durch Zauberhand in Luft auflösen oder in Gold verwandeln. Aber was geschieht, wenn wir Gewahrsein in die Aufgabe des Windelwechselns hineinbringen? Wie wir auf die täglichen Mühen des Elterndaseins reagieren, kann einen großen Einfluss darauf haben, wie wir unseren Tag erleben. Während wir die unangenehmen Aufgaben der Elternschaft und Kindererziehung nicht zum Verschwinden bringen können, haben wir eine Wahl im Hinblick auf unsere innere Einstellung dazu. Die Achtsamkeitslehrerin Sharon Salzberg betont, dass es bei Achtsamkeit nicht darauf ankommt, was passiert, sondern »wie wir auf das, was passiert, reagieren«. Was zählt, ist der Unterschied zwischen einem Gedanken wie: »Mein Leben ist beschissen, war es immer schon und wird es immer sein – das hier ist nur noch eine Steigerung« und dem Gedanken: »Das hier ist eine unangenehme Aufgabe aber es ist notwendig und wohltuend für mein Kind. Ich tue es einfach.«

      Wenn sich die täglichen Anforderungen der elterlichen Fürsorge für das eigene Kind überwältigend anfühlen und dich niederdrücken, dann probiere es in deinem Alltag einmal mit den folgenden Achtsamkeitsübungen. So wie man einen Muskel trainiert, können wir bei einfachen Handlungen wie dem Windelwechseln trainieren, mit dem anderen, nicht sprichwörtlichen »Scheiß« zu sein, der im Laufe unserer Elternschaft zutage treten wird.

       Schmutzige Windeln

       Halte kurz inne, bevor du die Windel wechselst.

       Atme durch. Spüre deine Füße auf dem Boden.

       Schau dein Baby an. Schau ihm in die Augen. Lächle.

       Schau, ob du auf eine akzeptierende, nicht-reaktive Weise bei dem bleiben kannst, was während dieser Aufgabe auftaucht Empfindungen, Gedanken, Gefühle, Gerüche.

       Wenn wir Dinge mögen, wollen wir daran festhalten. Dinge, die wir nicht mögen, wollen wir gereizt oder verärgert wegschieben.

       Eine angemessene Reaktion ist es, anzuerkennen, dass dies nicht verschwinden wird, ob es mir passt oder nicht.

       Nimm die einzelnen Schritte des Windelwechselns bewusst wahr das Aus- und Anziehen der Kleidung, die Benutzung von Feuchttüchern, Öl, Puder.

       Vielleicht schreit das Baby, windet und wehrt sich. Das tun Babys eben. Atme tief ein und aus, bleib geerdet. Dieser Moment wird vorbeigehen.

       Schau, wie es ist, die Dinge so sein zu lassen, wie sie sind und nicht davon abgestoßen zu werden.

       Das gehört zum Leben. Der Zen-Meister Thich Nhat Hanh hat oft gesagt »Kein Schlamm, kein Lotos«.

       Während du diese Tätigkeit beendest, ist dir bewusst, dass du dein Baby sauber und zufrieden hältst.

       Wenn du magst, kannst du das Ganze mit einem Lächeln und einer Umarmung abschließen.

       Wiederhole das 8.000 Mal.

      Viele Meditationslehrer und -lehrerinnen weisen darauf hin, dass man nicht viel Zeit im Tagesablauf einplanen muss, um still zu sitzen – welche Eltern können sich diesen Luxus schon leisten? Sehr hilfreich ist die Vorstellung, dass zahlreiche achtsame Momente im Laufe des Tages einen riesigen Unterschied in Bezug auf das eigene Wohlbefinden und die Fähigkeit, mit Stress umzugehen, ausmachen können. Eine meiner Lehrerinnen brachte es auf den Punkt – »Kurze Momente – oft«. Achtsamkeit zu praktizieren muss keine große Sache sein. Du kannst das immer und überall machen und dabei tun, was du sonst auch tust. Ziel dieser Übungen ist es, zu


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