Selbstmitgefühl für Eltern. Susan Pollak
Job zu verlieren!«
Die Beiden nickten.
»Betrachtet es als etwas, das ihr ihm beibringt, so wie ihr ihm bald beibringen werdet, Fangen zu spielen.«
»Ich werde nicht zulassen, dass er sich die Lunge aus dem Hals schreit«, insistierte Kyra. »Sonst breche ich das hier ab«, sagte sie warnend.
Kein trendiger »Bullshit«.
Im Laufe der nächsten paar Wochen arbeiteten alle zusammen, um Tim zu helfen, nachts durchzuschlafen. Sie begannen sanft und langsam. Anstatt ihn hochzunehmen und zu füttern, kam Leon ins Zimmer und legte seine warme Hand auf den Rücken des Babys.
»Es ist Okay, Großer, du brauchst jetzt keine weitere Mahlzeit. Es geht dir gut. Ich bin hier, ich liebe dich.«
Manchmal sang Leon. Oft waren es die Lieder, die seine Mutter und Großmutter einst für ihn gesungen hatten, oder Lieder, die er in der Kirche gelernt hatte. Wenn Leon sang, lächelte Tim und kuschelte sich in seine Decke und an seinen Teddybär. Nachdem Tim sich daran gewöhnt hatte, brauchte er manchmal nur noch einen kleinen Klaps auf den Rücken und sanft gesprochene Worte. »Ich bin hier, du kannst wieder einschlafen. Es ist alles in Ordnung. Mama und Papa lieben dich.«
Auch wenn Tim manchmal noch jammerte und es nicht jede Nacht funktionierte, so wurde es doch besser. Die Sache lief in die richtige Richtung. Tim lernte, dass er wieder einschlafen konnte, ohne gehalten und gefüttert zu werden.
»Es sieht so aus, als ob er seinen eigenen Rhythmus findet. So als ob er den Rhythmus der Lieder in sich aufnimmt, die Worte und Klänge, und sie in seinem Körper fühlt. Wirklich, ich schwöre,« lächelte Leon stolz. »Ich komme aus einer Musikerfamilie, er hat das im Blut.«
Nachdem Tims Eltern durch unsere Arbeit im Laufe der folgenden Wochen gelernt hatten, seine natürlichen Schlafzyklen zu verstehen und zu respektieren, und dass er nicht mehr nach Bedarf gefüttert werden musste, fiel es ihnen leichter, loszulassen. Und als Kyra und Leon anfingen, sich selbst Pausen zu gönnen, zur Ruhe zu kommen und gemeinsam am Schlafproblem zu arbeiten, hörten sie auf, ständig zu zanken, und begannen, die Gegenwart des jeweils anderen allmählich wieder zu genießen. Und am Ende schliefen alle nachts durch – meistens jedenfalls. »Also anfangs dachte ich, das funktioniert nie«, sagte Leon, »aber dieser Kram hat wirklich geholfen.«
»Mami liebt mich nicht mehr«
Es war ein hartes Jahr gewesen. Margot hatte die letzten Monate ihrer Hochrisikoschwangerschaft im Bett verbracht, worauf eine komplizierte Geburt folgte. Sie und das Baby überlebten nur durch eine Notfallbehandlung. Sowohl sie selbst als auch Lila hatten danach weiterhin mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und Margot hatte kaum genug Energie, sich selbst zu versorgen, geschweige denn, dieses zarte Baby und ihren widerspenstigen fünfjährigen Hannes.
Zu allem Unglück litt Margot auch noch sehr unter dem Tod ihrer Mutter, die während Margots Schwangerschaft gestorben war. Weil Margot damals strikte Bettruhe einhalten musste, hatte sie ihre Mutter nicht mehr besuchen können, um sich zu verabschieden. Sie hatten ein sehr ambivalentes Verhältnis gehabt und nun war Margot überrascht, wie sehr die Trauer sie überwältigte. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass sie ihre Mutter jemals so sehr vermissen würde und wünschte sich oft, ihre Mutter würde wie durch ein Wunder plötzlich auftauchen, um ihr zu helfen – besonders jetzt.
Tatsächlich musste sie eines Abends, als sie versuchte, ein Abendessen zuzubereiten, an ihre Mutter denken. Ihr Mann war bei der Arbeit, denn er hatte einen zusätzlichen Job angenommen, damit sie die Rechnungen für Margots medizinische Behandlung bezahlen konnten. Die Versicherung hatte nur einen kleinen Teil der Kosten übernommen. Er tat, was er konnte, aber auch er war erschöpft und reizbar. Sie hatten sich vorgestellt, dass es schön für Hannes wäre, ein Geschwisterchen als Spielkameraden zu haben und dass auch ihr Leben dadurch leichter würde. Niemand hatte mit diesem Albtraum gerechnet.
»Hannes, könntest du bitte ein bisschen mit Lila spielen, während ich das Abendessen mache?«, fragte Margot.
»Was soll ich tun?«, fragte er zurück.
»Oh, erzähl ihr einfach eine Geschichte oder singe ihr ein Lied vor; alles ist okay«, erwiderte Margot.
Hannes begann seine Lieblingslieder zu singen, war aber schon bald mit seinem Repertoire am Ende. Das Baby fing an zu weinen. Zu allem Unglück litt es unter Koliken und schrie ständig. Das brachte alle an ihre Grenzen.
»Versuche etwas anderes,« schlug Margot vor. »Das Essen ist fast fertig. Nur noch ein paar Minuten.«
»Können wir sie nicht zurück ins Krankenhaus bringen?«, fragte Hannes. »Ich mag sie nicht, sie macht zu viel Krach.«
»Hör auf, das ist deine Schwester und sie war krank. Sie ist hier und wird bleiben.« Hannes warf seiner Mutter ein boshaftes Grinsen zu und erfand sein eigenes Lied, das er in einem Singsang zum Besten gab.
Mami liebt dich
Mich liebt sie nicht
Aber das ist mir egal
Ich brauche Mami nicht mehr
Du kannst die grantige Mami haben
Ist mir egal
Sie gehört ganz dir
Ich brauch keine Mami mehr.
Margot war sprachlos. Sie wusste nicht, was sie tun oder sagen sollte. Sie hätte am liebsten losgeschrien und Hannes aus dem Zimmer geschickt. Sie wollte ihn sogar versohlen, obwohl sie sich geschworen hatte, das niemals zu tun, aber sie hatte keine Kraft mehr für irgendetwas – außer sich ins Bett zu legen. Und er hatte getan, worum er gebeten worden war. Allerdings hatte sie nicht um Aggression gebeten. »Wow«, dachte Margot, »jetzt verstehe ich, warum unsere Mutter uns so oft geschlagen hat. Ich hätte nie gedacht, dass ich so wütend auf mein eigenes Kind werden könnte.«
»Aber ich liebe dich doch«, protestierte sie. Hannes wirkte nicht überzeugt. Und in Wahrheit war sie wütend auf ihn.
Sie verharrten in eisigem Schweigen, der einzige »Soundtrack« war das Schreien des Babys.
Margot brachte die Kinder zu Bett und ging dann in ihr Zimmer. Ihr war eiskalt und sie fühlte sich wie abgestorben. Als ihr Mann von der Arbeit nach Hause kam, konnte sie kaum sprechen. Sie hatte stundenlang geweint, in Wolldecken gehüllt, zitternd, mit einem Stofftier des Babys im Arm.
»Schon wieder ein schwerer Tag? Was ist los?« Margots Mann versuchte kaum, seine Gereiztheit zu verbergen.
»Ich bin am Ende. Ich bin am Boden zerstört. Und ich habe Hannes Schaden zugefügt. Er hasst mich. Ich schaffe das nicht – es ist einfach zu viel«, schluchzte Margot. »Ich bin eine furchtbare Mutter.«
In der Klinik wurde Margot eine postnatale Depression diagnostiziert und eine Medikation begonnen. Nachdem sie sich allmählich stabilisiert hatte, arbeiteten wir daran, ihre Gesundheit wieder herzustellen, ihre Mutter zu betrauern und mehr Unterstützung zu bekommen.
Margot hatte keine Zeit und kein Interesse an einer formellen Achtsamkeitspraxis. Einfach nur den Tag zu überstehen war bereits ein Sieg, aber sie war offen für alle informellen Übungen, die ihr helfen könnten, die Dinge wieder »in den Griff zu bekommen« – besonders an Tagen, an denen Hannes schwierig war und das Baby unter Koliken litt.
Gemeinsam dachten wir uns folgende Übung aus. Wie bereits erwähnt, musst du dich nicht aufs Meditationskissen setzen, um Achtsamkeit zu praktizieren; du kannst das auch im Gehen, Stehen oder Liegen tun.
Meditation »Mit dem Baby schwingen«
Stell dich hin und spüre den Boden unter deinen Füßen.
Finde eine angenehme Position, um das Baby zu halten.
Wiege dich von einer Seite zur anderen und vor und