Selbstmitgefühl für Eltern. Susan Pollak

Selbstmitgefühl für Eltern - Susan Pollak


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dass wir es tun – vielleicht indem wir versuchen, die Dinge etwas mehr mit unseren Sinnen wahrzunehmen.

      Probiere die folgende Übung einmal morgens aus, wenn es hektisch zugeht und du kaum Zeit zum Frühstücken hast (keine Sorge, ich werde jetzt keinen Vortrag über die gesundheitlichen Vorzüge von Kräutertee halten). Das erinnert mich an einen Spruch, den ich kürzlich im Internet gelesen habe: »Da sitzt ein Typ im Café, hängt nicht am Handy, hackt nicht auf seinen Laptop ein; trinkt einfach nur Kaffee. ­– Was ein Psycho.« Wie oft trinkst du einfach nur deinen Kaffee, wenn es Zeit ist, deinen Kaffee zu trinken? Achtsamkeit muss nicht 10 Minuten lang auf einem Meditationskissen stattfinden, sie kann 10 Minuten lang beim Kaffeetrinken stattfinden. Okay, vielleicht 5 Minuten. Denn du brauchst ­wirklich zwei Dinge, um als Mutter oder Vater bei Trost zu bleiben: Deinen Kaffee und deine fünf Minuten.

       Meditation »Kaffeetrinken«

       Falls du deinen Kaffee selbst zubereitest: Halte inne und atme tief durch, bis das Wasser kocht.

       Lausche den Geräuschen des sich erhitzenden Wassers oder der Kaffeemaschine.

       Rieche den Kaffee; nimm den Duft in dich auf.

       Achte beim Einschenken des Kaffees auf alle Sinneseindrücke: Nimm aufmerksam die Farbe, den Geruch und den Dampf wahr, der aus der Tasse aufsteigt.

       Falls du Milch, Sahne oder Zucker hinzufügst, nimm auch das aufmerksam wahr. Achte bewusst auf die Tätigkeit des Umrührens.

       Halten inne, bevor den ersten Schluck nimmst. Inhaliere das Aroma.

       Spüre die Wärme der Tasse.

       Genieße den ersten Schluck. Ahhh.

       Schmecke den Kaffee wirklich.

       Was bemerkst du? Wie fühlt sich das auf deiner Zunge an? Lass dich die Empfindung des Schluckens spüren.

       Nimm dir eine Minute Zeit, um dort zu sitzen (oder zu stehen falls es einer dieser Morgen ist), halte inne, während du den Kaffee trinkst und nimm so viele Momente wahr, wie du kannst.

       Schau, ob du diese Aufmerksamkeit und dieses Gewahrsein in deine alltäglichen Aktivitäten hinüber retten kannst. Versuche, alle paar Wochen eine neue Aktivität hinzuzufügen, der du totale Aufmerksamkeit schenkst.

      Lästige Aufgaben

      So wie Achtsamkeit uns helfen kann, unsere Kinder mit neuen Augen zu sehen, kann sie uns auch helfen, Dinge, die wir normalerweise im Autopilot-Modus erledigen oder die wir als lästig oder mühsam empfinden, mit einer neuen Einstellung zu tun. Wir haben nicht gezählt, wie viele Wäscheladungen wir zusammengelegt oder wie viele Töpfe und Pfannen wir gespült und abgetrocknet haben, aber glaub mir, es sind sogar noch mehr als die Windeln, die wir gewechselt haben. Jahrelang war Hausarbeit eine ungeliebte, lästige Pflicht, unangenehm aber notwendig. Und wie immer haben wir keine Wahl im Hinblick auf das Geschirrspülen, Wäschewaschen oder Windelwechseln. Es muss getan werden. Aber wir haben die Wahl, mit welcher Einstellung wir diese Aufgaben erledigen wollen. Wir können murren und uns beklagen oder wir können versuchen, etwas Neues oder sogar Vergnügliches in der jeweiligen Aufgabe zu entdecken. Eine andere Möglichkeit, mehr Achtsamkeit ins Alltägliche hineinzubringen, ist, diese Dinge bewusst zu einer Entdeckungsreise zu machen und neugierig zu werden. Kannst du, während du etwas Bestimmtes zum x-ten Mal machst, etwas Neues darin entdecken? Schau, ob du etwas wahrnehmen kannst, was du bisher noch nie an einem Wäscheberg, an den Farben des Geschirrs und … Okay vielleicht oder vielleicht auch nicht an dieser Windel wahrgenommen hast. Unsere Kinder sind von Natur aus neugierig, besonders, wenn sie klein sind, und sie drücken das jederzeit aus. Bitte sie, dir Gesellschaft zu leisten und die Empfindungen und Erfahrungen während der Hausarbeit wahrzunehmen. Sie drücken ihre Sinneserfahrung oft unmittelbar aus »Ohhh, das Wasser ist warm, die Seife kitzelt, die Blasen sind lustig.« Versuche, dieses Wunder im Alltäglichen zu entdecken. Wenn die Kinder das können, kannst du es auch.

      Viele Lehrerinnen und Lehrer vermitteln eine bestechend einfache Übung, bei der man der eigenen Hände gewahr wird. Ich habe sie zuerst von Tara Brach gelernt. Hier eine Version, die ich für Eltern kreiert habe:

       Achtsamkeit für die Hände

       Erlaube dir zunächst einmal, einen Moment innezuhalten, bevor du den Haufen Geschirr im Spülbecken spülst oder den Berg Wäsche zusammenlegst, vor dem du dich den ganzen Tag gedrückt hast.

       Betrachte deine Hände. Fang an, mit den Fingern zu wackeln und lass behutsam die Handgelenke kreisen. Werde der Bewegungen gewahr.

       Balle die Hände zu Fäusten und öffne sie wieder. Spüre deine Hände von innen nach außen.

       Nimm die Empfindungen in deinen Händen wahr das Pulsieren und Vibrieren. Du musst das nicht benennen, einfach nur fühlen.

       Werde jedes einzelnen Fingers gewahr, der Handflächen und Handrücken.

       Schau, wie es sich anfühlt, deine Hände zu »bewohnen«. Vielleicht stellst du fest, dass andere Bereiche deines Körpers anfangen, sich zu entspannen und loszulassen.

       Nimm deinen Nacken deine Schultern, deinen Kiefer wahr. Hat sich da etwas geändert?

       Bleib mit deiner Aufmerksamkeit bei deinem Körper, bevor du mit der nächsten Tätigkeit beginnst.

      Diese Übungen können aufeinander aufbauen. Probiere die folgende kurze Reflexionsübung aus.

      Reflexion: Seifenblasen

       Versuche dich zu erinnern, wann du das erste Mal in Seifenwasser geplanscht hast.

       Für manche kleinen Kinder haben Seifenblasen etwas Magisches. Kinder entdecken oft Regenbögen darin, die Erwachsene aufgrund der ganzen Plackerei gar nicht mehr sehen.

       Wenn du anfängst, die Töpfe und Pfannen vom Mittagessen zu spülen, betrachte die Seifenlauge einmal mit neuen Augen.

       Stell dir vor, du sähest diese Seifenblasen zum ersten Mal, was du ja eigentlich auch tust.

       Werde deiner Hände gewahr, spüre die Wärme des Wassers, rieche das Spülmittel, richte deine ganze Aufmerksamkeit auf deine Tätigkeit.

       Mach dir bewusst, mit welcher Einstellung du an diese Aufgabe herangehst. Ist es dir lästig, einen Berg Geschirr zu spülen und abzutrocknen? Was geschieht, wenn du an diese Aufgabe herangehst, als würdest du das zum ersten Mal machen?

       Schau, ob du dieses Gewahrsein deiner Einstellung zu einer bestimmten Tätigkeit im Laufe des Tages auch in andere Aufgaben hineinbringen kannst.

      4 Eine


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