Die Kraft, die aus der Liebe wächst!. Hermine Merkl

Die Kraft, die aus der Liebe wächst! - Hermine Merkl


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damit wir lernen, stets respektvoll und wertschätzend miteinander umzugehen. Oder um es mit einem Kinderreim zu sagen: „Was du nicht willst, das man dir tut, das füge auch keinem anderen zu.“

      Egal, ob es um die Er-ziehung oder um die Be-ziehung geht, meine Erfahrung hat mich gelehrt: Der Liebe im Wege zu stehen, heißt, dem Leben im Wege zu stehen. Heißt, sich nicht zu erlauben, dass die Wunder der Liebe ihren Weg in unser Herz und in unser Leben bahnen.

      Sehr gerne vergleiche ich die Aufgabe der Erziehung, vor die sich Eltern, Erzieher und Pädagogen gestellt sehen, mit der Arbeit eines Bildhauers. Wie er wissen auch sie als Erzieher zunächst nicht, wie sich das Kind „formen“/erziehen lässt und vor allem auch nicht, wie viel es an „Er-zieh-ung“ überhaupt benötigt, um ganz in seine Persönlichkeit hineinzuwachsen und sich nach und nach immer mehr in seiner schönsten Form/Gestalt zu entwickeln und zu entfalten. Um irgendwann ganz die Person/Skulptur sein zu können, die der schönste und facettenreichste Ausdruck ihrer Selbst ist. Oder um es anders zu sagen: um ganz die Person zu werden, die Gott, unser Schöpfer, gemeint hat. Für die er uns alles Potenzial gegeben hat, dessen wir bedürfen, um zu gegebener Zeit unsere Fähigkeiten voll und ganz zur Blüte zu bringen, um sie mit der Welt zu teilen.

      Wie der Bildhauer haben auch wir als Erzieher und Pädagogen am Anfang nur das „Material“ (das Neugeborene/das Baby, das Kleinkind, den Schüler) oder um im Vergleich mit dem Bildhauer zu bleiben, den Stein, das Holz, den Ton etc.

      Was sich daraus entwickeln wird? Wir wissen es noch nicht. Wir können es bestenfalls erahnen. Ob es unseren Wünschen und Erwartungen entsprechen wird? Inwiefern ist das erstrebenswert? Hat es unseren Vorstellungen zu entsprechen oder ist es nicht vielmehr in die Welt gekommen, um ganz die Person zu werden, die in ihm angelegt ist. Es wird seinen eigenen Charakter, seinen ganz ihm eigenen Wesenskern haben. Ganz so, wie wir auch bei einem Marmorblock oder einem Stück Holz mit bestimmten Ausmaßen nicht wissen können, ob es innerhalb des Materials bestimmte Adern/Verästelungen/Einschüsse anderer Materialien etc. gibt.

      Wir können uns als Eltern bestenfalls fragen: Kommt es mehr nach dem Vater oder kommt es mehr nach der Mutter? Wird es gesund sein? Ist es ein Bub oder ein Mädchen? Was hätte ich denn gerne oder freue ich mich nicht einfach nur daran, dass es ein wunderbares Kind sein wird, das ich als Geschenk Gottes an uns als Eltern empfangen darf? Welche Farben werden die Augen haben? Welche Nase? Welche Haare? Wird es einmal eher groß oder eher klein sein? Und, und, und … – Dies alles wissen wir nicht.

      Doch wir können uns mit Fragen darauf vorbereiten, so wie es auch der Künstler tut. Auch er betrachtet sein Material als Erstes nur ganz liebevoll und wertschätzend über mehrere Stunden, vielleicht sogar Wochen oder Tage. Macht sich vertraut mit dem Material, mit dem er arbeiten will. Nähert sich ihm immer und immer wieder an. Verbindet sich mit ihm. Stellt zwischen sich und dem „Rohling“ sozusagen eine geistige Verbindung, eine mentale Brücke her. Spricht vielleicht sogar mit ihm, weil er weiß, dass auch dieses Material, das sich noch so roh und stumpf anfühlen mag, dennoch bereits beseelt ist. Im Grunde seines Herzens weiß er bereits, dass die Skulptur, die er erschaffen mag, in seinem Werkstück bereits vorhanden ist und lebt, denn die Idee dazu ist ja schon da. Wäre dies nicht der Fall, hätte er sich unter Umständen für ein ganz anderes Material (andere Größe, andere Form, anderes Gewicht etc.) entschieden. Der Bildhauer weiß bereits – wenn vielleicht zunächst auch nur sehr schemenhaft –, was er aus diesem wunderbaren und einmaligen Material gestalten will.

      Vor seinem geistigen Auge kann er das fertige Kunstwerk sehen. Kann es fühlen. Es erahnen. Es je nach Material vielleicht sogar riechen oder hören, wenn er zum Beispiel einen Klangkörper erschaffen will. In ihm lebt die Vision, die Vorstellung, die er sich von seinem Kunst-Objekt macht. Dabei ist er sich ganz und gar der Tatsache bewusst, dass ihn letztlich das Material mit all seinen Eigenschaften und Eigenheiten durch den Entstehungsprozess führen wird. Er ist sich dessen bewusst, dass er dem Objekt zwar eine Gestalt geben wird, dass es aber eine andere Quelle gibt, die dieses Kunstobjekt beseelen wird. Um die Statue sowohl im großen Ganzen wie auch mit jedem noch so kleinen Detail insgesamt zu erfassen und ihr gerecht zu werden, indem er ihr die schönste Ausdrucksform verleiht, verbindet er sich immer und immer wieder mit dem Schöpfer, der auch ihn, den Künstler, bei seinem Handwerk anleitet und führt.

      Er wird sowohl sich als auch dem Objekt immer wieder Ruhezeiten gönnen, um es auf sich wirken zu lassen. Um es zu studieren. Um sich jedes Mal aufs Neue liebevoll mit ihm zu verbinden, damit er auch ja all die Feinheiten zu erfassen vermag, die herausgearbeitet werden wollen.

      Immer und immer wieder wechselt er sogar das „Werkzeug“. War es anfangs vielleicht noch der grobe Schlägel oder eine sehr grobe Feile, mit der er die ersten Kanten und Ecken weggeschliffen hat, so arbeitet er nach und nach immer mehr mit feinen Instrumenten, um dem Werkstoff gerecht zu werden und um sein Kunstwerk nur ja nicht zu verletzen. Es ist ihm wichtig, nur ja nichts abzubrechen, um keine Wunden/Narben zu hinterlassen, die der späteren Schönheit seiner Skulptur nicht zuträglich wären.

      Mit aller Liebe, ganz viel Sorgfalt und dem nötigen Respekt vor Material und Werkstück macht er sich ans Werk, um das Schönste hervorzubringen, was ihm gelingen kann. Im Entstehungsprozess selbst wächst er immer mehr mit seiner Skulptur zusammen und ist sich stets bewusst, dass er das Werkstück unter Umständen ruiniert, wenn er auch nur einen Fehler macht. Deswegen arbeitet er hoch konzentriert und zollt auch damit dem späteren Objekt seinen Respekt.

      Er weiß, dass die Skulptur nicht einfach nur so nebenbei erschaffen werden kann, sondern dass sie all der Liebe und Hingabe bedarf, die er seinem Projekt zu geben vermag. Er sieht sich in der Verantwortung, sein Bestes zu geben, verzichtet während des Entstehungsprozesses freiwillig auf die Erfüllung eigener Bedürfnisse, sondern widmet sich ganz dem Werk, das er mit Liebe und Hingabe erschaffen will. Er weiß, dass ihm das Beste nur dann wirklich gelingt, wenn er diese Arbeit aus ganzem Herzen tut.

      Ihm ist klar, dass es mehr die Aufgabe des Kopfes war, sich um die ganzen logistischen Vorbereitungsarbeiten wie Materialbeschaffung, Materialsichtung, Materialauswahl plus Standortbestimmung etc. zu bemühen. Jetzt, wo er nur noch am Objekt selbst arbeitet, weiß er, wie wichtig es ist, dass er seinem Herz-Projekt oberste Priorität einräumt, damit er mit ihm intensiv in Kontakt bleiben kann. Es hegt und pflegt. Er weiß, dass der Erfolg seines Projektes damit steht und fällt, mit wie viel Herzblut, mit wie viel Herz-Zentriertheit und Verbundenheit er an seine tägliche Arbeit geht. Je mehr er sich in sein Projekt verliebt, selbst dann, wenn es vielleicht auch einmal die eine oder andere Hürde zu nehmen gilt, fühlt er sich seinem Projekt nicht nur nah, sondern er „nährt“ es mit seiner Liebe. Auch dann, wenn es ihm hin und wieder einmal den Schweiß auf die Stirn treibt.

      Er gibt nicht auf, an das Wahre, an das Gute, das Vortreffliche, das Schöne, das Einzigartige seines Kunstobjektes zu glauben. Er weiß, dass ihm sein Projekt am besten gelingt, wenn er es von Anfang an aus ganzem Herzen liebt, egal wie lange der Schaffensprozess dauern mag und wie viele persönliche Freiräume er diesbezüglich unter Umständen vorübergehend aufzugeben hat. Er weiß, dass er sein Werk bis zum Tage der „Enthüllung“ und sogar noch weit darüber hinaus lieben wird, weil er es mit so viel Aufmerksamkeit, Sorgfalt, Empathie, Hingabe und Liebe begleitet hat, und weil ihm dabei jeder einzelne Arbeitsschritt bewusst und wichtig war.

      Mit der Erziehung von Kindern ist es sehr ähnlich. Erziehung kann nur dann als erfolgreich angesehen werden, wenn sie unter den gleichen wertschätzenden und liebevollen Bedingungen gelebt wird, wie es der Künstler mit seinem Kunstprojekt tut. Auch die Erziehung eines Kindes kann als ein Projekt angesehen werden, bedarf aber in jedem Fall der Zugabe von Liebe, damit sie recht gelingen kann, denn ohne eine grundständige Liebe zum Menschen und zum Kind an sich kann Erziehung nur bedingt gelingen. Dann werden zwar bestimmte Lebensbedingungen „ausgehandelt“, unter denen man ein Miteinander gestalten kann, doch wie glücklich und intensiv sich dieses zeigen wird, ist ungewiss. Egal ob es sich dabei um die Erziehung durch Eltern, Erzieher oder im späteren Alter der Kinder um Lehrer/Pädagogen handelt, die am Erziehungsprozess beteiligt sind.

      Das Fundament sowie die Motivation der Erziehung sollte stets die LIEBE sein. Je intensiver, besser und schöner diese zwischen


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