Die Schneckeninsel. Urs Schaub

Die Schneckeninsel - Urs Schaub


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eintrafen. Einzelne Grüppchen schlenderten gelegentlich durch den Garten oder guckten fröhlich winkend durch die Fenster in die Küche. Die Mädchen, die Tanner sah, schätzte er auf vierzehn bis achtzehn Jahre. Morgen würde er von Teresa Wunder einige Informationen über die Schule erhalten. Das hatte sie ihm versprochen, als sie kurz nach fünf in die Küche schaute. Sie erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei, und kündigte an, dass sie um acht Uhr Tanner und Keller kurz in den Speisesaal holen würde, um die Ferienvertretung des Küchenchefs vorzu­stellen.

      Von der Küche zu den Speisesälen gab es zwei Küchenlifte. Kurz nach halb acht wurden diese mit den Käseplatten und den unzähligen Salatschüsseln bestückt. Das Servicepersonal hatte indessen die Speisesäle hergerichtet, und die Schülerinnen setzten sich.

      Kurz vor acht kam Teresa Wunder wie versprochen und führte die beiden Küchenchefs in die Speisesäle.

      Tanner, ich möchte Sie erst Madame de Klerk und dann den beiden Erzieherinnen vorstellen.

      Tanner nickte und folgte ihr durch das Gewusel der Schülerinnen, die jetzt in die Säle strömten.

      Madame de Klerk saß an einem einzelnen Tisch nahe am Fenster, das direkt auf See und Garten blickte.

      Tanner erschrak beinahe. Das war nicht das Wesen, dass er heute Nachmittag sich hatte krümmen und nach Luft ringen sehen. Diese Madame war das blühende Leben selbst und ganz bestimmt nicht alt. Da musste er irgendetwas falsch verstanden haben. Ihre Haut war glatt. Ihre Augen leuchteten, und sie hatte volle Lippen, die diskret geschminkt waren. Sie hatte keinerlei Falten außer einigen Lachfältchen um die Augen. Diese Madame hatte schönes, dunkelblondes Haar. Ihre Kleidung war sicher teuer, wirkte aber wie aus einem anderen Jahrhundert. Sie sah außerordentlich vornehm aus und hätte sofort in einer altmodischen Inszenierung von Drei Schwestern auftreten können.

      Tanner ließ es nicht nehmen, sie mit einer knappen Verbeu­gung und die ihm kühl entgegen gestreckte Hand mit einem angedeuteten Handkuss zu begrüßen.

      Jetzt kam die nächste Überraschung: Sie hatte eine aus­gesprochen tiefe und raue Stimme. Tanner tippte auf schwere Raucherin.

      Herzlich willkommen in unserem Institut. Mein Sohn, der Direktor, kann Sie heute leider noch nicht begrüßen. Er kommt wahrscheinlich erst Freitag oder Samstag.

      Tanner stutzte. Interessant. Jeder sagte einen anderen Ankunftstag voraus.

      Sie fixierte ihn mit ihren tiefblauen Augen und entließ ihn mit einer lässigen Handbewegung.

      Teresa ging mit Tanner einen Tisch weiter, wo die beiden Erzieherinnen saßen. Es waren zwei jugendlich, sportlich und sympathisch wirkende Frauen.

      Teresa stellte ihn kurz vor. Er schüttelte jeder die Hand, hatte aber die Namen sofort wieder vergessen.

      Teresa wandte sich nun an die Schülerinnen. Sie klingelte energisch mit einer Tischglocke, und nach und nach wurde es still im Raum.

      Sie begrüßte die Mädchen, nannte einige Termine und Verschiebungen im Schulprogramm der nächsten Woche und stellte Tanner als Küchenchef vor. Dann wünschte sie Max Keller schöne Ferien, Petri Heil und eine gute Rückkehr. Die Mädchen applaudierten heftig.

      Währenddessen schaute sich Tanner die jungen Mädchengesichter an. Das Gesicht des Mädchens allerdings, das ihn vor dem Teufel gewarnt hatte, fand er nicht unter ihnen. Tanner und Keller gingen zurück in die Küche, wo sich Keller von der ganzen Küchenmannschaft verabschiedete, denn er fuhr bereits heute Abend weg, da morgen sein Flug nach Kanada sehr früh starten würde.

      Tanner war nun für den Rest des Abendessens allein mit der kleinen Küchenmannschaft. Der Service meldete, dass es absehbar keine weiteren Nachbestellungen für Kartoffeln und Käse geben würde, allerdings seien noch drei große Schüsseln Salat gewünscht. Die Sauce sei heute aber auch gar zu lecker.

      Annerös und Lydia beglückwünschten Tanner lachend, der hatte nämlich unter den kritischen Augen Kellers ein paar ei­genmächtige Veränderungen an der Fertigsauce vorgenommen. Mit einer kräftigen Portion Honig und Holundersirup und einigen Brisen weiterer Gewürze.

      Also entweder nur Öl, Essig, Pfeffer und Salz oder dann schon richtig.

      Keller hatte nur mit den Schultern gezuckt.

      Ab morgen machen wir die Sauce von Grund auf selber. Einverstanden?

      Die beiden Frauen nickten. Der Stumme lächelte.

      Nach dem Essen kam Teresa Wunder in die Küche und nahm Tanner beiseite.

      Werden Sie es mit der kleinen Mannschaft schaffen? Keller meckerte immer, dass er mehr Leute brauchte.

      Nein, nein, das geht schon in Ordnung. Die Mannschaft ist gut. Man muss sie nur selbständig machen lassen.

      Sie nickte.

      Gut zu wissen. Danke. Ach ja, Frau de Klerk wünscht Sie noch zu sprechen. So gegen zehn in ihrem Salon.

      Sie guckte auf die Uhr.

      Dann müssten Sie ja hier fertig sein. Schaffen Sie das?

      Tanner nickte und runzelte die Stirn.

      Es tut mir leid, ich weiß nicht, was sie will. Sie schien irgend­wie verärgert zu sein. Weswegen weiß ich nicht. Nehmen Sie es gelassen.

      Entschuldigen sie, Teresa, man hat mir gesagt, dass Frau de Klerk schon sehr alt sei? Aber das kann doch nicht diese Frau sein, die Sie mir vorgestellt haben?

      Teresa lachte.

      Also, wie alt sie genau ist, weiß niemand, aber sie ist deutlich älter als sie aussieht. Tja, ich wüsste auch gerne, wie sie das macht. Sie ist ein Phänomen. Vielleicht ein Naturwunder?

      Tanner nickte.

      Ja vielleicht. Dann gute Nacht.

      Gute Nacht.

      Er blickte ihren geschwinden Schritten nach.

      Frau de Klerk verärgert?

      Er zuckte die Achseln, drehte die Gashähne zu und machte noch einmal eine Sauce für die drei Schüsseln Salat, die von Annerös vorbereitet wurden.

      Kurz nach zehn klopfte er leise an die Tür von Frau de Klerks Zimmer. Zuvor hatte er sich vergewissert, dass alle anderen Türen, auch die einer gewissen L. Dürr, nicht etwa zwecks Lauschens halb geöffnet waren. Das Weiße Schloss lag in tiefer Ruhe. Er klopfte noch einmal und drückte dann nach drei Atemzügen die Klinke. Die Tür war nicht abgeschlossen. Er öffnete sie. Der Raum lag vollkommen im Dunkel.

      Machen Sie die Tür zu und kommen Sie rein. Ich sitze hier am Fenster.

      Er schloss die Tür und blieb einen Augenblick stehen. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Er sah sie als dunkle Silhouette am Fenster sitzen.

      Kommen Sie schnell. Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Nehmen Sie Platz. Neben mir ist ein Stuhl.

      Sie klopfte mit ihrer Linken auf einen Polsterstuhl. Tanner setzte sich.

      Schauen Sie. Jetzt geht gleich der Mond auf.

      Tanner war verblüfft. Der See leuchtete matt, als ob es an seinem Grund eine Leuchtquelle gäbe. Am dunklen Firmament leuchteten nur ein paar vereinzelte Sterne.

      Sie zeigte auf eine tiefe Kerbe zwischen zwei hohen Gipfeln.

      Dort. Schauen Sie. Dort wird er gleich erscheinen.

      Sie hatte recht. Ein kalt glühender Goldschimmer hatte sich bereits an die Ränder dieser Kerbe gelegt, als ob jemand mit einem Goldstift den schwarzblauen Bergrändern nachgefahren wäre.

      Dann erschien der Mond. In einem unglaublichen Tempo schob sich die leuchtende Scheibe zwischen den Bergen hinauf. Ein gigantisches Spektakel.

      Er ist noch nicht voll, sehen Sie. Das wird erst am nächsten Freitag der Fall sein.

      Wenn der Herr Direktor zurückkommt, schoss es Tanner durch den Kopf.

      Er betrachtete ihr Profil. Sie betrachtete


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