Pragmatische Bedingungen der Topikalität. Detmer Wulf
avoided is the choice of a theme that has not yet been stated in the preceding sentence, and secondly, the rhematic elements should not be introduced too early since they might be misinterpreted by the hearer (or reader), who expects that rhematic elements will constitute the culmination of the sentence. (82f.)3
Abgesehen von der Ersetzung der alten, psychologischen Terminologie scheinen Mathesius’ Ausführungen in den hier zitierten Passagen noch auf der Linie von Hermann Paul zu bleiben und nicht über dessen Ansätze hinauszugehen. Sein Aufsatz „Zur Satzperspektive im modernen Englisch“ (Mathesius, 1929b) zeigt jedoch deutlich die funktionale Perspektive seines Ansatzes. Dort analysiert er die Funktion des grammatischen Subjekts im Englischen und weist auf Unterschiede im Vergleich zu anderen Sprachen hin. Mathesius geht von der Annahme aus, dass es zwei Hauptfunktionen des grammatischen Subjekts gibt, die von Sprache zu Sprache unterschiedlich ausgeprägt sein können. Das Subjekt könne zum einen „den Urheber der durch das Prädikatsverbum ausgedrückten Handlung“ bezeichnen und zum anderen „das Thema der durch das Prädikat ausgedrückten Aussage“ (1929b, 202). Für das Englische gelte nun, dass dort im Vergleich zum Deutschen oder Tschechischen „die thematische Funktion des grammatischen Subjekts besonders stark hervortritt“ (ebd.). Im Englischen mache sich „die Tendenz klar fühlbar, das Thema der Satzaussage womöglich zum grammatischen Subjekt des Satzes zu machen“ (ebd.) Mathesius führt weiter aus:
Wenn sich zwei Vorstellungen als durch die Situation gegeben darbieten, wird diejenige von ihnen zum grammatischen Subjekt gemacht, die mehr Aktualität besitzt oder als etwas Bestimmteres erscheint. Diese Eigenschaften treffen besonders häufig bei einem persönlichen Subjekte zu. (ebd.)
Mathesius’ Bestimmung des Themas als den bekannten Teil der Mitteilung findet sich hier – wenn auch mit anderer Akzentuierung – wieder. Das „persönliche Subjekt“ – er meint damit das als Subjekt realisierte Personalpronomen der ersten Person – ist aus der Sicht des Hörers das Element mit besonders hoher Referenten-Zugänglichkeit. Darum besitzt es „mehr Aktualität“ oder erscheint es „als etwas Bestimmteres“ – Eigenschaften, die es zu einen besonders geeigneten Kandidaten für die Realisierung des Satzthemas machen. Den ‚thematischen‘ Charakter des pronominalen Subjekts macht Mathesius nun für bestimmte strukturelle Besonderheiten des englischen Satzbaus verantwortlich.
Dass die ‚thematische‘ Funktion des Subjekts im Englischen so deutlich ausgeprägt ist, zeigt sich für Mathesius in Konstruktionen, in denen das Personalpronomen der ersten Person der Träger eines im Prädikat ausgedrückten psychischen oder physischen Zustands ist (vgl. ebd., 206):
(8) | I am warm enough. | Es ist mir warm genug. |
I am extremely sorry. | Es tut mir leid. |
Ein Vergleich der englischen Konstruktionen mit ihren deutschen Entsprechungen, in denen das Personalpronomen nicht die Subjektstelle besetzt, sondern als Dativ erscheint, ist für Mathesius ein Hinweis darauf, dass in der englischen Konstruktion nicht Agentivität, sondern Thematizität der ausschlaggebenden Faktor für die Besetzung der Subjektstelle ist.4
Die strukturellen Besonderheiten einiger englischer Passivkonstruktionen sind für Mathesius ein weiterer Beleg für seine These von der thematischen Funktion des Subjekts im Englischen (vgl. 1929b, 203):
(9) | I was told […]. | Es wurde mir gesagt, […]. |
I have been given the advice […]. | Es ist mir der Rat gegeben worden, […]. |
Während im Deutschen die Intransitivität von sagen und die Nicht-Akkusativität des Ziel-Arguments von geben die Realisierung des Personalpronomens als Subjekt unterbindet, erlaubt das Englische die Subjektrealisierung. Dass im Englischen persönliche Passivkonstruktionen möglich sind, in denen das Subjekt nur indirekt von einer Handlung betroffen ist, öffnet den Raum für bestimmte, für das Englische typische Passivkonstruktionen. Bei dem von Mathesius so genannten Possessivpassiv handelt es sich um eine Konstruktion mit to have, auf dessen Objekt ein Partizip im Präsens oder Perfekt bezogen ist (vgl. 1929b, 203):
(10) | Everywhere he had crowds hanging on his lips. |
(11) | Even great lords and ladies have their mouth sometimes stopped. |
In (10) bezeichnet das Akkusativobjekt (crowds) den eigentlichen Handlungsträger, der auf das nominale Element im Adverbialkomplement (on his lips) einwirkt, und das Subjekt ist lediglich indirekt, als ‚Possessor‘ der in der Adverbialergänzung genannten Sache, von der Handlung betroffen. In (11) ist das Akkusativobjekt von der im Partizip Perfekt genannten Verbalhandlung affiziert und auch dort kann das Subjekt nicht als direktes Patiens der Handlung gelten, sondern lässt sich – vermittelt über to have – durch ein Possessiv-Verhältnis zum Akkusativobjekt charakterisieren.
2.3 Firbas’ Begriff des Kommunikativen Dynamismus
Trotz seiner Ausrichtung auf die strukturellen Eigenschaften von Einzelsprachen speist sich Mathesius’ Konzept – ebenso wie Pauls und v.d. Gabelentz’ psychologisches Subjekt und Prädikat – aus zwei Quellen. Mit seiner Gliederung des Satzes in Thema oder Basis auf der einen Seite und Mitteilungskern auf der anderen Seite zielt er auf die Unterscheidung von Satzgegenstand und Satzaussage ab. Mit seiner Bestimmung des Satzthemas als das Bekanntere oder „Bestimmtere“ situiert er den Satz in den Äußerungskontext und nimmt die Beziehung zwischen Sprecher und Hörer in den Blick. Die Spannung zwischen diesen zwei Perspektiven prägt die an Mathesius anschließende Diskussion im Grunde noch bis heute. Dies zeigt sich besonders an dem Bemühen um eine genauere Explikation der Thema-Rhema-Dichotomie: Aufgrund welcher Kriterien können Satzelemente der einen oder der anderen Seite zugeschlagen werden? Damit zusammen hängt schließlich auch die Frage, ob die Dichotomie als ein Phänomen der Oberflächenstruktur von Sätzen anzusehen ist, das in der Abfolge der Satzglieder oder in bestimmten Intonationsmustern zu Tage tritt oder als ‚interpretative‘ Kategorie aufgefasst werden muss.
Der letzteren Position kann J. Firbas zugeordnet werden, der in einer Vielzahl von Publikationen (ausführlich in Firbas 1992, als kurze Überblicksdarstellung siehe auch Firbas 1999) seine Theorie des kommunikativen Dynamismus (CD) in detaillierter Form entwickelt hat. Firbas’ Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er die Thema-Rhema-Dichotomie zugunsten eines graduellen Konzepts aufbricht, in dem neben thematischen und rhematischen auch transitorische Bereiche im Satz angenommen werden. Der jeweilige Grad der Thematizität bzw. Rhematizität von Satzelementen1 ergibt sich nach Firbas aus ihrem Beitrag zum Fortgang des Kommunikationsprozesses:
By the degree of CD [communicative dynamism] carried by a sentence element we understand the extent to which the sentence element contributes to the development of the communication, to which it ‘pushes the communication forward’, as it were. (Firbas 1966, 270)
Firbas’ Konzept ist interpretativ insofern, als den Satzelementen unabhängig von ihrer Position, allein auf der Basis ihres Beitrags zum Fortgang der Kommunikation, ein bestimmter CD-Grad zukommt. Die Verteilung der CD-Grade auf die sie tragenden Elemente im Satz (distributional field of CD) ist nach Firbas nämlich abhängig von verschiedenen miteinander in Wechselwirkung stehenden Faktoren (vgl. Firbas 1992, 10f.).2 Firbas führt weiter aus:
It is obvious that elements conveying new, unknown information show higher degrees of CD than elements conveying known information. But even within a sentence section made up entirely of elements conveying new information, the degrees of CD are not the same (homogeneous). (ebd.)
Der letzte Punkt ist von besonderer Bedeutung.