Pragmatische Bedingungen der Topikalität. Detmer Wulf
der Satz-Elemente und ihrem jeweiligen CD-Grad? Es wurde schon erwähnt, Firbas unterscheidet zwischen „interpretative arrangement“ und „linear arrangement“. Ersteres bezieht sich auf die Anordnung der Elemente im Satz „in accordance with a gradual rise in CD“ (1992, 12); letzteres bezieht sich auf das ‚tatsächlich‘ realisierte Arrangement der Oberflächenstruktur. Zwar räumt er ein, dass der kommunikative Dynamismus einen gewissen Einfluss auf die Position der Elemente im Satz ausübt: „Sentence linearity is not inactive. It is endowed with modificatory power“ (1999, 2). Und mit Berufung auf D.L. Bolingers Diktum „gradation of position creates gradation of meaning“ (Bolinger 1952, 1125) geht er von einer Art Basisverteilung mit dem höchsten CD-Wert am Ende des Satzes aus.10 Jedoch merkt er einschränkend an: „[…] but it cannot be claimed that the actual linear arrangement of sentence elements is always in perfect agreement with a gradual rise in CD“ (1992, 8). Da ein solches Arrangement nur einen ‚Idealfall‘ darstellt und die Oberflächenstruktur eines Satzes als Resultat eines komplexen „interplay of factors“ angesehen werden muss, bleibt die Funktionale Satzperspektive für Firbas letztlich eine interpretative Kategorie. So ist die Satzperspektive zwar auf die in kommunikativer Hinsicht dynamischsten Elemente hin orientiert, aber in deren Positionierung im Satz schlägt sich dies nicht notwendig nieder.
Die Verteilung der CD-Grade im Satz wird durch drei Faktoren beeinflusst: Kontext, Semantik und „linear modification“ (1987, 138),11 und diese Faktoren stehen nicht nur in einem Wechselverhältnis („interplay“), sondern auch in einem Hierarchieverhältnis zueinander. Der Kontextfaktor ist den zwei anderen Faktoren übergeordnet und operiert durch das Kriterium der „retrievability or irretrievability of information from the immediately relevant context.“ (Firbas 1999, 3). Das heißt, unabhängig von der Position im Satz nimmt jedes Element, sofern es im unmittelbar relevanten Kontext zugänglich ist, den Status des niedrigsten CD-Grades an.12 Die zweite Stelle in der Hierarchie nimmt der semantische Faktor ein. In semantischer Hinsicht entscheidend für die Verteilung der CD-Grade im Satz ist laut Firbas die „dynamic semantic function“ des Verbs (Q-Funktion oder Pr-Funktion) sowie die Rolle seiner „successfull competitiors“ (Sp-Funktion oder Ph-Funktion).13 Insgesamt bedeutet dies also, dass das lineare Arrangement der CD-Grade im Satz immer durch die Faktoren Semantik und Kontext ‚überschrieben‘ werden können.
Wie der semantische Faktor den der Linearität dominieren kann, zeigt der schon oben diskutierte Beispielsatz aus Firbas (1999, 6), der hier noch einmal in (13) wiedergegeben ist:
(13a) | John (B) has come (Q) to the dining room (Sp). |
(13b) | John (Ph) has come (Pr) to the dining room (Set). |
Wie schon erwähnt lassen sich für einen solchen Satz zwei Lesarten konstruieren. In seiner Variante (a) fungiert die adverbiale Bestimmung als spezifizierendes Element, auf die hin der Satz perspektiviert ist und die kommunikative Dynamik spiegelt sich im Arrangement der Satzglieder als ein „gradual rise in CD“ wider: Das in kommunikativer Hinsicht dynamischste Element steht am Ende des Satzes. In Variante (b), mit der Perspektive auf die erste Konstituente, ist das „distributional field of CD“ genau gegenläufig. Die Perspektive des Satzes zeigt sich, wie schon erwähnt wurde, nicht nur an der vorausgesetzten Kontextunabhängigkeit des Subjekts, sondern auch an den spezifischen „dynamic semantic functions“ seiner Elemente. Das Subjekt ist nicht ‚Bearer‘, sondern ‚Phenomenon‘ und dem Verb ist die ‚Presentation‘-Funktion zugewiesen. Insofern also der Wechsel zur ‚Presentation‘-Funktion die Perspektive auf das Subjekt lenkt, dominiert die Semantik über die Linerarität. Die ‚Presentation‘-Interpretation bestimmt die Zuordnung der CD-Grade und damit die eingenommene Perspektive.14
Die Frage ist jedoch, inwieweit sich die zwei konzeptuellen Orientierungen seines Ansatzes – die Herleitung der kommunikativen Perspektive eines Satzes zum einen aus seinen dynamisch-semantischen Funktionen und zum anderen aus der Kontextabhängigkeit bzw. Kontextunabhängigkeit seiner Elemente – widerspruchsfrei aufeinander beziehen lassen. Dass Firbas dem Kontextfaktor einen entscheidenden Einfluss auf die Perspektivierung eines Satzes beimisst, wurde schon herausgestellt. Jedes im unmittelbar relevanten Kontext zugängliche Element hat, unabhängig von seiner Position im Satz, einen niedrigen CD-Grad und gehört zum thematischen Bereich. Zu den in diesem Sinne kontextabhängigen Elementen will Firbas auch pronominale Elemente in Objektposition zählen, sofern sie nicht in kontrastierender Weise gebraucht werden. So beeinflusst etwa ein im unmittelbar relevanten Kontext zugängliches pronominales Objekt die im Satz ausgedrückte Perspektive dahingehend, dass es aufgrund seines niedrigen CD-Grades nicht als „successful competitor“ des Verbs in Frage kommt. In dem schon angesprochenen Beispielsatz aus Firbas (1999, 3) soll dies der Fall sein:
(14) | Ich begegnete ihm. |
Der Satz ist darum nicht in Richtung auf das pronominale Dativobjekt perspektiviert, sondern auf das Verb, das als einziges kontextunabhängiges Element die Kommunikation abschließt. Welche DSF soll dem pronominalen Objekt nun zugeordnet werden? Wie schon erwähnt listet Firbas für kontextabhängige Elemente folgende DSFs auf: „B-elements and Set-elements and context-dependent elements that have acquired the Set-status through context dependence“ (1992, 71). Somit ist das pronominale Objekt nach Firbas als Setting aufzufassen und bildet zusammen mit dem ebenfalls kontextabhängigen pronominalen Subjekt als ‚bearer of quality‘ die Basis (foundation-laying function), während das Verb als ‚conveyer of quality‘ die Kommunikation abschließt.
Subjekt und Objekt zusammen als „foundation-laying elements“ aufzufassen, erscheint zumindest kontraintuitiv. Dieser kontraintuitive Eindruck lässt sich m.E. darauf zurückführen, dass Firbas’ DSF-Kategorien allesamt in Relation zum Satz stehen,15 während seine Kategorie der Kontextabhängigkeit, die er ja hinsichtlich der Zugänglichkeit im unmittelbar relevanten Kontext bestimmt, eine referentielle Perspektive impliziert. Ob etwa ein Subjekt – so wie in John has come to the dining room – als B-Element oder als Ph-Element aufzufassen ist, ergibt sich eindeutig nur aus den Rollen der anderen Mitspieler, nicht aber aus dem Kriterium der Kontextabhängigkeit bzw. Kontextunabhängigkeit. Wie wir wissen, korreliert Firbas den CD-Grad eines Satzelements nur indirekt mit dem Kriterium der Zugänglichkeit: „[…] even within a sentence section made up entirely of elements conveying new information, the degrees of CD are not the same […]“ (Firbas 1966, 270). Ob also ein Subjekt als B-Element (niedriger CD-Grad) oder Ph-Element (hoher CD-Grad) aufzufassen ist, ist vom Kriterium der Zugänglichkeit unabhängig. Ebenso können adverbiale Bestimmungen unabhängig von ihrer Zugänglichkeit als Setting (niedriger CD-Grad) oder als Specification (hoher CD-Grad) fungieren.
Bestimmt man nun den CD-Grad von Satzelementen auf der Basis der Rolle der DSFs als kommunikationseröffnend oder kommunikationsabschließend unabhängig vom Kriterium der Zugänglichkeit, so sind kommunikationseröffnende Subjekte in Bearer-Funktion und adverbiale Set-Elemente in dieser Hinsicht unproblematisch. Sie können sowohl kontextabhängig als auch kontextunabhängig sein. Sp-Elemente, Ph-Elemente sowie die verbalen Q- und Pr-Elemente sind aufgrund ihrer generellen Kontextunabhängigkeit ebenfalls unproblematisch. Lediglich die kontextabhängigen Satzelemente in Objektposition entziehen sich der relationalen Perspektive. Bei ihnen leitet sich die DSF nicht aus dem Bezug zu den DSFs der anderen Mitspieler im Satz ab, sondern allein aus ihrer Zugänglichkeit im unmittelbar relevanten Kontext. Die Folge ist, dass die Bestimmung ihrer DSF eher stipulativen Charakter hat. Derartige Fälle seien, so heißt es in Firbas (1992), „context-dependent elements that have acquired the Set-status through context dependence“ (s.o.).
Firbas’ Begriff des kommunikativen Dynamismus weist somit zwei Dimensionen auf, die er in einem integralen Konzept vereinen möchte: Zum einen die referentielle Dimension, innerhalb der das Kriterium der Zugänglichkeit im unmittelbar relevanten Kontext maßgeblich ist. Hieraus ergibt sich die Bestimmung der Satzelemente als kontextabhängig oder kontextunabhängig, wobei gilt, dass nur kontextunabhängige Elemente die Kommunikation im Firbas’schen Sinne abschließen können. Zum anderen die relationale