Pragmatische Bedingungen der Topikalität. Detmer Wulf

Pragmatische Bedingungen der Topikalität - Detmer Wulf


Скачать книгу
zum CD-Grad der anderen Satzelemente: „[…] the information conveyed by the theme will always carry the lowest degree(s) of communicative dynamism (CD) within the sentence“ (Firbas 1987, 138). Niedrige Grade kommunikativer Dynamik verknüpft Firbas nur indirekt mit dem Kriterium der Bekanntheit. Geringer kommunikativer Dynamismus von Satzelementen lässt sich nach Firbas nämlich nicht in allen Fällen auf die Bekanntheit oder diskursive Zugänglichkeit (in Firbas’ Terminologie: context dependence; vgl. Firbas 1987, 145f.) der von ihnen repräsentierten Diskursgegenstände zurückführen. Auch neu eingeführte, „kontextunabhängige“ (vgl. ebd.) Satzelemente können – aufgrund ihres im Verhältnis zu anderen Elementen im Satz niedrigeren CD-Grades – dem thematischen Bereich zugeordnet sein. So weisen etwa kontextunabhängige Orts- oder Zeitadverbiale einen geringen CD-Grad auf, wenn sie innerhalb des Satzes als „Setting“ oder Ausgangspunkt fungieren.3 Eine solche „foundation-laying function“ (vgl. Firbas 1992, 69) kommt adverbialen Bestimmungen häufig, aber nicht immer, zu.

      „Foundation-laying elements“ bilden den Ausgangspunkt der Kommunikation, wohingegen „core-constituting elements“ (ebd.) diejenigen Elemente sind, auf die hin die Kommunikation orientiert ist und die sie ‚abschließen‘: „The element towards which a sentence […] is oriented conveys the information that completes the development of the communication taking place within the sentence […]“ (Firbas 1992, 6).

      Indem „core-constituting elements“ die Kommunikation abschließen, konstituieren sie die Orientierungsrichtung und Perspektive des Satzes:

      […] the point of orientation is the element that contributes most to the development of the communication and in this way consummates or completes it. […] Used in this sense the words orient and orientation […] explicate the meaning in which perspective is employed in my writings. (ebd.)

      Der Begriff der Perspektive ist in Firbas’ Ansatz von zentraler Bedeutung, denn über diesen Terminus expliziert er sein Konzept des kommunikativen Dynamismus. In einem Überblicksaufsatz (Firbas 1999) erläutert er seinen Begriff der Perspektive anhand des folgenden Beispielsatzes:

(12) John has come to the dining room.

      Für diesen Satz konstruiert Firbas zwei Verwendungskontexte: (a) Setzt man John als das unmittelbar zugängliche (und damit kontextabhängige) Satzelement voraus, ist die Perspektive auf die adverbiale Bestimmung (to the dining room) ausgerichtet. (b) Setzt man die adverbiale Bestimmung als kontextabhängig voraus, ist der Satz auf John hin perspektiviert. Der Unterschied der zwei Perspektivierungen erschöpft sich jedoch noch nicht in der vorausgesetzten Zugänglichkeit bzw. Nichtzugänglichkeit der jeweiligen Elemente. Die Varianten unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer „dynamic semantic functions“ (1999, 5): In (a) ist die Kommunikation orientiert auf die Zuschreibung von Eigenschaften: Über einen Diskursgegenstand (John) wird etwas ausgesagt, nämlich dass er den in der adverbialen Bestimmung angegebenen Ort betreten hat. In (b) ist die Kommunikation orientiert auf die Präsentation eines Diskursgegenstands (John) innerhalb eines bestimmten Settings (the dining room). Entsprechend der jeweils eingenommenen Perspektive ordnet Firbas den Satzelementen bestimmte „dynamic semantic functions“ (DSFs) zu (vgl. Firbas 1999, 6):

(12a) Perspektive: Spezifizierung eines Diskursgegenstands
John has come to the dining room
Bearer of quality (B) quality (Q) specification (Sp)
(12b) Perspektive: Präsentation eines Diskursgegenstands in einem Setting
John has come to the dining room
phenomenon to be presented (Ph) presentation (Pr) setting (Set)

      Das kommunikative Ziel, oder auch: der kommunikative Zweck (communicative purpose) ergibt sich so aus der jeweils eingenommenen Perspektive:4 In (12a) ist es die Spezifizierung einer Qualität, die einem bearer of quality zukommt. In (12b) ist es ein Phänomen, das in einem setting präsentiert wird.5

      Auf der Basis der kommunizierten Perspektive bestimmt Firbas den thematischen und den nicht-thematischen Bereich der zwei Varianten:6

(12a) Thema: John (B), Nicht-Thema: has come (Q) to the dining room (Sp)
(12b) Nicht-Thema: John (Ph) has come (Pr), Thema: to the dining room (Set)

      Den höchsten CD-Grad weisen somit diejenigen Elemente auf, auf die hin die Varianten jeweils perspektiviert sind. In (12a) ist es die adverbiale Bestimmung, in (12b) ist es das Subjekt, wobei sich in der jeweiligen „dynamic semantic function“ auch die spezifische rhematische Funktion zeigt. Und auch für die Elemente mit dem niedrigsten CD-Grad lassen sich spezifische thematische Funktionen angeben: In (12a) fungiert das Subjekt als bearer of quality, in (12b) bildet die adverbiale Bestimmung das setting.7

      Das verbale Element steht hinsichtlich seines CD-Grades zwischen dem thematischen und dem rhematischen Pol. Sein CD-Grad ist zwar höher anzusetzen als die thematischen Elemente, jedoch schließt es den Satz nicht ab. Dies bleibt den rhematischen Elementen vorbehalten, d.h. den Elementen, auf die hin der Satz perspektiviert ist: „The element towards which a sentence […] is oriented conveys the information that completes the development of the communication taking place within the sentence“ (s.o.). Da das Verb zwischen Ausgangspunkt und Abschluss des im Satz kommunizierten Gehalts angesiedelt ist, lässt es sich als transitorisches Element begreifen. Innerhalb der Dynamik der Kommunikationsprozesses hat es entweder die Quality-Funktion oder die Presentation-Funktion und perspektiviert entsprechend seiner jeweils unterstellten Rolle den Satz entweder in Richtung auf die zusätzliche Spezifikation durch die adverbiale Bestimmung oder in Richtung auf das präsentierte Subjekt:

      Either the subject or the adverbial completes the development of the communication, conveying an essential amplification of the information conveyed by the notional component of the verb and acting as its successful competitor. (Firbas 1999, 7)

      Insofern das Verb über einen „successful competitor“ verfügt – was nicht notwendig der Fall sein muss – ist es als transitorisches Element aufzufassen. „Successful competitors“ können, je nach eingenommener Perspektive, kontextunabhängige direkte oder indirekte Objekte sein, sowie – wie in dem oben diskutierten Beispiel – Subjekte als Ph-Elemente oder adverbiale Bestimmungen in Sp-Funktion.8

      Auf der Basis des bis hierhin Gesagten lässt sich nun festhalten, welche „dynamic semantic functions“ dem thematischen und dem nicht-thematischen Bereich zugeordnet sein können:

      Ein Thema wird konstituiert durch:

       ein kontextabhängiges oder kontextunabhängiges setting

       einen kontextabhängigen oder kontextunabhängigen bearer of quality

      Ein Nicht-Thema wird konstituiert durch:

       einen conveyer of the phenomenon to be presented

       einen conveyer of quality

       einen conveyer of presentation

       conveyer(s) of specification

      Zusammenfassend lässt sich also sagen: Settings und Bearers of quality sind immer thematisch.9 Alle anderen DSFs stehen im nicht-thematischen Bereich. Hinsichtlich der ‚kontextabhängig/kontextunabhängig‘-Dichotomie gilt: Sowohl kontextabhängige als


Скачать книгу