Pragmatische Bedingungen der Topikalität. Detmer Wulf

Pragmatische Bedingungen der Topikalität - Detmer Wulf


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und relationaler Givenness/Newness (siehe auch Gundel/Fretheim 2004). Gundel führt diese Unterscheidung ein, um – ähnlich wie Molnár – Fälle angemessen beschreiben zu können, in denen vorerwähnte Elemente fokussiert sind. Peter in Beispiel (20) ist in Gundels Terminologie referentiell ‚given‘ – aufgrund der Vorerwähntheit seines Referenten – und relational ‚new‘ – aufgrund des Status des Ausdrucks als relevante Information in Bezug auf die vorangegangene Frage.

      Die Ähnlichkeit mit Gundels Unterscheidung bleibt allerdings auf den Aspekt der ‚Newness‘ beschränkt, die Unterscheidung zwischen referentieller und relationaler ‚Givenness‘ hat in Molnárs Terminologie keine Entsprechung. Zwar lässt sich Molnárs Thema-Begriff mit Gundels Verständnis von referentieller Givenness gleichsetzen; für Gundels Begriff der relationalen Givenness, in dessen inhaltliche Bestimmung ihr spezifisches Verständnis von Aboutness einfließt, das ausdrücklich an das Kriterium der hörerseitigen Zugänglichkeit bzw. Bekanntheit gebunden bleibt, gibt es bei Molnár keine Entsprechung. Weder Molnárs Topik-Kategorie noch ihr Hintergrund-Begriff lassen sich mit Gundels relationaler Givenness gleichsetzen.5

      Um zeigen zu können, warum dies so ist und welche Konsequenzen sich daraus für Molnárs Ansatz ergeben, muss zunächst noch ein weiterer Punkt in ihrem Drei-Ebenen-Modell angesprochen werden, nämlich ihre Auffassung zum Verhältnis von Topik und Fokus. Ebenso wie Thema und Fokus sind auch Topik und Fokus für Molnár keine Komplementärkategorien. Allerdings ist die Fokus-Fähigkeit des Topiks bei ihr an bestimmte Bedingungen der Fokus/Hintergrund-Gliederung gebunden. Die Fokus-Fähigkeit des Topiks hat für Molnár zur Voraussetzung, dass sich der Fokus-Bereich über mehr als nur eine „minimal fokussierte“ Konstituente erstreckt (1993, 168). Dies ist etwa der Fall in diskursinitialen Sätzen, die nach Molnár als Ganzes den Fokus bilden, da sie aufgrund ihrer Diskursinitialität über keine Hintergrund-Elemente verfügen. Diskursinitialen Sätzen kann nach Molnár aber auch eine Topik/Kommentar-Gliederung zugesprochen werden (vgl. Molnár 1993, 167). Um die Diskursinitialität im folgenden Beispiel plausibel zu machen, bindet sie den Satz in einen Fragekontext ein:6

(21) Steht was Neues in der Zeitung?
[[Politisch Verfolgte] Topik [genießen Asylrecht.] Kommentar ] Fokus

      Ein weiteres – von Molnár konstruiertes – Beispiel (ebd.) verfügt zwar über einen Hintergrund, weil dort bestimmte Gehalte der vorausgesetzten Frage in der Antwort wieder aufgegriffen werden; der Antwortsatz hat aber mehr als nur eine fokussierte Konstituente, weswegen auch dort die fokussierte Subjekt-Konstituente als Topik in Frage kommen kann:

(22) Was ist das für eine Demonstration?
[[Umweltschützer] Fokus ] Topik [[demonstrieren] Hintergrund [gegen den Brückenbau.] Fokus ] Kommentar

      Demgegenüber ist die vorangestellte, ‚topikalisierte‘ Objekt-Konstituente in (23) (vgl. Molnár 1993, 168) kein Topik, da sie den „einzigen minimalen Fokus“ des Satzes bildet:

(23) Wen besucht Peter in Bonn?
[Seinen BRUder] Fokus [besucht er.] Hintergrund

      Dieser Fall eines „minimalen“, satzinitialen Fokus, der nicht topikfähig ist, verhält sich ihrer Meinung nach analog zu den folgenden Beispielen aus Gundel (1988b, 34), die über die vorangestellte ‚What about?‘-Frage für diese Fälle die Inkompatibilität von Topik und Fokus belegen sollen:7

(24) What about Archie?
(a) *ARchie rejected the proposal.
(b) *It was Archie who rejected the proposal.

      Hier sind es das durch Kontrastakzent fokussierte Subjekt in (a) und die Fokussierung durch Linksspaltung in (b), die als einzige und damit „minimale“ Foki die Topik-Fähigkeit unterbinden. Dass die fokussierten Elemente nicht als Topiks gelten können, hängt mit dem Fragekontext zusammen, in den sie eingebettet sind: Auf eine Frage, die auf Informationen über Archie abzielt, kann nur eine Antwort folgen, in der Archie genauso die Rolle desjenigen innehat, über den etwas mitgeteilt wird. Anders als in (24) sind die in (22) von Molnár als Topik ausgewiesenen Umweltschützer nicht schon in der Frage als Gegenstand vorausgesetzt, über den Informationen erbeten werden, sondern gehören zu den weiterführenden Details, die über die Art der Demonstration Auskunft geben.8

      Fassen wir zusammen: Neben dem Zusammenfall von Topik und Hintergrund gibt es nach Molnár auch die Möglichkeit des Zusammenfalls von Topik und Fokus. Fokusfähig sind Topiks in Sätzen, die aufgrund ihres diskursinitialen Charakters keinen Hintergrund haben – so wie in (21) – oder in Sätzen, in denen das ‚fokussierte‘ Topik nicht das einzige fokussierte Element des Satzes ist – so wie in (22), wo neben dem Subjekt auch Elemente fokussiert sind, die zur Prädikation gehören.

      Lässt es sich aber überhaupt rechtfertigen, in Fällen wie in (21) und (22) eine Topik/Kommentar-Gliederung anzunehmen, die unabhängig von der auf sprecherseitige Relevanz abzielenden Fokus/Hintergrund-Gliederung operiert? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir noch einmal auf Molnárs Explikation der Topik-Kategorie eingehen und zu klären versuchen, worin sich die ihrem Verständnis nach „sachbezogene“ (s.o.) Ebene der Topik/Kommentar-Gliederung von der auf den Aspekt der „Relevanz“ abzielenden Fokus/Hintergrund-Gliederung unterscheiden soll.

      Auch Molnárs Topik-Begriff orientiert sich am klassischen Aboutness-Konzept. Durch die Topik/Kommentar-Gliederung wird der Satz hinsichtlich seines „Mitteilungsaspekts“ aufgeteilt in (i) das „worüber etwas gesagt wird“ und (ii) das, „was darüber ausgesagt wird“ (1993, 162). Des Weiteren möchte sie Topikalität als ein „grundsätzlich pragmatisches Konzept“ (1993, 163) verstehen: Mit Verweis auf T. Reinharts (1981) Begriff der „pragmatic assertion“ 9 deutet sie das Topik als „eine der Komponenten der im pragmatischen Sinne gedeuteten Prädikation, wobei es sich um eine satzinterne Relation zwischen Satzgegenstand und Satzaussage handelt“ (ebd.). Neben dieser auf den Satz bezogenen Explikation weist Molnár noch darauf hin, dass „bestimmte Aspekte der Topikalität […] nur durch den Bezug auf einen größeren Diskurszusammenhang zu klären [sind]“ (ebd.).

      Wie sieht im Verhältnis dazu ihr Verständnis der Fokus/Hintergrund-Gliederung aus? Wie oben ausgeführt wurde, fußt Molnár die Fokus-Kategorie auf ihr Konzept der „vom Sender entschiedenen Relevanz“ (s.o.). Molnárs knappe Ausführungen hierzu legen nahe, dass sie sich hierfür auf zwei von Strawson formulierte Prinzipien bezieht: das „principle of the presumption of knowledge“ und das „principle of relevance“. Diese Prinzipien tragen nach Molnár wesentlich zur Herstellung von Kohärenz und Informativität in der Kommunikation bei: Der Sprecher knüpft an etwas Bekanntes an (presumption of knowledge), worüber (!) er dann etwas Neues und damit für den Hörer Relevantes mitteilt (principle of relevance).10

      Hier zeigt sich: die zwei von Molnár für die Fokus/Hintergrund-Gliederung ins Spiel gebrachten Prinzipien zeichnen sich dadurch aus, dass sie der Aboutness-Relation, die sie der Topik/Kommentar-Gliederung zugrunde legt, außerordentlich ähnlich sind. Strawsons Prinzipien können nämlich genauso gut auch auf die Ebene der Topik/Kommentar-Gliederung angewendet werden – mit dem Topik als dem ‚Worüber‘ der „im pragmatischen Sinne gedeuteten Prädikation“ (s.o.). Was über dieses ‚Worüber‘


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