Pragmatische Bedingungen der Topikalität. Detmer Wulf

Pragmatische Bedingungen der Topikalität - Detmer Wulf


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zu sehen ist, den Hörer über die Existenz des Gegenstands, auf den referiert wurde, zu informieren. Seine Existenz wird nicht behauptet, vielmehr wird vorausgesetzt, dass für ihn hörerseitiges Identifizierungswissen schon besteht.2 Darum sind Fälle, in denen behauptet wird, dass Johns Kinder schlafen, obwohl John gar keine Kinder hat, oder in denen über einem nicht existierenden König von Frankreich ausgesagt wird, dass er kahlköpfig ist, nicht als falsche Behauptungen (false statements) zu werten, sondern als Fälle „vollständig misslingender Referenz“ (radical reference-failure) (vgl. Strawson 1971a, 89). Derartige Fälle sind missglückt in dem Sinne, dass sie dem „principle of the presumption of knowledge“ nicht Folge leisten, da die identifizierende Referenz dort hörerseitig nicht erfüllbar ist.3

      Allerdings führt nicht jede ‚reference-failure‘ zu einem Missglücken in der eben beschriebenen Weise. Die oben diskutierten Beispiele zeichnen sich nämlich durch eine gemeinsame Eigenschaft aus. Die ‚reference-failure‘ betrifft dort Ausdrücke innerhalb einer bestimmten syntaktischen Position: sowohl all John’s children als auch der gegenwärtige König von Frankreich stehen in Subjekt-Position. Wie sind aber Fälle zu bewerten, in denen die ‚reference-failure‘ Ausdrücke betrifft, die nicht in Subjektposition stehen? Strawson macht die Anwendbarkeit des wahr/falsch-Kriteriums auf Behauptungsäußerungen nämlich nicht allein an der gelingenden bzw. misslingenden Referenz auf einen Diskursreferenten fest, sondern auch an der kommunikativen Rolle, die dem Referenten des von ‚reference-failure‘ betroffenen Ausdrucks jeweils zukommt. Angenommen, man würde über eine tatsächlich stattfindende Kunstausstellung – in einem Fall also, in dem die identifizierende Referenz nicht misslingt – die Aussage machen, dass diese vom gegenwärtigen König von Frankreich besucht worden sei, so ist dies für Strawson durchaus noch beurteilbar hinsichtlich des wahr/falsch-Kriteriums. Strawson stellt die folgenden Varianten gegenüber (vgl. 1971a, 96):

(1a) The exhibition was visited yesterday by the king of France.
(1b) The king of France visited the exhibition yesterday.

      Je nachdem, ob die ‚reference-failure‘ Ausdrücke in Subjektposition betrifft oder nicht, ergeben sich für Strawson Unterschiede hinsichtlich der Anwendbarkeit des wahr/falsch-Kriteriums. Der Passiv-Variante in (1a) kann ein Wahrheitswert zugewiesen werden: Sie liefert falsche Informationen über die Kunstausstellung – trotz des von ‚reference-failure‘ betroffenen, Existenz präsupponierenden Referenzausdrucks innerhalb der Prädikation –, wohingegen Variante (1b), in der das Subjekt von der ‚reference-failure‘ betroffen ist, sich einer wahr/falsch-Beurteilung entzieht.

      Dies ist der Punkt, an dem Strawson den Begriff der Aboutness ins Spiel bringt. Die Erklärung für den Unterschied zwischen (1a) und (1b) macht Strawson in dem jeweils vorausgesetzten „Interessenschwerpunkt“ (center of current interest) aus, den er versteht als das, „what the statement is about“ (vgl. 1971a, 96f.) und dessen Indizierung durch die Subjekt-Realisierung erfolgt:

      Statements, or the pieces of discourse to which they belong, have subjects, not only in the relatively precise senses of logic and grammar, but in a vaguer sense with which I shall associate the words ‘topic’ and ‘about’. (1971a, 97)

      Während der Interessenschwerpunkt in (1a) auf der (tatsächlich stattfindenden) Ausstellung liegt, und der entsprechende Referenzausdruck somit nicht von ‚reference-failure‘ betroffenen ist, fällt er in (1b) mit der misslingenden Referenz zusammen. Darum lässt sich die Passiv-Variante in (1a) Strawson zufolge noch als falsche Behauptung beurteilen: Die ‚reference-failure‘ betrifft dort nicht das Topik der Behauptungsäußerung, sondern lediglich den Bereich, der als Information über ihr Topik fungiert:

      We may still judge the statement as putative information about its topic and say, perhaps, that the failure of reference has the consequence that it is misinformative about its topic. (1971a, 98)

      In (1b) hingegen ist eine Deutung der Äußerung als falsche Information über ihr Topik ausgeschlossen:

      If we know of the reference-failure, we know that the statement cannot really have the topic it is intended to have and hence cannot be assessed as putative information about that topic. It can be seen neither as correct, nor as incorrect, information about its topic. (ebd.)

      Die oben diskutierten Beispiele, in denen das Topik immer durch das Subjekt-Argument repräsentiert wird, erwecken vielleicht zunächst den Eindruck, dass Strawson das Subjekt generell als Indikator für Topikalität begreifen möchte. Diese Auffassung kann ihm jedoch nicht zugeschrieben werden, wie die folgenden Beispiele zeigen (vgl. 1971a, 96):

(2a) A: What examples are there of famous contemporary figures who are bald? B: The king of France is bald.
(2b) A: What outstanding events, if any, have occurred recently in the social or political field? B: The king of France married again.

      Beiden Antworten lässt sich Strawson zufolge ein Wahrheitswert zuordnen. Sie sind als falsch beurteilbar, trotz des von ‚reference-failure‘ betroffenen Subjekt-Ausdrucks. Diesen Befund führt er auf den jeweils vorausgesetzten Fragekontext zurück: „The question in each case represents the antecedent center of interest as a certain class“ (1971a, 96). Die Antwort in (2a) möchte Strawson darum als eine Behauptung über die in der Frage erwähnte Klasse kahlköpfiger Berühmtheiten deuten, zu der auch ein gegenwärtiger König von Frankreich gehören soll. Da dies nicht der Fall sein kann, lässt sich die Antwort von B als falsche Antwort auf die Frage nach gegenwärtigen kahlköpfigen Berühmtheiten auffassen. Auch die Antwort in (2b) lässt sich laut Strawson durch den Fragekontext als falsch deuten: Dort wird behauptet, dass ein bestimmtes Ereignis stattgefunden hat: nämlich die Heirat des (gegenwärtigen) Königs von Frankreich – was ebenfalls nicht der Fall gewesen sein kann.4

      Strawson hat den Topik-Begriff in die Diskussion um referenztheoretische Fragen eingebracht, um darauf hinzuweisen, dass bei der Frage nach der Zuweisbarkeit von Wahrheitswerten auch die kommunikative Rolle der in den Behauptungsäußerungen genannten Diskursgegenstände zu berücksichtigen ist – und damit der diskursive Kontext, in den die Äußerungen jeweils eingebettet sind. Dass eine Frage wie die, ob es zutrifft, dass Johns Kinder schlafen, schlicht „nicht aufkommt“ (does not arise), wenn John gar keine Kinder hat (vgl. das oben angeführte Beispiel), erklärt sich einfach daraus, dass kein Äußerungskontext vorstellbar ist, in dem sich eine solche Frage sinnvoll stellen ließe. Denn dass ein Diskursgegenstand – wie etwa Johns Kinder – im Rahmen eines Frage-Antwort-Kontexts als „center of current interest“ gelten kann, setzt voraus, dass für diesen Gegenstand seitens des Sprechers und Hörers das vorliegt, was Strawson Identifizierungswissen nennt. Auf diesem Umstand beruht nicht nur Strawsons Intuition, dass Topiks Teil dessen sein müssen, was sprecher- und hörerseitig präsupponiert wird, sondern auch seine Einsicht, dass eine Behauptung wie etwa die, dass Johns Kinder schlafen, erst durch ihre In-Beziehung-Setzung zu einem aktuellen „center of interest“ Informativität erhält:

      We do not, except in social desperation, direct isolated and unconnected pieces of information at each other, but on the contrary intend in general to give or add information about what is a matter of standing or current interest or concern. (1971a, 97)

      In diesen Zusammenhang ist Strawsons ‚principle of relevance‘ zu stellen, das er seinem ‚principle of the presumption of knowledge‘ als Komplementärprinzip zur Seite stellt (vgl. 1971a, 97f.): Eine Behauptungsäußerung ist nicht nur allein dadurch informativ, dass sie dem Hörer etwas Neues mitteilt (presumption of ignorance), sondern auch dadurch, dass die neue Information auf den Diskursgegenstand zu beziehen ist, der als „center of interest“ aktuell die Topik-Rolle innehat.

      3.2 Reinhart: Topiks als „referential entries“

      Strawsons Explikation der Aboutness-Relation als Relation zwischen Äußerung und im Diskurs verankertem „center of current


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