Sprache und Kommunikation in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Группа авторов
und sich strukturell darauf verlässt“ (Luhmann 1993:441). Diese festen, dauerhaften Kopplungen sind über standardisierte Textsortenexemplare beständig reproduzierbar. Textsorten ermöglichen wie Programme Handlungen überindividuell, machen sie wiederholbar. In dieser Weise prägen Textsorten erwartbare Kommunikationsprozesse. Mit ihren Eigenschaften der Erlernbarkeit und Wiederholbarkeit erleichtern sie das Kommunizieren, übernehmen für Systeme bestimmte Leistungen und stützen strukturelle Kopplungen operativ (Holtfreter 2011:342). Zu differenzieren sind dabei drei Varianten:
1 Kerntextsorten sind die für ein soziales System konstitutiven Textsorten.
2 Textsorten der konventionalisierten, institutionell geregelten Anschlusskommunikation sind Textsorten, die die Reaktion auf das Kommunikationsangebot des eigenen Systems bedeuten und diese erfordern (Beziehungen zwischen Subsystemen) (Gansel 2011:55).
3 Textsorten der strukturellen Kopplung dienen der Sicherung fester Beziehungen zwischen Systemen (Gansel & Jürgens 2007:78).
Eine Textsorte wie die Pressemitteilung zum Beispiel kann demnach als eine Textsorte der strukturellen Kopplung bezeichnet werden: Sie stützt die feste strukturelle Kopplung der Systeme Unternehmen und Massenmedien operativ und kann im Rahmen eines wechselseitigen Prozesses der SelbstirritationSelbstirritation der Systeme beschrieben werden. Diese operieren nach ihrem eigenen Code und stellen somit systemintern die Distanz zwischen System und Umwelt sicher. Luhmann illustriert das am Beispiel der Werbung:
„Im Bereich der Werbung ist also die Wirtschaft ebenso auf das System der Massenmedien angewiesen wie dieses auf sie; und es läßt sich, wie typisch für Fälle struktureller Kopplungen, keine sachlogische Asymmetrie, keine Hierarchie feststellen.“ (Luhmann 2004: 122) Konkret wird das System Wirtschaft irritiert, weil finanzielle Ausgaben für Marketing nicht immer und automatisch zum Erfolg führen. Eine Strategie zur Bewältigung der Irritation liegt darin, die Werbebotschaften stärker den redaktionellen Inhalten der Medien anzupassen. Die Irritation auf Seiten der Massenmedien wiederum liegt in den untypisierbaren Reizen aus der Wirtschaft in Form von werblich durchsetzten Texten oder Angeboten. Die Massenmedien können sie nicht in der werbetypischen Form verarbeiten, sondern selektieren nach ihrem systemeigenen Code und überarbeiten im Fall einer Veröffentlichung (Neumann 2011: 351).
5. Narration und Storytelling
Die zunehmende Differenzierung und Komplexitätssteigerung in allen gesellschaftlichen Teilbereichen verändert die öffentliche Kommunikation und stellt auch die professionelle Organisationskommunikation vor neue Herausforderungen. Obwohl viele Organisationen aus der Wirtschaft ihre Umweltbeziehungen managen, scheinen sie immer häufiger daran zu scheitern, mit ihren Themen und Botschaften durchzudringen und ihre Sinnentwürfe gesellschaftlich anschlussfähig zu machen und durchzusetzen (Krüger 2015:18). Dies liegt vermutlich auch an ihrer eigenen Ausdifferenziertheit und Komplexität:
Gerade Wirtschaftsunternehmen, die unter permanentem Entscheidungsdruck stehen, haben zahlreiche Mechanismen zur Herbeiführung, Erklärung, Rationalisierung und Legitimierung ihrer Entscheidungen entwickelt. Hierzu zählen neben Organisationsstrukturen und Rollensystemen beispielsweise komplexe Kennzahlensysteme und ein in immer kürzeren Intervallen aktualisiertes Berichtswesen (Krüger 2015:18).
Obwohl diese Strukturen und Argumentationslogiken des Wirtschaftssystems im Zuge einer gesellschaftsweiten Ökonomisierung auch vor anderen Gesellschaftsbereichen nicht haltmachen, erweisen sie sich offenbar als nur begrenzt geeignet, um Unternehmenshandeln dauerhaft gegenüber gesellschaftlichen Teilbereichen zu legitimieren. Geschichten sind in den vergangenen Jahrzehnten zu einem zentralen Gegenstand in der Organisationsforschung geworden und scheinen für eine Organisation zu jeder Zeit von Bedeutung zu sein (Czarniawska 2009:63, Schach 2016:15). Neue Organisationen brauchen Geschichten, um diversen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen das noch unbekannte Unternehmen bzw. Produkt darzustellen (Lounsbury & Glynn 2001). Auch etablierte Organisationen erzählen Geschichten, manche sogar Erfolgsgeschichten oder organisationale Mythen und Sagen, die die Identifikation der Mitglieder mit der Organisation stärken (Czarniawska 2009:64). Grundsätzlich bezeichnet StorytellingStorytelling alle Konstruktionsformen auf der narrativen Ebene öffentlicher Kommunikation (Szyszka 2015:620). Es kann als Kommunikationsoperation beschrieben werden, die prinzipiell geeignet ist, die Kommunikation von Organisationen, auch über Funktionssystemgrenzen hinweg, anschlussfähig zu machen. Die Organisationskommunikation nutzt demnach an Stelle des Codes des Muttersystems den Code eines anderen Systems (z.B. den Code der Massenmedien) und simuliert diesen. Der Kommunikationsmodus unterscheidet sich von den im Wirtschaftssystem vorherrschenden zweckrationalen Argumentationsmustern und der rein deskriptiven Informationspolitik. Storytelling wird stattdessen als narrativer Kommunikationsmodus verstanden, der Sinn vermittelt, indem er gesellschaftlich anschlussfähige Mitteilungen in narrativer Form hervorbringt (Krüger 2015:16). Dieser Kommunikationsmodus unterstützt die LegitimationLegitimation von und das Vertrauen in Organisationen über die Grenzen des eigenen Funktionssystems hinaus. Die Wiederentdeckung des Erzählens in Teilen der Kommunikationspraxis von Organisationen ist der Suche nach einem Kommunikationsmodus geschuldet, der es ermöglicht, Komplexität effektiv zu reduzieren, öffentliche Aufmerksamkeit sicherzustellen und Zustimmung zu bestimmten Sinnentwürfen zu erlangen. Die Anschlussfähigkeit spielt dabei eine große Rolle:
Geschichten und die in ihnen enthaltenen Erzählmuster bilden als Teil des kollektiven Gedächtnisses der Gesellschaft den kommunikativen „Kitt“, der Verstehen in einer komplexen und funktional differenzierten Gesellschaft ermöglicht und gesamtgesellschaftlich anschlussfähigen Sinn vermittelt (Krüger 2015:31).
Geschichten von wirtschaftlichen Akteuren liefern zudem Hinweise, wie Beziehungsgefüge wahrgenommen werden und helfen Organisationen sich zu präsentieren bzw. die Konkurrenz zu beobachten (Mützel 2010:40). Storytelling in den Public Relations bedeutet, „den internen und externen Bezugsgruppen Fakten über die Organisation gezielt, systematisch geplant und langfristig in Form von Geschichten zu erzählen“ (Frenzel et al. 2006:3). Grundsätzlich beziehen sich Narrationen auf Ereignisse, die von einem Konflikt zwischen unterschiedlichen Wertvorstellungen handeln. Diese Komponenten werden dabei in einem kulturell überlieferten Grundmuster (einem Basis-Narrativ) miteinander in eine fassbare Verbindung von Konflikt und Konfliktlösung gebracht (Brinker et al. 2014:74). Die Kernbotschaft, die eine Geschichte in der Organisationskommunikation transportiert, wird in der Regel implizit vermittelt und nicht explizit erklärt. Sie kann mehrere Aussageebenen beinhalten und unterschiedliche Bedeutungen bekommen – je nach Kontext (Huck-Sandhu 2014:661). Narration umfasst textlinguistisch drei thematische Grundkategorien: Situierung, Repräsentation und Resümee. Situierende Elemente können kontinuierlich oder diskontinuierlich vorkommen oder auch gänzlich fehlen. Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Repräsentation des Ereignisses, das sich aus einer oder mehreren Ereignisphasen konstituiert. Die Kategorie Resümee bezeichnet die zusammenfassende Einschätzung vom Erzählzeitpunkt aus (Brinker 2014:71). Ein zentraler Aspekt des Storytellings als Technik ist jedoch die strategische Ausrichtung (Hillmann 2011:63). Der Schritt zur Strategie vollzieht sich meist anhand der Frage, welche Geschichten erzählt werden. Diese Einigung auf Kerngeschichten wirkt auf das Tun der Organisation, sobald Geschichten aufgenommen und weitergetragen werden (Ettl-Huber 2014:19). In Organisationen lassen sich dabei verschiedene Stufen identifizieren, unterschieden danach, inwiefern die Integration von Storytelling vorangeschritten ist – vom unbewussten bis zum strategischen Storytelling.
6. Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung
Strategisches Storytelling ist als Technik für die Außendarstellung von Organisationen ein omnipräsentes Thema. In der internen Kommunikation und der betrieblichen Weiterbildung lassen sich narrative Techniken ebenfalls nutzen, wenn es um die Unternehmenskultur, die Vermittlung von Leitbildern und Werten der Organisation oder um Veränderungsprozesse geht. Will man die Unternehmenskultur beeinflussen, muss man sie erst kennen. Letztlich geht es um die Bewusstmachung und sukzessive Veränderung geheimer Spielregeln, die einer professionellen Kommunikations- und Kooperationskultur entgegenlaufen oder sie fördern, um sie mit den offiziell gewünschten Leitbildern in Deckung zu bringen. Hier spielen Narrationen eine entscheidende Rolle, können sie doch