Sprache und Kommunikation in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Группа авторов

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mit einem Kunden bis zum Protokoll der Vorstandssitzung. Alle mündlichen und schriftlichen Kommunikationsformen werden mit dem Begriff der OrganisationskommunikationOrganisationskommunikation umschrieben, der die gesamte Kommunikation in und über die Organisation umfasst. Aus der Perspektive der soziologischen Organisationsforschung ist ein solch breites Kommunikationsfeld folgerichtig, da soziale Systeme aus systemtheoretischer Perspektive aus Kommunikation bzw. Kommunikation in der Form von Entscheidungen bestehen (Luhmann 1984). Nach der CCO-Perspektive (Communication Constitution of Organizations) entstehen und überdauern Organisationen erst dadurch, dass Sprachhandlungen im Namen der Organisation vollzogen werden (Hoffjann 2015:106). In der Unternehmenspraxis haben sich die Anforderungen an die Sprachkompetenz in vielen Bereichen differenziert und verbreitert. Das lässt sich anhand der manifesten Differenzierung der Textfunktion diverser Textsorten in der Wirtschaft ableiten: Waren beispielsweise in der externen UnternehmenskommunikationUnternehmenskommunikation1 ehemals hauptsächlich Informations- und Appellfunktionen zu identifizieren, kommen heute vielfältige Textsorten der Kontaktfunktion im Rahmen der DigitalisierungDigitalisierung und Textsorten mit Obligationsfunktion wie Leitbilder und Compliance-Richtlinien vor (Schach 2015:45). Die Veränderungen in der Organisationsumwelt, insbesondere im Journalismus, bewirken neben der Ausdifferenzierung ebenso eine Änderung des KommunikationsmodusKommunikationsmodus bzw. der Vertextungsstrategie. War die externe Organisationskommunikation, d.h. die Public Relations, vornehmlich durch deskriptive Textsorten geprägt, werden heute narrative Textstrukturen immer dominanter. Dem Einsatz von Geschichten wird eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Erreichung der gewünschten Aufmerksamkeits- und Einstellungsziele von Organisationen zugeschrieben.

      2. Organisationen als Systeme

      In der Organisationsforschung ist die systemtheoretische Perspektive auf Organisationen als geschlossene Systeme weit verbreitet. Durch ihre Schnittstelle zu einer systemtheoretisch orientierten Textlinguistik lassen sich die Funktionen von Texten und Sprache in der Organisation und ihrer Umwelt besser beschreiben. (Gansel, 2011) Die textlinguistische Analyse liefert Ergebnisse, wie Textsorten in der System-Umwelt-DifferenzSystem-Umwelt-Differenz zu strukturellen Kopplungen mit anderen Systemen führen können. Zudem lassen sich mittels textlinguistischer Kategorien Veränderungsprozesse in Bezug auf die Themenentfaltung von Textsorten der Wirtschaft bzw. der Organisationskommunikation identifizieren. Die funktional-strukturelle Systemtheorie ist in der Organisationsforschung in unterschiedlicher Prägung ausgearbeitet worden. Sie ist angelegt als komplexe Gesellschaftstheorie, die eine Grundlage bietet, die Entstehung von Systemen zu beschreiben. Ein entscheidender Vorteil der Systemtheorie liegt darin, dass sich mit ihr Phänomene der Mikroebene (Kommunikation), der Mesoebene (Organisationen) und der Makroebene (Gesellschaften und Funktionssysteme) gleichermaßen beschreiben und erklären lassen (Merten 2009:68). So lassen sich auch Beziehungen zwischen diesen Systemen sowie zwischen Organisationssystemen erläutern. In der Systemtheorie Luhmann‘scher Prägung besteht die Gesellschaft aus funktional ausdifferenzierten Teilsystemen wie z.B. Wirtschaft, Recht und Wissenschaft, die operativ geschlossen und autopoietisch strukturiert sind. Das bedeutet, dass soziale Systeme von der Umwelt lediglich irritiert werden und diese Irritationen auf der Basis eigener Strukturen auflösen können. Die unterschiedlichen Funktionssysteme übernehmen exklusiv bestimmte Aufgaben für die Gesellschaft. So übernimmt das Wirtschaftssystem die Allokation knapper Güter (Luhmann 1998). In allen Funktionssystemen operieren Organisationen, die eine KomplexitätssteigerungKomplexitätssteigerung der jeweiligen Funktionssysteme ermöglichen, wie beispielsweise Unternehmen im Wirtschaftssystem. So müssen die einzelnen Systeme bei der Erfüllung ihrer spezifischen Funktionen nur einen Teil der gesamtgesellschaftlichen Komplexität bewältigen, das Prinzip ist demnach eine „Steigerung durch Reduktion von Komplexität“ (Luhmann 1984:507). Organisationen sind demnach Sinnsysteme, d.h. Sinnproduktion ist die spezifische Basis der Operationen ihrer Selbstreproduktion, um stabile Grenzen zur Umwelt aufrechtzuerhalten“ (Szyszka 2009:136). Im Unterschied zu gesellschaftlichen Funktionssystemen haben Organisationen eine besondere Operationsweise: Sie treffen Entscheidungen. Durch diese Fähigkeit sind Organisationen handlungs- und kommunikationsfähig. Sie sind damit die beobachtbaren und durch Kommunikation adressierbaren Operatoren der Funktionssysteme. Ihre Entscheidungen sind dabei immer doppelt kodiert: Sie folgen einerseits der Leitunterscheidung des Funktionssystems, dem sie angehören, und andererseits dem organisationseigenen Code, der der Sicherung der eigenen Existenz dient. Unternehmen folgen dem allgemeinen Code des Wirtschaftssystems (Zahlung/Nichtzahlung) und orientieren sich andererseits an der eigenen Effektivität und am eigenen Fortbestand (Krüger 2015:32). Allerdings wird die Gesellschaft im Zuge der Differenzierung heterogener und vielfältiger, da durch die Emergenz zusätzlicher Teilsysteme die Anzahl gesellschaftlicher Beobachterperspektiven steigt (Hoffjann 2007:92). Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit von Konflikten zwischen Systemen. Durch die wachsende Differenzierung steigt der Bedarf für Abstimmungen sowohl zwischen den Funktionssystemen als auch den Organisationen. Die Folge ist eine kontinuierliche Zunahme gesellschaftlicher Kommunikation, die wiederum zu einem wachsenden Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit führt. Die direkte Kommunikation über Systemgrenzen hinweg ist aus systemtheoretischer Perspektive unmöglich, da jedes Funktionssystem geschlossen ist und ausschließlich nach dem eigenen, exklusiven Code als Leitdifferenz operiert. Allerdings greifen hier die Konzepte der strukturellen und operativen Kopplung sowie der gegenseitigen Irritation.

      3. Textsorten und Kommunikationsbereich

      Auch in der textlinguistischen Perspektive wird ein systemtheoretisches Begriffs- und Definitionsinstrumentarium zur Analyse von Textsorten herangezogen, um den Kommunikationsbereich von Textsorten zu untersuchen, die menschliches Handeln im Allgemeinen reflektieren und sich in verschiedensten Kommunikationsbereichen ausprägen (vgl. Gansel 2011:12).

      Der Begriff des KommunikationsbereichsKommunikationsbereich weist Parallelen zu der Begrifflichkeit des sozialen Systems der sozialwissenschaftlichen Systemtheorie auf. Nach Luhmann werden soziale Systeme als Systeme sinnhafter Kommunikation bezeichnet, Kommunikationen werden als „Elementarteilchen“ derselben definiert. Kommunikationen sind demnach sinnhafte soziale Ereignisse, die durch ein bestimmtes Medium aufeinander bezogen werden müssen (Krause 2001:26). Die Beschäftigung mit funktional ausdifferenzierten Teilsystemen kann so bei der Klassifizierung von Textsorten wichtige Impulse liefern. Dem System kommt in der systemtheoretisch orientierten Textlinguistik eine entscheidende Bedeutung zu, da sich die Textsorten nur in ihrem System und nach entsprechenden systeminternen Regeln und Funktionsweisen der Reflexivität entfalten und verändern können. Das System oder – textlinguistisch gesprochen – der Kommunikationsbereich determiniert und koordiniert sprachliche Handlungsweisen und sollte somit immer der Bezugspunkt sein.

      Textklassen erfüllen ihre Aufgaben im Rahmen sozialer Systeme (Kommunikationsbereiche), die eine systemerhaltende Funktion haben und Leistungen für andere Systeme erbringen. Es geht dabei um die Leistungen in übergeordneten sozialen Handlungen für ein System und dessen Interaktion mit anderen Systemen der Gesellschaft (Gansel 2011:17).

      Die Textsortenanalyse eignet sich daher als Methode für die Beschäftigung mit Textsorten in Organisationen, um organisationstheoretische Veränderungsprozesse nachzuweisen und zu beschreiben.

      4. Funktion von Textsorten in Organisationen und ihrer Umwelt

      Textsorten erfüllen ihre Aufgaben im Rahmen sozialer Systeme, da sie eine systemerhaltende Funktion haben und Leistungen für andere Systeme erbringen. Es geht dabei um die Leistungen von Textsorten in übergeordneten sozialen Handlungen für ein System und dessen Interaktion mit anderen Systemen der Gesellschaft. Aus systemtheoretischer Perspektive handelt es sich bei Kommunikation auf der Mikroebene um einen wechselseitigen Konstruktionsprozess bestehend aus der Synthese von drei kontingenten Selektionen: Information, Mitteilung und Verstehen (Luhmann 1984:203). Texte werden als Mitteilungen im Textproduktionsprozess erzeugt und stehen für Verstehensprozesse zur Verfügung. Sie provozieren weitere Vertextungen, fixieren Sinn und sichern die Anschlussfähigkeit der Kommunikation. Textsorten erzeugen strukturelle Kopplungen zwischen Systemen (Neumann 2011, Christoph 2009). Als strukturelle Kopplungen werden in der Systemtheorie medial vermittelte Beziehungen zwischen autopoietischen Systemen gesehen.


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