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Sprache und Kommunikation in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Группа авторов
bekannten Zustand B – der in den Betrieben tendenziell in kürzeren Intervallen erfolgt. Dem folgte (und folgt) die betriebliche Bildungsarbeit durch die Vermittlung formaler fachlicher und sozialer Qualifikationen. Trotz des Additivs „sozial“ verbleibt jedoch die zweite Problematik des QualifikationsdenkensLernennach Schablone: QualifikationenQualifikation orientieren sich an einem Maßstab, der von einem Menschen erfüllt werden muss, um einer Tätigkeit nachzugehen. Sie sind daher Konstrukte, die, wenn sich die qualifikatorische Bedingung verändert, „nur noch Aussagen über denjenigen zu treffen vermögen, der sie als Maßstab verwendet, nicht unbedingt jedoch über den, an den das Maß angelegt wird“ (Lang-von Wins & Triebel 2006:38). Letzterer tritt damit immer als Qualifikationsdefizit in Erscheinung.
In der „Sprache des Qualifikationsdenkens“ kommt dem Wissen und den formalen Formen des Erwerbs große Bedeutung zu. Beurteilung und Defizitorientierung sind wichtiger als Ressourcenorientierung. In den Vordergrund rückt der Begriff der Vermittlung. Positiv gesehen beinhaltet er ein Kommunikationsverhältnis, das ein herzustellendes Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden im Blick hat. Oft aber bleibt es beim Begriffsaustausch: Unterweisung heißt jetzt Vermittlung.
1.3 Kompetenzorientierte Wende
Mit der sogenannten Kompetenzorientierten WendeKompetenz-Orientierung etwa ab Beginn der 1990er Jahre wurde ein Leitbegriff adaptiert, der geeignet schien, die Herausforderungen zunehmender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Individualisierung, Beschleunigung, Globalisierung, der Virtualisierung organisatorischer Strukturen u.ä. aufgreifen zu können. Auch sollte den Menschen in den neuen Bundesländern mit der Qualifizierungsoffensive verdeutlicht werden, dass „mit der Arbeit an neuen Werthaltungen und Einstellungen begonnen werden sollte“ (Kirchhoff 2007:85). Begriffe wie Werte und Haltungen stehen dem subjektzentrierten Kompetenzverständnis sehr nahe. Letzteres rückte in den Vordergrund:
Die alte Bildungslogik muss […] ergänzt werden durch eine neue Logik, die auf die Entdeckung und Entwicklung der individuellen Kompetenzen bei den Beschäftigten in der Aus- und Weiterbildung setzt (Wittwer 2015:7).
Im Kern geht es dem Kompetenzansatz daher um die Hinwendung zum arbeitenden und lernenden Subjekt.
Damit steht die jeweilige Besonderheit der Person, d.h. deren individuelle Kompetenzen im Vordergrund der Bildungsarbeit. Nur so kann das individuelle Potenzial im Sinne des Individuums, der Organisation bzw. des Unternehmens sowie der Gesellschaft genutzt werden (Wittwer 2015:3).
Kompetenzen stellen immer „das Individuum in den Fokus der Betrachtung“ (Lang-von Wins & Triebel 2006:39). Die Begrifflichkeit z.B. der „Selbstorganisationsdisposition“ Selbstorganisationsdisposition(Erpenbeck & Rosenstiel 2003: XXXI) verweist darauf, dass Fertigkeiten, Fähigkeiten, Wissen und Qualifikationen zwar unumgängliche Voraussetzungen, für sich genommen aber noch keine Kompetenzen sind.
Das, was Kompetenzen ausmacht, beinhaltet immer auch Hinweise auf die spezifischen Bedingungen ihres Erwerbs: Die Selbstorganisationsdisposition muss durch Handlung zum Leben, zur Sprache kommen. Da es bei Kompetenzen um die Bewältigung komplexer Anforderungen geht, benötigt man zu ihrer Entwicklung Lernsituationen mit direktem Praxisbezug, möglichst ein Lernen in Realsituationen. Über Wissen, Fertigkeiten und Qualifikationen hinausgehend sind auch „interiorisierte, also zu eigenen Emotionen und Motivationen verinnerlichte Regeln, Werte (Bewertungen) und Normen“ (ebd.:XXXI) Kernbestandteile von Kompetenzen. Damit wird der Wertebereich zum zentralen Drehpunkt des SubjektbezugsSubjektbezug des Kompetenzansatzes. Auf emotional gesättigte Erlebens- und Erfahrungssituationen als „Grundlagen des Kompetenzerwerbs“ (Arnold & Erpenbeck 2014:13) kommen wir noch zurück.
Der Kompetenzbegriff ist heute zu einem „Containerbegriff“ geworden, „in den man alles hineinpacken kann“ (Wittwer 2015:10). Vielfach besteht die kompetenzorientierte Wende in einer schlichten Umbenennung bisher benutzter Fähigkeits- und Qualifikationsbegriffe. Auch in diesem Band trifft man vielfach auf Kompetenzgebilde wie Sprach-, Gesprächs-, Kommunikations-, Erklärungs-, Schreib-, Lesekompetenz u.ä.m., bei denen es sich eher um Voraussetzungen für Kompetenzen handelt, nicht aber um Kompetenzen selbst. Das Verständnis von Kompetenz scheint sich „trotz gegenteiliger Beteuerung“ wieder in Richtung Qualifikation zu bewegen. Es geht jetzt „weniger um die Entwicklung ganz persönlicher Kompetenzen als um den Erwerb gesellschaftlicher bzw. betrieblich erwünschter Kompetenzen“, um den „Wunsch nach einer ‚sicheren‘ Prognose des menschlichen Verhaltens im Arbeitsprozess und dem Einsatz der Kompetenzen als betriebliches Steuerungsinstrument. […] Dieser Wunsch steht allerdings im Widerspruch zum Subjektbezug des Begriffs.“ (Wittwer 2015:11).
2. Sprache, Kommunikation und Kompetenzentwicklung
2.1 Kompetenzentwicklung/-reifung
Kompetenzen benötigen ihrer besonderen Merkmale wegen zu ihrer Entwicklung – Arnold & Erpenbeck sprechen sogar von „Kompetenzreifung“ – auch eine eigene Methodik/DidaktikKompetenzreifungMethodik der. Einige Stichworte hierzu haben wir bereits skizziert. Einem konkreten methodisch/didaktischen Konzept bereits näher kommen u.E. die folgenden Anregungen, die einem – akademisch sehr unüblich – in einem gemeinsamen Band publizierten Dialog (!) entstammen (Arnold & Erpenbeck 2014:57f.):
(1) Lernen ist Aneignung. Dieses ‚lebt‘ von den Umgangserfahrungen des Subjekts mit sich selbst und seiner Selbstwirksamkeit, seiner Stellung in sozialen Systemen und mit überlieferten bzw. übergebenen Wissensbeständen.→ Eine Kompetenzdidaktik muss deshalb „gezielt günstige Gelegenheiten für ein solches reflexives Lernen schaffen.“
(2) Das Eigene ist mächtig, es kann nicht übersehen oder dementiert werden. Es ist in erster Linie emotionale Identität, d.h. die Summe der biografisch zu Mustern des Wollens und Könnens geronnenen Selbstwirksamkeitsgefühle des reifenden Subjekts.→ Diese emotionale Identität bestimmt bereits den Bereich der Wissensaufnahme und -vermittlung. Eine methodisch-didaktische Konsequenz besteht daher in der besonderen Aufmerksamkeit für Werte, Haltungen, Emotion, Motivation und den damit verbundenen methodisch-didaktischen Umgehensweisen wie emotionale Labilisierung, Wertinteriorisation.
(3) Kompetenzentwicklung gelingt nur in Eigenregie des lernenden Subjekts. Dieses muss die Ziele, um die es geht, möglichst früh und möglichst präzise kennenlernen – in einer Weise, die es ihm ermöglicht, kontinuierlich den eigenen Prozess zu überprüfen und immer wieder neu zu justieren.→ Dazu verhilft, wie z.B. im Konzept der Lernprozessbegleitung veranlagt, eine dialogische Beziehungsstruktur zwischen Lehrenden und Lernenden.
(4) Lehren ist eine Inszenierung von Erfahrungsräumen, in denen den Lernenden Erklärungs-, Vertiefungs- und Diskursmöglichkeiten eröffnet werden, die sie zu ihren Bedingungen nutzen können, ohne dass diese unmittelbar auf die Lernenden einwirken oder ihre Kompetenzentwicklung ohne deren innere Zustimmung nachhaltig beeinflussen können.→ Eine Konsequenz besteht in der Orientierung an einer „Ermöglichungsdidaktik“ (vgl. z.B. Arnold 2012).
Was besagt das alles hinsichtlich unserer anfänglichen Frage nach der Entwicklung sprachlicher bzw. sozial-kommunikativer Kompetenzen?
2.2 Anwendung auf die Entwicklung von Sprache und Kommunikation – Beispiele
Die Wandlungsbedingungen in der Arbeits- und Berufswelt lassen keinen Zweifel daran, dass das Subjekt zunehmend auf sich, seine Handlungserfahrungen und inneren Orientierungen angewiesen ist und eine sozial-kommunikative Kompetenz eine Handlungsanforderung darstellt, die durchgängig an Bedeutung gewinnt. Ihre Benennung als sozial und kommunikativ beschreibt die real wachsende Verflechtung dieser Anforderungen: „kommunikativ und kooperativ selbstorganisiert zu handeln, d.h. sich mit anderen kreativ auseinander- und zusammenzusetzen, sich gruppen- und beziehungsorientiert zu verhalten, und neue Pläne, Aufgaben und Ziele zu entwickeln“ (Erpenbeck & Rosenstiel 2003:XVI).
Zumindest in Annäherung haben wir in verschiedenen Projekten Konzeptbestandteile