tali dignus amico. Vicente Flores Militello

tali dignus amico - Vicente Flores Militello


Скачать книгу
Reflexion und damit ein Beispiel für das patronus-cliens-Verhältnis schlechthin. Martial thematisiert konkretere Aspekte des clientela-Verhältnisses (etwa die salutatio, die Auszahlung der sportula oder die Teilnahme an der cena) humorvoll aus wechselnden Perspektiven, inszeniert sich dabei aber immer stärker als (Dichter-) Klient, der in der (spanischen) Landruhe Distanz zu den städtischen bzw. klientelären Pflichten sucht. Ein kritischeres Bild findet der Leser schließlich bei Juvenal, der das clientela-System als dekadent darstellt und sich dazu einer immer stärker in den Vordergrund tretenden Ironie bedient, etwa durch ein komplexes Verhältnis verschiedener „Ich“-Stimmen, die die Kritik ausüben.

      Vor diesem Hintergrund wird die Arbeit also erstmalig das patronus-cliens-Verhältnis bei den genannten Autoren in seiner konkreten Ausgestaltung und seinem diachronen Wandel beschreiben. Sie gliedert sich zu diesem Zweck in 1) eine Einleitung, in welcher der historische Rahmen des für Rom so bedeutenden Verhältnisses der clientela, die lexikalischen Schwierigkeiten der Wortfelder amicitia und clientela sowie schließlich die Rolle der Figur des ‚Parasiten‘ untersucht werden, sowie in vier Hauptkapitel (2–5), in denen die Darstellungsweise des patronus-cliens-Verhältnisses bei den genannten Autoren anhand repräsentativer Stellen aufgezeigt wird. Indem die vorliegende Dissertation die vielschichtigen Aspekte und das je individuell gestaltete Verhältnis zwischen patroni und clientes beleuchtet, wird sie zeigen können, dass jeder Autor die Situation differenziert bewertet und literarisch unterschiedlich funktionalisiert.

      1) Einleitung

      a) Soziologischer und literarischer Rahmen

      Das Verhältnis zwischen patroni und clientes, das man in der Forschung unter den Termini Patronat1 (Lat. patronatus, Gr. πατρωνεία) bzw. Klientelwesen2 (clientela) vorfindet, stellt für die römische Weltanschauung einen der Kernpunkte des sozialen sowie politischen Lebens dar.3 Diese Institution wurde sogar auf Romulus selbst zurückgeführt (Cic. rep. 2,16Cicerorep. 2,16, Dion. Hal. ant.Dionysios von Halikarnassant. 2,9,1–3 2,9,1–3; Plut. Rom.PlutarchRom. 13,7 13,7), d.h. auf Roms Ursprung.

      Es handelt sich um eine hierarchische Ordnung der römischen Gesellschaft, ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen politisch bzw. sozial einflussreichen (patroni) und weniger einflussreichen (clientes) freien Bürgern,4 welches allerdings auf dem Prinzip der Gleichwertigkeit und Gegenseitigkeit basieren und die sozialen Unterschiede zu einem moralischen Gleichgewicht5 bringen sollte. Schon in der Antike wurde auf die Analogie zur hierarchischen Ordnung innerhalb der römischen Familie verwiesen,6 indem etymologisch argumentiert wurde: Der Patron vertritt gewissermaßen die Figur des Vaters (pater), der für seine Kinder sorgen muss.7 Das Verhältnis intendiert ein gegenseitiges Sich-Schützen, aus dem beide Seiten Gewinn ziehen, nämlich eine politische, juristische, finanzielle und persönliche Unterstützung mit einer wichtigen gesellschaftlichen Aufwertung beider Seiten. Es entsteht so ein auf fides8 basierendes Verhältnis, das gegenseitige Treue und Schutz garantiert.9 Als Patron dagegen zu verstoßen, galt selbstverständlich nicht nur als eine große Schande, sondern auch als eine Straftat. In den Zwölftafelgesetzen führt der Verstoß eines Patrons gegen den Klienten sogar zur sog. ‚Sazertät‘, d.h. er wird für vogelfrei erklärt Lex XII tab8,21(Lex XII tab. 8,21: patronus si clienti fraudem fecerit, sacer esto).10 Für Cato den Älteren ist die Beziehung zwischen patroni und clientes ‚heilig‘ und die wichtigste nach der Vater-Sohn-Beziehung: patrem primum, postea patronum proximum nomen habuere [sc. maiores] (bei Gell. 5,13,4)Aulus Gellius5,13,4. Die clientes hätten sogar den Vorrang vor der eigenen direkten Verwandtschaft: adversus cognatos pro cliente testatur, testimonium adversus clientem nemo dicit (ebd.).11

      Wie man sehen kann, handelt es sich beim Verhältnis zwischen patroni und clientes um eine moralisch wichtige und Ansehen bringende Beziehung, die außerdem, wie Saller 1982 argumentiert,12 durch 1) eine gegenseitige Dienstleistung, 2) einen kontinuierlichen Charakter sowie 3) die soziale Asymmetrie der Mitglieder gekennzeichnet ist.13

      Da aber ein solches Verhältnis sowohl auf moralischen Werten als auch auf sakralen Elementen basiert, wie mos und fides, wird es in der Wissenschaft manchmal als ein außerjuristisches Verhältnis betrachtet:14 Zwar haben „enttäuschte Patrone“ sowie „undankbare Klienten“ keinen rechtlichen Anspruch, wie Nicols 2014 bemerkt,15 die Beziehung zwischen Patronen und Klienten stellt trotzdem einen wichtigen Teil der juristischen Welt16 dar, denn sie wird Gegenstand juristischer Forschung bei den antiken Autoren und vom Gesetz sanktioniert. Für diese Arbeit ist dennoch folgende Beobachtung von Bedeutung: Die Enttäuschung der Patrone und die Undankbarkeit der Klienten (oder auch umgekehrt, wie gezeigt werden wird) finden in der literarischen Darstellung reichlich Niederschlag – vor allem in der (satirischen) Dichtung und vor allem in der Kaiserzeit: Dies zu untersuchen, stellt das Ziel der vorliegenden Arbeit dar. Daher werden von einer kleinen Passage bei Plautus ausgehend verschiedene Stellen bei Horaz, aber vor allem zahlreiche Epigramme Martials und verschiedene Satiren Juvenals untersucht, um die Darstellungsstrategien der verschiedenen dort vorkommenden Sprecher sowie die daraus entstandenen Situationen zu eruieren.

      b) Historiographische Quellen zur Entstehung des patronus-cliens-Verhältnisses

      Bevor man zu den Hauptquellen der vorliegenden Untersuchung kommt, ist ein kurzer Blick auf den historiographischen Diskurs über das Verhältnis zwischen patroni und clientes nötig, um dessen Bedeutung im römischen Zeitgeist nachvollziehen zu können.

      Schon bei Cicero findet man die Erwähnung, dass Romulus das patronus-cliens-Verhältnis in die römische Gesellschaft integriert habe, und zwar zwischen Patriziern und PlebejernCicerorep. 2,16 (habuit [sc. Romulus] plebem in clientelas principum discriptam: Cic. rep. 2,16). Einen vertieften Einblick in dieses Phänomen bietet der ein paar Jahrzehnte später wirkende griechische Historiograph Dionysios von Halikarnass (ant. 2,9–10).Dionysios von Halikarnassant. 2,9–10 Er widmet sich ebenfalls im Zusammenhang mit Romulus’ Regentschaft der Beschreibung des Patronats (πατρωνεία), d.h. der Beziehung zwischen Patron (προστάτης) und Klienten (πελάτης).1 Dabei achtet er auf den besonderen Charakter des Verhältnisses bei den Römern, selbst wenn ein solches Abhängigkeitsverhältnis nach seiner Vorstellung auch bei den Griechen präsent gewesen sei (ἔθος Ἑλληνικὸν καὶ ἀρχαῖον, ant. 2,9,2), doch der Unterschied liege darin, so der Text weiter, dass bei den Griechen die soziale Asymmetrie derart stark hervortrete, dass die Patrone die Klienten oft körperlich misshandelten, als wären letztere nicht einmal freie Menschen.2 Dagegen existiere das Verhältnis bei den Römern einerseits zum Schutz der Armen und Bedürftigen (Dionysios definiert den Patronat als τῶν πενήτων καὶ ταπεινῶν προστασία, ant. 2,9,3),3 andererseits bestehe es aus einem „menschenfreundlichen“ sowie „staatsbürgerlichen Bund“ (solche Beziehungen seien nämlich φιλάνθρωποι καὶ πολιτικαὶ συζυγίαι, ebd.). Dies betone den ethischen und sozialen Charakter.Dionysios von Halikarnassant. 2,9,2–3

      Die Pflichten (meist rechtlicher Natur), aus denen die patronus-cliens-Beziehung bestand (ἔθη περὶ τὰς πατρωνείας, ant. 2,10,1), werden dann analog zur hierarchischen Ordnung innerhalb der römischen Familie besprochen: Die Patrizier sollten den Klienten z.B. erklären, über welche Rechte sie verfügten, und sollten ihnen auch juristisch Beistand leisten und sie bei Gelegenheit verteidigen – wie auch die Eltern gegenüber ihren Kindern handeln würden (ὅσα περὶ παίδων πράττουσι πατέρες, ebd.).Dionysios von Halikarnassant. 2,10,1 Die Klienten sollten ihrerseits den Patron unterstützen, z.B. bei der Aussteuer der Töchter im Falle finanzieller Not oder bei der Zahlung von Lösegeld, falls ein Sohn in Kriegsgefangenschaft geriet4 – dass dabei die Klienten über größere finanzielle Mittel verfügen konnten, welche die Patrone gerne in Anspruch nahmen, geht aus dieser Passage ebenfalls hervor: Dies wird in der literarischen Darstellung gerne thematisiert, wie unten noch gezeigt werden soll.

      Dass sich


Скачать книгу