PLATON - Gesammelte Werke. Platon

PLATON - Gesammelte Werke - Platon


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der Buchstaben bestimmen, dann der Silben, und so erst mit ihrer Betrachtung zu den Silbenmaßen gelangen, eher aber nicht?

      Hermogenes: Ja.

      Sokrates: Sollen nicht eben so auch wir zuerst die Selbstlauter bestimmen, hernach wiederum die übrigen ihrer Art nach, die welche weder Laut noch Ton haben, denn so nennen sie doch die, welche sich hierauf verstehen, und dann die welche zwar keinen Laut haben, aber doch nicht ganz tonlos sind? und so auch unter den lautenden die sich von einander unterscheidenden Arten. Haben wir dann dies richtig eingeteilt, dann müssen wir wiederum eben so alle Dinge vor uns nehmen wie die Worte, und zusehn ob es auch hier so etwas gibt worauf sich alle zurückbringen lassen wie die Buchstaben, woraus man sie selbst erkennen kann, und ob es auch unter ihnen verschiedene Arten gibt auf dieselbe Weise wie bei den Buchstaben. Haben wir nun auch diese alle wohl kennen gelernt: dann müssen wir verstehen nach Maßgabe der Ähnlichkeit zusammenzubringen und auf einander zu beziehen, sei nun einzeln eines auf eines zu beziehen oder mehrere zusammenmischend auf eines, wie die Maler wenn sie etwas abbilden wollen bisweilen Purpur allein auftragen, und ein andermal wieder eine andere Farbe, dann aber auch wieder viele unter einander mengen, wenn sie zum Beispiel Fleischfarbe bereiten oder etwas anderes der Art, je nachdem, meine ich, jedes Bild jeden Färbestoffs bedarf. So wollen auch wir die Buchstaben den Dingen auftragen, bald dem einen, wenn uns das nötig scheint, bald mehrere zusammen indem wir bilden was man Silben nennt, und wiederum (425) Silben zusammensetzend, aus denen Wörter, Haupt- und Zeitwörter zusammengesetzt werden, und aus diesen endlich wollen wir dann etwas Großes, Schönes und Ganzes bilden, wie dort das Gemälde für die Malerei so hier den Satz oder die Rede für die Sprach- oder Redekunst, oder wie die Kunst heißen mag. Oder vielmehr nicht wir wollen dies, denn ich habe mich zu weit verleiten lassen, sondern zusammengesetzt haben sie schon, so wie wir es bereits finden, die Alten und wir müssen nur, wenn wir verstehen wollen dies alles kunstgerecht zu untersuchen, ob die Wörter ursprünglich sowohl als spätere nach einer ordentlichen Weise bestimmt worden sein oder nicht, dies nach solcher Einteilung und auf diese Weise betrachten. Auf geratewohl aber sie zusammenraffen möchte wohl schlecht sein, und nicht nach der Ordnung, lieber Hermogenes.

      Hermogenes: Ja wohl, beim Zeus, Sokrates.

      Sokrates: Wie also? traust du dir zu, dies alles so zu erklären? denn ich keinesweges mir.

      Hermogenes: Weit gefehlt also, daß ich es sollte.

      Sokrates: Lassen wir es denn. Oder willst du, daß wir, so gut wir es vermögen, wenn wir auch nur wenig davon einsehn können, es dennoch versuchen, indem wir vorher erklären, wie nur eben den Göttern, daß wir, ohne etwas von der Wahrheit zu wissen, nur die Meinungen der Menschen von ihnen mutmaßlich angeben wollten, so auch jetzt, ehe wir weitergehen, uns selbst die Erklärung tun, daß wenn die Sache gründlich sollte abgehandelt werden, es sei nun von jemand anderm oder von uns, es allerdings so geschehen müsse, wir aber jetzt nichts tun könnten, als nur, wie man sagt, nach Vermögen uns daran versuchen. Ist dir das Recht, oder was meinst du?

      Hermogenes: Allerdings ist es mir gar sehr recht.

      Sokrates: Lächerlich wird es freilich herauskommen, glaube ich, Hermogenes, wie durch Buchstaben und Silben nachgeahmt die Dinge kenntlich werden. Aber es muß doch so sein; denn wir haben nichts besseres als dieses, worauf wir uns wegen der Richtigkeit der ursprünglichen Wörter beziehn könnten. Wir müßten denn, auf ähnliche Art, wie die Tragödienschreiber, wenn sie sich nicht zu helfen wissen, zu den Maschinen ihre Zuflucht nehmen und Götter herabkommen lassen, uns auch hier aus der Sache ziehen, indem wir sagten, die ursprünglichen Wörter hätten die Götter eingeführt, und darum wären sie richtig. Soll auch uns dies die beste Erklärung dünken, oder jene, daß wir manche unter ihnen von den Barbaren überkommen hätten, wie die Barbaren denn allerdings älter sind als wir, oder auch die, daß ihr Alter es eben so unmöglich machte sie zu erklären, (426) wie ihr barbarischer Ursprung? Denn dies wären wohl sämtlich Ausreden, und zwar recht stattliche, für den, der nicht Rechenschaft geben wollte von den ursprünglichen Wörtern, wiefern sie richtig wären. Indes aus welchem Grunde auch Jemand die Richtigkeit der ursprünglichen Wörter nicht verstände, es müßte ihm immer gleich unmöglich sein die der abgeleiteten zu verstehen, welche notwendig aus jenen müssen erklärt werden, von denen er nichts versteht. Sondern offenbar muß, wer hierin ein Kunstverständiger zu sein behauptet, dies an den ursprünglichen Wörtern vorzüglich und am meisten zeigen können; oder er wisse, daß er bei den abgeleiteten nur leeres Geschwätz treiben wird. Oder dünkt es dich anders?

      Hermogenes: Keinesweges anders, o Sokrates.

      Sokrates: Was ich nun von den ursprünglichen Wörtern gemerkt habe, dünkt mich gar wild und lächerlich. Davon will ich dir also gern mitteilen, wenn du willst; weißt du aber irgend woher etwas besseres zu nehmen, so versuche mir das auch mitzuteilen.

      Hermogenes: Das will ich tun; sprich du nur dreist.

      Sokrates: Zuerst scheint mir das R gleichsam das Organ jeder Bewegung zu sein, welche wir ja selbst auch noch nicht erklärt haben, woher sie diesen Namen führt. Aber es ist wohl offenbar, daß er auch ein Gehen bedeuten will, und er kommt von Weg her; nur daß wir kein einfaches Zeitwort wegen mehr haben. Sich bewegen heißt aber soviel als sich auf den Weg machen, und Bewegung also drückt das auf dem Wege sein aus; indes könnte man auch das Gehn dazu nehmen, und Weggehung sagen oder Weggang. Das Stehen aber will nur ein Stillen des Gehens ausdrücken, der Verschönerung wegen aber ist es Stehen genannt worden. Der Buchstabe R also, wie ich sage, schien dem, welcher die Benennungen festsetzte, ein schönes Organ für die Bewegung, indem er sie durch seine Rührigkeit selbst abbildet; daher bedient er sich desselben hiezu auch gar häufig. Zuerst schon in Strömen und Strom stellt er durch diesen Buchstaben die Bewegung dar; eben so in Trotz und in rauh, und in allen solchen Zeitwörtern wie rasseln, reiben, reißen, zertrümmern, krümeln, drehen, alle dergleichen bildet er größtenteils ab durch das R. Denn er sah, daß die Zunge hiebei am wenigsten still bleibt, sondern vorzüglich erschüttert wird, daher gewiß hat er sich dessen hiezu bedient. Das G hingegen zu allem dünnen und zarten, was am leichtesten durch alles hindurchgeht; (427) daher stellt er das Gehen und das Gießen durch das G dar. Wie im Gegenteil durch W, S, Sch und Z, weil die Buchstaben sausend sind, stellt er alles dergleichen dar und benennt es damit, schaudern, sieden, zischen, schwingen, schweben; auch wenn er das schwellende nachahmt, scheint der Wortbildner meistenteils dergleichen Buchstaben anzuwenden. Dagegen scheint er das Zusammendrücken und Anstemmen der Zunge bei d und t und der Lippen bei b, und p, für eine nützliche Eigenschaft zu halten zur Nachahmung des bindenden dauernden so wie des Pech und Teer. Eben so hat er bemerkt, daß bei dem l die Zunge am behendesten schlüpft, und hat sich dieser Ähnlichkeit bedient um das lose, lockere und schlüpfrige selbst, und das leckere und leimige und viel anderes dergleichen zu benennen. Wo nun aber der entschlüpfenden Zunge die Kraft des G oder K zu Hülfe kommt, dadurch bezeichnet er das glatte, gleitende, gelinde, klebrige. Von dem n bemerkte er, daß es die Stimme ganz nach innen zurückhält, und benannte daher damit das innere und innige um durch den Buchstaben die Sache abzubilden. Das a widmete er dem ganzen, langen, das e dem gedehnten ebenen, weil die Buchstaben groß und vollständig tönen. Für das runde brauchte er das u als Zeichen, und drängte daher in den Namen des kugelrunden besonders soviel davon zusammen als möglich. Und so scheint auch im übrigen der Wortbildner sowohl durch Buchstaben als Silben jeglichem Dinge seine eigene Bezeichnung und Benennung angewiesen und hieraus denn das übrige ebenfalls nachahmend zusammengesetzt zu haben. Dieses nun, o Hermogenes, scheint mir die Richtigkeit der Benennungen sein zu wollen, wenn nicht unser Kratylos etwas anderes meint.

      Hermogenes: Mir wenigstens, Sokrates, macht Kratylos oft und viel hiemit zu schaffen, wie ich auch gleich anfangs sagte, indem er zwar behauptet, es gebe eine Richtigkeit der Worte, aber gar nichts bestimmtes darüber sagt, worin sie bestehen soll, so daß ich nicht einmal weiß, ob er mit Willen oder wider Willen jedesmal so unbestimmt darüber spricht. Jetzt also, Kratylos, sage in Gegenwart des Sokrates, ob dir das gefällt was Sokrates über die Benennungen sagt, oder ob du anderswie etwas besseres darüber zu sagen hast; und hast du das, so sage es, um entweder selbst vom Sokrates zu lernen, oder


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